Arbeitsmarktreform Hotel Mama bleibt attraktiv

Arbeitslose unter 25 Jahren haben ab dem 1. April keinen Regel-Anspruch mehr auf eine eigene Wohnung. Mehr Grund zur Freude haben Arbeitslose in Ostdeutschland: Ihre Bezüge werden endlich auf West-Neveau gehoben.

Die rund 2,3 Millionen Langzeitarbeitslosen in Ostdeutschland erhalten vom 1. Juli an gleich viel Geld wie im Westen. Das Arbeitslosengeld II (ALG II) Ost steigt dann um 14 Euro auf das Westniveau von 345 Euro. Arbeitslose unter 25 Jahren haben allerdings vom 1. April an keinen Regel-Anspruch mehr auf eine eigene Wohnung. Jugendliche ohne Ausbildung, die im elterlichen Haushalt wohnen, erhalten als Arbeitslosengeld künftig statt 345 nur noch 276 Euro, also 80 Prozent. Diese Neuregelungen beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen von Union und SPD. Die Linkspartei lehnte das Gesetzespaket ab, da sie die Einschnitte für jugendliche Langzeitarbeitslose nicht mittragen wollte. Auch die Grünen stimmten dagegen. Die FDP enthielt sich.

Politik auf dem "Rücken der Ärmsten"

Die sozialpolitische Sprecherin der Linkspartei, Katja Kipping, warf der Regierung eine verfehlte Politik "auf dem Rücken der Ärmsten" vor. Die Arbeitslosen im Osten seien "14 Monate lang um 14 Euro geprellt" worden. Mit ihrem Antrag, die Ost-West-Angleichung des ALG II rückwirkend zum 1. Januar 2005 vorzunehmen, scheiterte die Linkspartei. Alle anderen Fraktionen lehnten dies ab.

In der Debatte verteidigten Union und SPD die Reform der Regelungen für Langzeitarbeitslose. Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, sagte, mit der Angleichung des ALG II habe die Koalition dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung getragen.

230 Millionen Mehrkosten

Die Angleichung beim ALG II führt 2007, dem ersten Jahr mit voller Wirkung, voraussichtlich zu Mehrkosten von 230 Millionen Euro. Die Ost-West-Angleichung war vom Hartz-IV-Ombudsrat angeregt worden und sollte ursprünglich rascher kommen. Software-Probleme bei der Bundesagentur für Arbeit verhinderten dies. Die beschlossenen Restriktionen für junge Erwachsene sollen Einsparungen von rund 500 Millionen Euro bringen.

Brandner sagte zu den Einschränkungen für junge Erwachsene, es könne nicht Aufgabe des Staates sein, ein "Auszugsprogramm für Jugendliche" zu organisieren. Er verwies auf die stark gestiegene Zahl der Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften. Brandner nahm die Betroffenen aber gegen Vorwürfe in Schutz, sie hätten die gesetzlichen Regelungen missbraucht. Es seien weder "Zwangsfamilie noch Zwangsräumung" angesagt.

Kürzungen für Junge verteidigt

Eine Stichtagsregelung in dem Gesetz verhindert, dass junge Leute, die bereits eine eigene Wohnung haben, zu den Eltern zurück müssen. Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres (SPD) sprach von Vertrauensschutz. Vom 1. April an müssen Auszugswillige aber eine behördliche Genehmigung einholen, wenn sie einen eigenen Hausstand, eine so genannte Bedarfsgemeinschaft, auf Kosten des Steuerzahlers gründen wollen. Als Gründe für einen Auszug werden auch schwierige Familienverhältnisse anerkannt.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat die geplanten Einschnitte für junge Arbeitslose verteidigt. "Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsverwaltung ein Auszugsprogramm für junge Arbeitslose zu organisieren", sagte Heil der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag). Ziel der Reform am Arbeitsmarkt sei es gewesen, die Vermittlung von Erwerbslosen zu verbessern. "Dass nun junge Leute, auch aus wohlhabenden Elternhäusern, Zuhause ausziehen, weil sie sich mit den Unterkunftskosten finanziell besser stellen und der Steuerzahler dafür zahlt", sei eine Fehlentwicklung, die korrigiert werden müsse, betonte Heil.

Der Arbeitsmarkt-Experte der FDP, Dirk Niebel, warf der großen Koalition vor, sie setze rot-grünes "Flickwerk" fort. Der Grünen- Sozialpolitiker Markus Kurth sagte, es habe keine Kostenexplosion durch die Hartz-IV-Regelungen gegeben. Jugendliche Arbeitslose würden nach wie vor unzureichend gefördert.

mit DPA

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