VERBRAUCHER So ändern die EU-Pläne den Automarkt

Mehr Wettbewerb in der Autobranche soll den Verbrauchern unter anderem geringere Kosten für Neuwagen, Ersatzteile und Reparaturen bescheren. Wir sagen warum.

Experten sind sich noch uneins, was die Pläne, die EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti am 05. Februar 2002 in Brüssel vorgestellt hat, am Ende wirklich bedeuten. Zwar soll unter anderem der Einfluss der Autokonzerne auf den Neuwagenvertrieb und auf die Werkstätten beschränkt werden. Nach Einschätzung von Fachleuten werden Autofahrer allerdings von den Neuregelungen - wenn sie denn tatsächlich in Kraft treten - nicht nur Vorteile haben.

Zwickel hält Vorstoß für schädlich

Keine Gegenliebe findet der EU-Vorstoß zur Liberalisierung des Autohandels hingegen bei IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Der kritisierte in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« aufs heftigste: »Das ist in hohem Maße eine Entscheidung gegen Deutschland, und zwar gegen die deutsche Automobilindustrie.« Wenn EU-Kommissar Mario Monti die Monopole der Vertragshändler antastet, werden laut Zwickel-Zählung 100.000 Arbeitsplätze in Kfz-Werkstätten zerstört. Dabei würden die Verbraucher nicht profitieren. »Warten Sie mal ab, ob die Autos tatsächlich billiger werden, oder ob der Kundendienst nicht schlechter und teurer wird«, mahnte Zwickel.

Autokauf ist 'Schnitzeljagd'

Die Wettbewerbshüter sehen das naturgemäß anders: Bisher trägt der Autokauf in Europa für den Kunden »noch immer Züge einer Schnitzeljagd«. Daher ist es kein Wunder, »dass die Preise hierzulande um 30 und mehr Prozent über denen in den USA liegen, Sonderrabatte eingerechnet«. Da in Europa Händler die Fabrikate jeweils eines Herstellers nur exklusiv anbieten dürfen, wandert der Kunde von Geschäft zu Geschäft, um sich mit den »Vorzügen« jeweils eines einzigen Modells zu beschäftigen. »Der Vergleich, Grundlage jeder Kaufentscheidung, fällt daher schwer«, schrieb die Kommission. Auch das Anschwärzen der Konkurrenz ist keine Ausnahme. »Solcherlei kundenunfreundliches Verwirrspiel mag in Ballungsräumen noch angehen, doch je weiter man sich von diesen entfernt, desto schwerer fällt es dem Kunden, mehrere Modelle einer Wagenklasse zu prüfen.«

EU-Ziel: Leichter Autokauf

Die so genannte Gruppenfreistellungs-Verordnung, welche die bisherige Regelung möglich macht, ist daher »ein Auslaufmodell«. Stichdatum ist der 30. September dieses Jahres. »Erst dann wird den Behinderungen des grenzüberschreitenden Autoverkaufes ein Riegel vorgeschoben sein.« Die Kommission erinnerte daran, dass sie noch im September 2.000 Opel-Niederlande in diesem Zusammenhang mit einer 43-Millionen-Euro-Strafe belegt hatte. »Im Mai 2001 folgte Volkswagen mit 30,96 Millionen Euro und DaimlerChrysler im Oktober mit 71,8 Millionen Euro.«

Mehr Wettbewerb, besserer Vergleich

Die neuen Wettbewerbsregeln sollen jedem Händler erlauben, mehrere Fahrzeugmarken zu führen. »Er bietet von technischen Informationen über Probefahrt bis zur Werkabholung allen Service; er muss aber keine Ersatzteile mehr führen oder Reparaturen vornehmen, kurz: Kundenfreundliches Verhalten soll sich (wieder) lohnen«, begründete die EU-Kommission ihre Pläne. Hersteller dürften zudem auch in Zukunft exklusive Verkaufsnetze betreiben. Doch sie müssen sich für ein Vertriebsmodell entscheiden. »Jeder Händler kann sich aber dort niederlassen, wo er es für opportun hält, auch direkt neben der Konkurrenz. Ob sich konzerneigene Verkaufsnetze dann lohnen, entscheidet der Automarkt«, erklärte die Kommission.

