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Preiserhöhungen im Herbst Warum die Gaspreise wieder explodieren

Ab Herbst erhöhen viele Gasversorger wieder kräftig ihre Preise. Hier lesen Sie, welche Anbieter zulangen und wie Sie sich dagegen wehren können.
Von Sönke Wiese

Keine zwei Wochen ist es her, dass eine Studie zu den Strompreisen viele Verbraucher in Rage brachte: Rund eine Milliarde Euro zu viel knöpfen offenbar die Energieunternehmen ihren Kunden in diesem Jahr ab. Die Untersuchung im Auftrag der Grünen ergab: Während die Preise an der Leipziger Strombörse um 30 bis 40 Prozent fielen, stiegen sie für die Endverbraucher im gleichen Zeitraum um rund sieben Prozent. Die Preispolitik der Konzerne wird nun ein Fall für den Verbraucherausschuss des Bundestags.

Kaum hat sich die Aufregung um die überhöhten Strompreise gelegt, da kommt schon die nächste Hiobsbotschaft: Bald werden auch reihenweise Gasversorger ihre Preise kräftig anheben - natürlich pünktlich zum Beginn der nächsten Heizperiode.

Preiserhöhungen um 15 Prozent

"Bereits über 30 Unternehmen haben bei uns Preissteigerungen ab September oder Oktober angekündigt", sagt Deliana Toschmakov vom Vergleichsportal Toptarif. Und das ist offenbar erst der Auftakt: "Wir erwarten, dass in den kommenden Wochen viele weitere nachziehen werden." Die Verteuerungswelle wird Millionen Haushalte treffen.

Die Preiserhöhungen fallen saftig aus: Bei der Berliner Gasag, einem der größten Versorger Deutschlands, werden die Kilowattstunden um 13,8 Prozent teurer. Bei den Stadtwerken Schwabach (Bayern) und Neustadt an der Aisch (Bayern) werden sogar 15,4 bzw. 14,8 Prozent mehr ab September fällig. Beispielsweise ein Vier-Personen-Haushalt muss so pro Jahr Mehrkosten von knapp 200 Euro berappen (hier finden Sie eine Übersicht mit allen Versorgern und Preissteigerungen).

Die alte Masche mit dem Ölpreis

Die Preiserhöhungen kommen fast jedes Jahr so sicher wie die fallenden Temperaturen im Herbst: Kaum drehen die Menschen ihre Heizungen wieder auf, setzt sich offenbar auch die Preisspirale nach oben in Gang. Doch die Versorger geben sich stets unschuldig: Sie hätten schlicht höhere Beschaffungskosten, sagen sie.

Ihre traditionelle Argumentation lautet: Schuld sei der steigende Weltmarktpreis für Rohöl, an den der Gaspreis gekoppelt sei. Tatsächlich gibt es noch solche brancheninternen Lieferverträge, doch gesetzlich vorgeschrieben ist die Bindung nicht. Im Gegenteil: Das Bundeskartellamt nannte diesen Mechanismus schon vor fünf Jahren "nicht mehr zeitgemäß". Im März 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass Kundenverträge mit vollständiger Bindung an den Heizölpreis unzulässig seien.

So einfach ist der Wechsel

Online lassen sich bequem alle örtlichen Tarife vergleichen, mit wenigen Klicks kann man einen neuen Vertrag abschließen. Allerdings sollte man einige Tipps beachten.

Wer im Herbst einen günstigeren Tarif haben will, sollte sich jetzt darum kümmern: Der Wechsel dauert bis zu sechs Wochen. Hier geht’s zum Strom- und hier zumGasanbietervergleich von stern.de. Übrigens, bei Preiserhöhungen besteht in jedem Fall ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht – unabhängig von der Vertragslaufzeit.

Außerdem deckte im vergangenen Jahr eine Studie auf: Deutschlands Gasversorger setzen zwar mit Vorliebe die Ölpreiserhöhungen um - nicht aber in vollem Umfang die Rückgänge. Claudia Kemfert, Energie-Expertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt, dass es Gas derzeit im Überschuss gebe und dementsprechend die Preise an den Börsen in der Vergangenheit deutlich gefallen seien. "Verbraucher zahlen zu viel für Gas, weil Versorger den Preis künstlich erhöhen, indem sie ihn an knapper werdendes Öl koppeln", sagte Kemfert der "Bild"-Zeitung. Deliana Toschmakov von Toptarif kritisiert: "Die Preisgestaltung der Anbieter ist intransparent. Sie legen nicht offen, welche Rolle konkret der Ölpreis spielt."

So hat die Leier mit der Preisbindung wohl vor allem einen Zweck: Sie legt nahe, dass hinter den Verteuerungen quasi ein Automatismus steht, gegen den die Branche nichts tun könne. Das ist falsch und lenkt nur vom Knackpunkt ab: dem mangelnden Wettbewerb im Gasmarkt. Vielerorts fehlen immer noch genügend potente Konkurrenten zu den Grundversorgern. Einerseits haben manche ehemalige Monopolisten in der Vergangenheit immer wieder neuen Anbietern den Markteintritt erschwert. Andererseits sind aber auch besonders dünn besiedelte Landstriche noch nicht so attraktiv für kleine Energieunternehmen.

Die Trägheit der Verbraucher rächt sich

Auch die Verbraucher trifft eine Mitschuld, dass die verkrusteten Strukturen nicht schneller aufgebrochen werden. "Beim Gas herrscht eine viel geringere Wechselbereitschaft als etwa beim Strom", hat Toschmakov festgestellt. Das bestätigen die Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft für 2009: 74 Prozent der Erdgas-Kunden blieben bei ihrem alten Versorger und Tarif. Im Strommarkt dagegen herrscht viel mehr Dynamik: Hier beließen es nur 39 Prozent beim bestehenden Tarif.

