Lebensmittelpreise Warum Italien nächste Woche in den "Pasta-Streik" tritt

  • von Madeleine Speed, Silvia Sciorilli Borrelli, Laura Onita und Eri Sugiura
Nudeln sind überall sehr teuer geworden 
Nudeln sind überall sehr teuer geworden 
© Alexlukin/Panthermedia
Pasta-Hersteller wie Barilla erhöhen ihre Preise weit über die allgemeine Inflation hinaus. In Italien rufen Verbraucherschützer deshalb einen "Pasta-Streik" aus. Was steckt hinter den hohen Preisen für die Nudeln?

Die europäischen Nudelhersteller sollen ihre Preise senken. Das fordern Verbrauchergruppen und Politiker aus Italien und Frankreich. In Italien haben Verbraucherschützer sogar zu einem Pasta-Streik aufgerufen, während die französische Regierung den Herstellern mit Sanktionen droht, falls die Preise nicht sinken sollten.

Der Anstieg der Nudelpreise übertrifft die allgemeine Inflation in vielen Ländern deutlich und hat sich trotz eines starken Rückgangs der Weizenkosten fortgesetzt. Die Hersteller, zu denen beispielsweise Barilla, De Cecco und La Molisana in Italien und Panzani in Frankreich gehören, behaupten, dass sie ihre Nudeln zu fairen Preisen anbieten. Die jüngsten Preiserhöhungen würden die höheren Inputkosten nach Russlands Einmarsch in der Ukraine widerspiegeln.

Dennoch werden sie der Profitgier und der "Gierflation" beschuldigt. "Die Realität sieht ganz anders aus als die Darstellung der Hersteller", schreibt die italienische Verbrauchergruppe Codacons. "Die monatlichen Preiserhöhungen im Vergleich zum Vorjahr sind doppelt so hoch wie die aktuelle Inflationsrate."

Obwohl die allgemeine Inflation in den letzten Monaten nachgelassen hat, ist der Preis für ein Kilogramm Pasta in Italien im Mai um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Im April waren es 15,7 Prozent und im März 17,5 Prozent, wie aus den offiziellen Statistiken hervorgeht. Nach Angaben der Internationalen Pasta-Organisation sind die Italiener die größten Pasta-Abnehmer der Welt und verbrauchen pro Person etwa 23 kg pro Jahr. "Für italienische Familien bedeutet das also eine ziemlich existenzielle Krise", sagte Clive Black, Analyst bei Shore Capital.

In anderen europäischen Ländern ist das Bild ähnlich. In Großbritannien lag die Preissteigerung für Teigwaren im April bei 27,6 Prozent, in Deutschland bei 21,8 Prozent und in Frankreich bei 21,4 Prozent.

Weizen kommt vor allem aus Kanada

Die in Europa konsumierten Nudeln werden hauptsächlich aus kanadischem Hartweizen hergestellt, der vor allem nach Italien importiert wird, dem weltweit größten Produzenten. Die extreme Hitze und Dürre in Kanada im Jahr 2021 führte zu einem starken Rückgang der Weizenerträge, wodurch der Preis in die Höhe schnellte. Seit Dezember befindet sich der Weizenpreis allerdings auf einem anhaltenden Sinkflug, erst nach der Sprengung des ukrainischen Kachowka-Damms im Juni zog er leicht wieder an. Gegenüber seinem Höchststand liegt der Preis für kanadischen Hartweizen zwar mehr als 40 Prozent niedriger, aber immer noch 18,8 Prozent höher als im Juni 2021, also vor dem Preisanstieg.

Lebensmittelpreise: Warum Italien nächste Woche in den "Pasta-Streik" tritt

Nudelhersteller, denen vorgeworfen wird, die Inflation als Vorwand für Preiserhöhungen zu nutzen, weisen darauf hin, dass Weizen nur einer von vielen schwankenden Kosten auf dem Weg ihrer Produkte vom Feld auf den Teller ist.

Luigi Cristiano Laurenza, Generalsekretär des Branchenverbands Unione Italian Food Pasta, erklärte, dass die Branche nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine immer noch mit höheren Energie-, Logistik- und Verpackungskosten zu kämpfen habe und dass es einige Zeit dauern werde, bis sich die sinkenden Weizenpreise auf die Käufer auswirken würden.

"Die Auswirkungen der Produktionskosten auf die Produkte sind nie unmittelbar spürbar", sagte er. "Wenn der derzeitige Trend des Kostenrückgangs über einen längeren Zeitraum anhält, könnten wir sogar einen Rückgang der Verbraucherpreise erleben."

Preise fallen langsamer als sie steigen

Ein Faktor für die Verzögerung ist die Zeit, die es dauert, bis der zu höheren Preisen gekaufte Weizen aufgebraucht ist, wobei die aktuellen Preise diese Verträge widerspiegeln.

"Die Preise sind immer noch hoch, weil die Unternehmen immer noch die Weizenvorräte aufbrauchen, die sie zu Höchstpreisen gekauft haben", sagte Giuseppe Ferro, Geschäftsführer von La Molisana, Italiens viertgrößtem Nudelhersteller. "Sobald dies in drei oder vier Monaten vorbei ist, werden die Preise fallen."