Niedrigere Preise erwartet

Erste spürbare Folge eines freieren Wettbewerbs dürften teilweise günstigere Neuwagen sein: »Momentan wird mit Recht moniert, dass sich die Endpreise der Fahrzeuge in den Staaten der EU um bis zu 30 Prozent unterscheiden«, sagt Rainer Hillgärtner, Sprecher des Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart. Ändern könnte sich das unter anderem durch die so genannte Niederlassungsklausel, sagt Professor Willi Dietz vom Institut für Automobilwirtschaft (IFA) der Fachhochschule Nürtingen (Baden-Württemberg). Die Klausel ermöglicht es den Händlern, auch in anderen Ländern Fahrzeuge zu verkaufen: »So könnte ein Händler, der zum Beispiel in Dänemark Autos zu den dort günstigeren Preisen verkauft, eine Filiale in Deutschland eröffnen.«

Ende der Exklusivhändler

Ein Vorteil für Verbraucher beim Neuwagenkauf dürfte laut Dietz der Plan sein, Händlern die Möglichkeit zu geben, mehrere Marken anzubieten. »Kleinere Marken hatten bisher oft Schwierigkeiten, gerade in Ballungsräumen Exklusivhändler zu finden«, sagt Rainer Hillgärtner. In Zukunft kann der einzelne Händler demnach sein Angebot an Marken so mischen, dass er nicht exklusiv auf die Verkäufe eines Herstellers angewiesen ist. Der Käufer wiederum muss nicht durch die ganze Stadt fahren, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Keine Änderung bei großen Marken

Bei den großen Marken ist ein solches Mischangebot allerdings kaum zu erwarten. »Für VW macht es wenig Sinn, bei einem Händler sowohl den VW Sharan als auch den nahezu baugleichen, aber günstigeren Seat Alhambra anzubieten«, sagt Dietz. Schließlich setzen viele Marken gerade auf ihr Image und wollen weiterhin Einfluss auf die Vertriebswege ihrer Produkte nehmen. Laut Rainer Hillgärtner wird es daher wohl auch den »Audi von Aldi« auf absehbare Zeit nicht geben.

Nachteile auf dem Land

Außerhalb der Großstädte könnte der verstärkte Wettbewerb unter den Autohändlern sogar zu Nachteilen für die Autobesitzer führen: »In einigen Jahren wird es wesentlich größere Händlerbetriebe geben, die sich allerdings auf die Ballungsräume konzentrieren«, sagt Professor Dietz voraus. Auf dem Lande dagegen dürfte sich die Zahl der Händler ebenso wie die der Werkstätten dann deutlich reduzieren.

Koppelung Händler/Werkstatt fällt

Montis Vorschläge sehen außerdem vor, dass Händler Autos verkaufen dürfen, ohne eine Werkstatt zu betreiben, wie es in den USA üblich ist. Der Händler muss nur nachweisen, mit einem Reparaturbetrieb zusammenzuarbeiten. ACE-Sprecher Hillgärtner bezweifelt aber, dass dieser Plan in Deutschland zum Erfolgsmodell werden könnte: »Die Konsumenten sind so gestrickt, dass sie einen Rundumservice wollen.«

Niedrigere Werkstattkosten möglich

Gerade die Betreiber freier Werkstätten sehen in diesem Plan aber eine Chance für niedrigere Reparaturpreise. Denn die Vorschlagliste sieht vor, dass die Hersteller den freien Werkstätten künftig alle technischen Informationen zur Verfügung stellen müssen. In Verbindung mit dem Internet bieten sich so gänzlich neue Möglichkeiten, sagt Harald Weis von der Vereinigung freier Kfz-Meister Werkstätten (VKW) in Albersweiler (Rheinland-Pfalz): »In den USA hat jede noch so abgelegene Werkstatt einen Internetanschluss und kommt so schnell und ohne große Kosten an die Diagnose-Informationen.«

Neue Stecker braucht das Land

Nötig ist dazu eine einheitliche Steckverbindung, um die Autoelektronik und das Internet zu verbinden, sagt Weis. In Europa gibt es zwar derzeit noch diverse unterschiedliche Steckersysteme. Das aber wird sich wohl bald ändern. Der Experte sieht dadurch Vorteile für die Kunden: »Es müssen keine teuren Diagnosegeräte beschafft werden, deren Preise sich dann auf die Rechnungen niederschlagen. Die Kosten beschränken sich auf den Zugang zu den Daten im Internet. Außerdem erhöht sich so das Tempo der Arbeit - und weniger Zeit bedeutet weniger Geld.«

Vorteile für freie Werkstätten

Wegen der fehlenden technischen Informationen konnten laut Weis die freien Werkstätten bislang etwa komplizierte Motorsteuergeräte gar nicht einkaufen. Autobesitzer mussten also zur Reparatur in die Vertragswerkstatt. Auch damit soll nach dem Willen der EU-Kommission Schluss sein. 'Original-Ersatzteile' sollen nicht mehr nur Vertragshändlern zur Verfügung stehen. »Eine wesentliche Änderung betrifft gerade den Begriff 'Original-Ersatzteile'«, so Dietz. Dieser wird künftig nicht nur gelten, wenn das Logo des Herstellers darauf steht, sondern für alle Teile, die bei dem jeweiligen Zulieferer nach den identischen Methoden vom gleichen Band laufen. »Auch das ist ein Vorteil für die freien Werkstätten«, sagt Professor Dietz.