Die Folge: Die Gasanbieter können sich die massiven Preiserhöhungen überall im Land auch deswegen leisten, weil sie keine großen Kunden-Abwanderungen zu günstigeren Konkurrenten befürchten müssen. So rächt sich die Trägheit der Verbraucher.

Dabei ist das Einsparpotenzial bei einem Wechsel enorm. Beispiel Berlin, wo der Platzhirsch Gasag gerade die heftige Preiserhöhung angekündigt hat: Eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahlt nach Berechnungen von Toptarif beim günstigsten Anbieter ("gas.de") über 480 Euro weniger als im Standardtarif der Gasag. Sogar 716 Euro beträgt die Ersparnis im Jahr, wenn die Familie einen Tarif mit Vorkasse ("TelDaFax") wählt. Selbst beim derzeit günstigsten Biogas-Anbieter ("Sauber Energie") lassen sich noch über 350 Euro sparen.

Toschmakov: "Mit der neuen Verteuerungswelle werden sich die Einsparpotenziale weiter vergrößern." Das könnte immerhin eine gute Seite der Preiserhöhungen sein: Womöglich rütteln sie diesmal mehr Verbraucher wach und entfachen ein wenig mehr Wettbewerb.

Übersicht: Alle Preiserhöhungen der Gasversorger

Immer mehr Gasversorger kündigen Preiserhöhungen für den Herbst an. Welcher Anbieter um wieviel teurer wird, zeigt unsere Übersicht.

BundeslandGrundversorgerTarifDatumProzent

Bayern

Stadtwerke Schwabach GmbH

Grundversorgungs- tarif 2/ Basis M

1.9.2010

15,4%

Bayern

Stadtwerke Neustadt a.d. Aisch GmbH

ERDGAS Grundversorgung M

1.9.2010

14,8%

Berlin

GASAG Berliner Gaswerke AG

Gasag Komfort

1.10.2010

13,8%

Sachsen-Anhalt

Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH

Grund- und Ersatzversorgung

1.9.2010

13,7%

Sachsen-Anhalt

Stadtwerke Merseburg GmbH

Grund- und Ersatzversorgung

1.9.2010

12,4%

Baden-Württemberg

Stadtwerke St. Georgen

Vollversorgung I

1.10.2010

11,5%

Nordrhein-Westfalen

ENNI Energie Wasser Niederrhein GmbH

Haushaltstarif II

1.9.2010

11,0%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Coesfeld GmbH

CosiGas perfekt

1.9.2010

10,9%

Niedersachsen

Stadtwerke Peine GmbH

gasBASIS

1.9.2010

10,7%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Bad Salzuflen GmbH

BS universal 3

1.9.2010

10,3%

Brandenburg

EMB Energie Mark Brandenburg GmbH

EMB Basis 2

1.9.2010

9,2%

Baden-Württemberg

Albstadtwerke GmbH

Grundpreistarif 1

1.10.2010

9,1%

Rheinland-Pfalz

Stadtwerke GmbH Kirchheimbolanden

Grundpreistarif

1.9.2010

8,9%

Baden-Württemberg

Stadtwerke Karlsruhe GmbH

Tarif 2

1.10.2010

8,8%

Nordrhein-Westfalen

Energieversorgung Oberhausen AG

Grund -und Ersatzversorgung

1.9.2010

8,5%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Lippstadt GmbH (Ortsteil Eikeloh/ Stadt Erwitte)

Vollversorgungstarif

1.9.2010

8,5%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Solingen GmbH

Grundpreis-Tarif

1.9.2010

8,3%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Lippstadt GmbH

Vollversorgungstarif

1.9.2010

8,3%

Sachsen-Anhalt

Gasversorgung Dessau GmbH

Erdgas Basis

1.10.2010

7,9%

Brandenburg

Stadtwerke Belzig GmbH

Grund- und Ersatzversorgung

1.10.2010

7,9%

Niedersachsen

Stadtwerke Soltau GmbH

Grundpreistarif II

1.9.2010

7,7%

Baden-Württemberg

Stadtwerke Mosbach GmbH

Grundversorgungs- tarif

1.10.2010

7,0%

Bayern

EFG Erdgas Forchheim GmbH

Grundversorung Stufe 2

1.9.2010

6,9%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Emsdetten GmbH

Grundpreistarif H2

1.9.2010

6,1%

Thüringen

EW Eichsfeldgas GmbH

ew. Vollversorgungstarif

1.9.2010

5,8%

Thüringen

Stadtwerke Eisenberg GmbH

Grund- und Ersatzversorgung

1.9.2010

5,5%

Brandenburg

Stadtwerke Ludwigsfelde GmbH

Heizgas und Kleingewerbe

1.9.2010

4,6%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Greven GmbH

greven:standard GV 2

1.9.2010

4,6%

Nordrhein-Westfalen

wbm Wirtschaftsbetriebe Meerbusch GmbH

Vollversorgungs- preis

1.9.2010

4,3%

Rheinland-Pfalz

Energie- und Wasserversorgungs GmbH (Alzey)

Heizgastarif

1.9.2010

3,6%

Baden-Württemberg

Stadtwerke Bad Wildbad GmbH & Co. KG

Grundversorgung

1.10.2010

3,2%

Nordrhein-Westfalen

Stadtwerke Langenfeld GmbH

Grundpreistarif II

1.9.2010

2,0%

Quelle: Toptarif

Gasvergleich: Hier geht es zur Übersicht.

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