Der Lebensmittelökonom David Ortega, außerordentlicher Professor an der Michigan State University, sagte, dass die Lebensmittelpreise angesichts der Vielzahl von Kosten, die über die Grundzutaten hinausgehen, tendenziell stabil blieben. "Sie steigen sehr schnell, wenn es einen Schock gibt, und dann dauert es länger, bis sie wieder sinken", sagte er. "Wir sehen, dass die Preise von Rohstoffen wie Weizen relativ stark fallen. Aber die Löhne steigen weiter, und die Preise einiger Rohmaterialien für Verpackungen und anderes sind immer noch hoch."

Die Diskrepanz zwischen den Kosten für Weizen und dem Preis auf dem Etikett ist der Kern eines Streits, der zwischen Lebensmittelkonzernen, Einzelhändlern und Politikern geführt wird.

Da die Lebensmittelpreise die Energiepreise als Haupttreiber der Inflation in ganz Europa überholt haben, stehen die Hersteller unter besonderem Druck, die Preise zu senken. Konzerne wie Nestlé, Unilever und Pepsico meldeten gute Quartalsergebnisse, auch weil sie die höheren Kosten an die Verbraucher weitergeben konnten.

Pasta-Streik ab Montag

Italiens Industrieminister Adolfo Urso berief im vergangenen Monat eine Krisensitzung von Nudelherstellern, Händlern und Verbänden ein, nachdem Verbraucher wegen des unerwarteten Preisanstiegs eine Preisobergrenze gefordert hatten. Die Beamten beschlossen jedoch nicht einzugreifen, und versicherten der Öffentlichkeit, der Markt werde sich bald wegen der sinkenden Energie- und Rohstoffkosten selbst korrigieren.

Codacons schaltete inzwischen die italienischen Wettbewerbsbehörden ein und forderte sie auf zu untersuchen, ob die Nudelhersteller möglicherweise Absprachen zur Manipulation der Preise getroffen haben. In der Zwischenzeit hat Assoutenti, eine andere Verbrauchergruppe, zu einem einwöchigen "Pasta-Streik" aufgerufen, der nächste Woche beginnen soll. Die Verbraucher sind aufgerufen, keine Nudeln mehr zu kaufen, sondern sie zu Hause selbst herzustellen.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire drohte im vergangenen Monat mit fiskalischen Maßnahmen, um die Gewinne zurückzufordern, falls sich die Branche weigern sollte, die Preisverhandlungen mit dem Einzelhandel wieder aufzunehmen.

In einem Gespräch mit einem französischen Radiosender sagte der Präsident des französischen Supermarktbetreibers Leclerc, Michel-Edouard Leclerc, dass die Preiserhöhungen für Nudeln unerklärlich seien. Den Lebensmittelherstellern warf er mangelnde Transparenz vor: Sie würden sich hinter dem Krieg in der Ukraine verstecken.

Le Maire erklärte in diesem Monat, dass 75 Lebensmittelhersteller zugesagt hätten, die Preise bis Juli zu senken, um den sinkenden Großhandelskosten Rechnung zu tragen.

Gegenreaktion aus eigenen Reihen

In Großbritannien sorgten Pläne der Regierung, auf freiwilliger Basis die Preise für Grundnahrungsmittel in den Supermärkten zu begrenzen, für Gegenwind seitens der Einzelhändler und sogar konservativer Abgeordneter. Die Regierung wies Forderungen nach einer Untersuchung der "Geschäftemacherei" der Supermärkte zurück, die britische Wettbewerbsbehörde kündigte jedoch an, die Preisgestaltung der Supermärkte bei Lebensmitteln genauer unter die Lupe zu nehmen.

Der britische Verband der Lebensmittel- und Getränkeindustrie (Food and Drink Federation) erklärte, seine Mitglieder würden ihre Kosten so weit wie möglich senken und Preiserhöhungen "nur als letzten Ausweg" in Betracht ziehen. De Cecco, Barilla und Panzani, die ihre Teigwaren aus in Frankreich angebautem Weizen herstellen und sich verpflichtet haben, ihre Preise zum 1. Juli zu senken, lehnten eine Stellungnahme ab.

Abgesehen von der jüngsten Einigung in Frankreich gibt es erste Anzeichen für eine Abschwächung in einigen Bereichen des Marktes, beispielsweise bei den billigeren Pasta-Eigenmarken der großen Supermärkte. Doch insgesamt gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Hersteller die Preise senken werden.

Der Druck der Lebensmittelhändler auf die Hersteller werde wahrscheinlich anhalten, glaubt Ortega. "Aber ich glaube nicht, dass er zu großen Aktionen führen wird", sagte er. "Die Preiserhöhungen sind auf einen Anstieg der Kosten entlang der gesamten Lieferkette zurückzuführen.

©2023 The Financial Times Ltd.

Dieser Artikel erschien zunächst auf Capital.de

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