Der ehemalige Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber sitzt zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg ein. Wie dort sein Leben auf neun Quadrametern aussehen wird, beschrieb JVA-Leiterin Zoraida Maldonado de Landauer. Zum Mittagessen bekomme Schreiber am Montag Putengemüsecurry mit Reis, am Abend gebe es "Brot, so viel er will" und Käse. Maldonado de Landauer erklärte, Schreiber werde wie jeder andere Untersuchungshäftling behandelt. Ihn erwarte eine Zelle mit Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Waschbecken und Toilette. Schreiber könne selbst wählen, ob er eine Einzelzelle vorziehe oder sich eine Zelle mit einem anderen Häftling teilen wollen. Zudem könne er sich einen Fernseher mieten. Besuch gibt es auch, allerdings nicht allzu häufig: Pro Monat, so die Gefängnisleiterin, dürfe Schreiber für eine Stunde Gäste empfangen.
Nach einem zehnjährigen juristischen Tauziehen um seine Auslieferung war Schreiber am Montag von Kanada nach Deutschland abgeschoben worden. Der 75-jährige Deutsch-Kanadier landete um 9.22 Uhr in einer Maschine der Air Canada in München - bezeichnenderweise auf dem Flughafen Franz-Josef Strauß, der ein enger Vertrauter des früheren Waffendealers war. Gegen 11.30 Uhr wurde er mit einem Polizeiwagen in die JVA gebracht.
In Augsburg erwartet ihn vor dem Landgericht ein Verfahren wegen Untreue, Bestechung, Betrug und Steuerhinterziehung. Der Haftbefehl gegen ihn soll am Dienstag eröffnet werden. Unklar ist, wann sein Prozess beginnen wird: "Für eine Prognose ist es noch zu früh", sagte eine Sprecher des Gerichts. Es sei ein umfangreiches Verfahren, das Zeit in Anspruch nehme. Allerdings gebe es bei Beschuldigten in Untersuchungshaft ein Beschleunigungsgebot.
In der Erklärung des kanadischen Justizministers hieß es, Schreiber sei aufgrund einer gültigen Ausweisungsverfügung übergeben worden. "Seine Auslieferung an die deutschen Behörden war in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz und entsprach dem Geist und Zweck der Ausweisung", betonte der Minister. Seit 1999 hatte Schreiber sich mit allen juristischen Mitteln gegen seine Ausweisung gewehrt.
Die Regierung in Ottawa hatte Schreiber nach Angaben des kanadischen Fernsehsenders CTV schon am Freitagabend überraschend informiert, dass er sich innerhalb von 48 Stunden in Abschiebehaft einfinden müsse. Dagegen legte er erneut Widerspruch ein, der jedoch am Sonntag vom Berufungsgericht der Provinz Ontario in einer Eilentscheidung zurückgewiesen wurde.
Schreiber kam daraufhin gegen 17 Uhr in Begleitung seiner Ehefrau Bärbel mit einem Taxi zum Abschiebezentrum in Toronto. Zu Journalisten sagte er, seine Ausweisung sei politisch motiviert. Die SPD erhoffe sich dadurch Vorteile für die Bundestagswahl im September. "Die Sozialdemokraten haben mit meinem Fall in der Vergangenheit schon drei Wahlen gewonnen", so Schreiber mit Blick auf die Untersuchungsarbeit zur CDU-Spendenaffäre.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte am Donnerstag bei der kanadischen Regierung auf eine zügige Auslieferung Schreibers gedrängt. In einem Fax an ihren Amtskollegen Robert Nicholson bat sie, einem entsprechenden Ersuchen zuzustimmen, damit das "gegen Schreiber geführte Verfahren endlich fortgeführt werden kann", berichtete der "Spiegel" am Wochenende.

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Kontakte zum Bundesnachrichtendienst
Als Waffenlobbyist begann das "Verkaufsgenie" Schreiber, Aufträge für Hubschrauber, Airbusflugzeuge und Spürpanzer im In- und Ausland zu vermitteln. Er knüpfte Verbindungen zwischen dem Stahlriesen Thyssen und unter anderem der bayerischen Staatskanzlei. Selbst zum Bundesnachrichtendienst in Pullach soll er gute Kontakte gehabt haben. Als Augsburg 1995 ein Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Schreiber eröffnete, kamen auch die Schmiergelder ans Licht.
Die Fahndungen ergaben, dass der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep von Schreiber auf einem Parkplatz in der Schweiz eine Million Mark im Koffer erhalten hatte, die dann in die Parteikasse der CDU flossen. Kiep, zwei Thyssen-Manager und der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls wurden wegen Bestechlichkeit verurteilt. 2000 geriet der damalige CDU-Chef Wolfgang Schäuble unter Verdacht, von Schreiber Geld angenommen zu haben, und gab deshalb schließlich sein Amt auf. Selbst der Politikersohn Max Strauß musste vor Gericht.
Schlacht mit kanadischen Gerichten
Angesichts der Augsburger Ermittlungen wurde Schreiber das Pflaster in Deutschland schnell zu heiß. 1996 setzte er sich zunächst in die Schweiz und - nach Räumung aller Konten - mit seinem kanadischen Pass nach Toronto ab. Dort gründete er eine Imbisskette und schmiedete bereits Pläne für den Einstieg in die lukrative Schulspeisung, als die Regierung in Ottawa beschloss, dem Haftbefehl der Augsburger zu folgen und Schreiber nach Deutschland abzuschieben. Zehn Jahre lang lieferte er sich eine Gerichtsschlacht mit der kanadischen Justiz, bis ihm jetzt endgültig das Aus erklärt wurde.
Zuvor hatte Schreiber noch Kanadas Ex-Premier Brian Mulroney, einen seiner vielen früheren "Geschäftspartner", an den Pranger gestellt. Er beschuldigte Mulroney, schon als Premier in Kanada sehr schlecht angesehen, als Ministerpräsident Schmiergeld für eine Panzerfabrik angenommen zu haben. Die Vorwürfe wurden bei Anhörungen bis in den Juni von einem eigens einberufenen Untersuchungsausschuss geprüft. Kanada zahlt Millionen an Steuergeldern für das Verfahren. Wer recht hat, blieb bisher offen.
In Deutschland könnten jetzt einige Politiker ins Zittern geraten. So erwartet der ehemalige Vorsitzende des seinerzeit eingesetzten Bundestags-Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD), einige neue Details in der CDU-Spendenaffäre. "Schreiber ist einer, der immer etwas in der Rückhand hat", sagte Neumann dem Berliner "Tagesspiegel". Vor allem auf Schäuble werde sich die Debatte zuspitzen.
Die SPD habe nach den Worten ihres Vorsitzenden Franz Müntefering nichts zu verbergen. "Schreiber wird uns nicht verfolgen, eher die CSU", sagte er nach einer SPD-Präsidiumssitzung. Schreibers private Kegelbahn sei Treffpunkt von Unionsgrößen gewesen. Der SPD-Chef: "Wir müssen da gar nichts machen. Stinken tut es woanders. Wir müssen nur sehen, dass die Leute merken, woher der Duft kommt."