Wer nach Menschen sucht, für die 20-Euro-Flüge ganz normal geworden sind, der findet sie in Terminal 1 des Köln-Bonner Flughafens. Der Student Raphael Fahlbusch (27) und seine Freundin stehen mit schweren Rucksäcken am Check In-Schalter von Germanwings, es wird ein Kurztrip nach Marseille, Hin und zurück für 70 Euro pro Person. "Dutzende Male" haben sie das schon gemacht: Einen Flug buchen und einfach für ein paar Tage abhauen, Rom, Berlin, Nizza und jetzt wieder Südfrankreich. Die beiden Studenten stehen stellvertretend für all jene, die durch die Billigflieger zu Vielfliegern wurden - ein bisschen Jet-Set-Life für alle. Doch der Traum könnte bald vorbei sein. Draußen startet gerade einer der letzten Flüge nach New York.
Weil sich die Kerosinpreise innerhalb eines Jahres zeitweise verdoppelt haben, stellt Continental Airlines die Verbindung ab dem 3. September ein, Köln verliert damit seine einzige Strecke über den Atlantik. Rund 35.000 Liter Kerosin verbrennt so eine Boeing 757-200 auf ihrem Weg nach New York. Bei Kerosinpreisen von zeitweise 1,15 US-Dollar pro Liter hat das Konsequenzen für die Fluggäste. So erhebt die Lufthansa für ihre Langstreckenflüge einen Kerosinzuschlag von 92 Euro pro Strecke, British Airways verlangt gar 142,50 Euro. Den Trend bemerken auch die Kunden der Billigflieger. "Ich mach mir Sorgen, dass wir uns das bald nicht mehr leisten können", sagt Raphael.
Die Ticketpreise werden steigen
Ein paar Hundert Meter vom Terminal entfernt sitzt Michael Knitter, Chefpilot von Germanwings, in der Zentrale seiner Firma. Das Gebäude am Flughafen sieht ziemlich provisorisch aus. "Für Sie ziehen wir sogar in den Container" verkündet ein großes Plakat. Der Kunde soll ruhig wissen, wie spartanisch man arbeitet, um günstige Flüge anbieten zu können, so die Werbebotschaft. Doch so vermeintlich günstig, wie bisher wird man nicht bleiben können - Container hin oder her. "Der aktuelle Ölpreis muss Auswirkungen auf den Flugpreis haben ", sagt Knitter. "Natürlich tut es weh, dass sich die Kerosinpreise so entwickelt haben." Flüge für knapp 20 Euro pro Strecke soll es zwar weiter geben - das gehört zum Marketing-Konzept jeder Billigfluglinie. Doch im Schnitt werden die Ticketpreise steigen. So soll zumindest ein Teil der geschätzten 40 Millionen Euro Mehrkosten gedeckt werden, die Germanwings in diesem Jahr durch die gestiegenen Energieausgaben entstehen. Doch die Billigflieger strecken in einer Bredouille: Würde die Airline die gestiegenen Spritkosten eins zu eins an ihre Kunden weiterreichen - viele preisbewusste Fluggäste würden wohl in Scharen ausbleiben. Bei Germanwings versucht man also weniger Kerosin zu verbrauchen, auch Konkurrenten wie Ryanair, Tuifly oder Easyjet machen das, ein Wettkampf im Spritsparen hat begonnen.
Sparen will man vor allem beim Gewicht, denn jedes Gramm weniger senkt den Kerosinverbrauch. Vor ein paar Wochen stellte man bei Germanwings deshalb alle nicht fest verankerten Gegenstände eines Airbus-Jets auf den Prüfstand - Feuerlöscher, Zeitschriften, Kaffeekannen. Aus dem Inventar strich man etwa die beiden Aschenbecher im Cockpit - Rauchen ist hier ohnehin verboten. 400 Gramm wiegen die beiden Teile. "Aber Kleinvieh macht auch Mist" meint Pilot Knitter und rechnet vor: Bei rund 67.000 Flügen pro Jahr und einer Gewichtsreduktion von 400 Gram je Flieger spare Germanwings rund 25.000 Liter Tonnen Kerosin pro Jahr.
Die Flotte fliegt jetzt langsamer
Sparen will auch Kai Wessolek. Er leitet die Einsatzzentrale von Germanwings, sie ist so etwas wie das Herz jeder Fluggesellschaft. Von hier aus werden alle Flüge geplant und überwacht. Computer registrieren jede Bewegung der 29 Flugzeuge der Flotte. Wessolek und seine Kollegen machen vor allem eines: Rechnen. Ein Resultat: Der Einsatzleiter lässt die Piloten seit ein paar Wochen langsamer fliegen. Die Flüge dauern dadurch durchschnittlich 90 Sekunden länger - aber die Airline spart Sprit. Wessolek deutet auf eine große Landkarte, sie zeigt die Luftstraßen in Europa, für den Laien ein unübersichtliches Wirrwarr. "Wir könnten noch viel mehr sparen", hadert Wessolek, "wenn es endlich einen einheitlichen Luftraum geben würde". Im Moment gäbe es viel zu wenig Zusammenarbeit zwischen den europäischen Flugsicherungen, die Strecken seien alles andere als optimal. "Wir fliegen oft im Zick-Zack durch Europa. Das verbraucht viel Sprit", sagt Wessolek.
Doch selbst wenn die Flugwege optimiert werden: Ob die Billigflieger bei den hohen Kerosinpreisen überleben können, das ist so unsicher wie die weitere Entwicklung des Ölpreises. "Einige werden das nicht durchstehen", meint Karsten Leibold, Professor für Luftverkehrsmanagement an der Fachhochschule Bad Godesberg. "Die Airlines waren in den letzten Jahren vom Erfolg verwöhnt, viele junge Manager kennen nur die Wachstumsphase." Jetzt zeige sich, welche Billig-Fluglinien das Geschick hätten, auch mit einer Krise umzugehen. Hansjochen Ehmer, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sieht sogar Chancen für die Billigflieger. "Egal wie sehr die Preise steigen, es wird meistens einen Preisunterschied zwischen Linienfliegern und Low-Cost-Airlines geben", sagt. Einige Kunden von Linienfliegern würden jetzt zu den Billigfliegern wechseln. Das passe zur Taktik vieler Billig-Airlines, verstärkt auf Geschäftsflieger und Städteverbindungen zu setzen.
Auch beim Toilettenwasser wird gerechnet
Eine weitere Taktik, sagen Kritiker, sind neue Zusatzgebühren. So führte Germanwings im Mai eine Gebühr für aufgegebenes Gepäck ein. Für die Kölner Fluglinie ist auch das eine Maßnahme, um Gewicht zu sparen. Die Kunden sollten animiert werden, weniger mitzunehmen. Doch auf manchen Strecken führen die Gebühren bereits dazu, dass die Billigflieger teurer sind, als die Linienkonkurrenz.
Weniger kritisch dürften andere Sparmaßnahmen aufgenommen werden: So haben viele Airlines die Anzahl der Flugzeugwäschen erhöht, das senkt den Luftwiderstand. Und auch bei dem Wasser für die Toilettenspülung schaut man jetzt genauer hin. Für jeden Flug berechnet Germanwings, wie oft die Spülung gedrückt wird und wie viele Passagiere sich danach die Hände waschen. Auch das gehört zum Alltag bei den Fluglinien. "Wir kehren jetzt wirklich die letzten Ecken aus", sagt Chefpilot Knitter.