Sigmar Gabriel Nichts als Ärger mit den Amtsgeschäften

Schon wieder steht Sigmar Gabriel wegen Dienstflügen in der Kritik: Im Sommer musste er wegen einer Kabinettssitzung seinen Urlaub auf Mallorca unterbrechen und ließ sich nach Berlin und zurückfliegen - das entzürnt die Opposition. Der Umweltminister zieht nun eigene Schlüsse aus den Vorwürfen.

Ist Deutschlands ranghöchster Umweltschützer ein Luftverpester? Gar ein Steuerverschwender? Nicht zum ersten Mal werden derartige Vorwürfe gegen Sigmar Gabriel (SPD) laut. Und nicht zum ersten Mal ist es die "Bild"-Zeitung, die gegen seine Reisegewohnheiten stänkert. Die neueste Kritik: Gabriel weilte im August 2007 im Urlaub auf Mallorca und sei für einen Tag nach Deutschland und zurück geflogen. Allein in einer Maschine der Flugbereitschaft. Die Kosten für den Trip beziffert das Blatt auf rund 50.000 Euro, plus 44,66 Tonnen Kohlendioxid, die der Minister dabei in die Luft geblasen habe.

Gabriel selbst bestreitet Sachlage nicht. Via Pressemitteilung lässt er ausrichten, den Grund für den Kurzausflug in die Heimat habe das Kanzleramt geliefert. "Es hatte mich gebeten, meinen Urlaub zu unterbrechen, um die Beschlussfähigkeit des Kabinetts zu gewährleisten", so Gabriel. Dabei ging es um eine Sitzung am 8. August, die nach Auskunft des Kanzleramts "relativ kurzfristig" angesetzt worden sei.

Wegen neuer Steuergesetze zurück nach Berlin

Bei dem Ministertreffen ging es um den Beschluss nicht eben unwichtiger Dinge wie die Steinkohlesubventionen und das Jahressteuergesetz, in dem fast 50 Änderungen vorgenommen werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt aber hielt sich eine Reihe von Kabinettsmitgliedern im Ausland auf; es fehlte genau eines, um überhaupt Entscheidungen treffen zu können. Sigmar Gabriel sei derjenige gewesen, der am schnellsten nach Berlin kommen konnte, heißt es in seinem Ministerium. Es war bereits das zweite Mal, dass Gabriel seine damaligen Ferien berufsbedingt unterbrechen musste, weshalb ihm "ausdrücklich" angeboten wurde, ihn mit einer Challenger vom Typ 601 der Flugsicherung in die deutsche Hauptstadt zu bringen.

Stichwort Flugbereitschaft

Die dem Verteidigungsministerium unterstellte Luftflotte besteht aus sieben Airbus-Maschinen, sechs Flugzeugen vom Typ Challenger und drei Hubschraubern. Neben Transporten für die Bundeswehr und humanitären Flügen gehören auch die Durchführung des Regierungs- und Staatsflugbetriebes zu den Aufgaben der Flugbereitschaft. Zur Nutzung sind berechtigt: Bundespräsident, Bundestagspräsident, der Präsident des Bundesrates, Bundeskanzler, alle Minister, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen. Kosten für Dienstflüge müssen in einem "angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit des Amtsgeschäfts" stehen.

6400 Flugkilometer sind auf diese Weise zusammengekommen. Die Distanz zwischen Berlin und Mallorca beträgt knapp 1700 Kilometer, aber weil die Flugbereitschaft insgesamt dreimal die Strecke Berlin - Mallorca (Hinflug, Minister abholen, Rückflug von der Insel) und einmal von Hannover nach Mallorca fliegen musste (Gabriel war von der niedersächsischen Landeshauptstadt in den Urlaub zurückgekehrt), war es mit einfachen Hin- und Rückflug nicht getan.

Grob gerechnet war das Flugezeug dabei zehn Stunden unterwegs. Nach offiziellen Angaben des Deutschen Bundestags stößt eine Maschine dieses Typs 3615 Kilogramm CO2 pro Stunde aus. Sprich: Gabriels Flieger hat 36 Tonnen des Treibhausgases in die Luft geblasen und keine 44,66 Tonnen wie die "Bild" schreibt. Und die Flugkosten in Höhe von 50.000 Euro dürften dabei sogar noch zu niedrig angesetzt sein. Zwar heißt es bei der Flugbereitschaft, man könne keine pauschalen Zahlen nennen, aber insgesamt sei eher mit 7500 Euro die Stunde zu rechnen. Die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz hat den Staat also deutlich mehr als 50.000 Euro gekostet.

Der Minister legt Wert auf die Feststellung, dass die Bundesregierung, auf seinen Vorschlag hin, seit Februar 2007 "alle Dienstreisen klimaneutral stellt". Der so verursachte "CO2-Ausstoß wird durch Abgaben an Atmosfair im gleichen Wert ausgeglichen", sagt Ministeriumssprecher Jürgen Maaß. Die Gesellschaft finanziert mit den freiwilligen Klimagas-Abgaben diverse Umweltschutzprojekte. Weil sich alle Bundesministerien an den Zahlungen beteiligen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bereits im September vergangenen Jahres wurden ähnliche Vorwürfe wie jetzt wieder gegen Gabriel laut. Auch damals hatte die "Bild"-Zeitung aus dem halbjährlichen Bericht der Flugbereitschaft zitiert und dem Umweltminister vorgeworfen, er nutze das staatliche "Airline" zu häufig und vor allem zu oft alleine. Die anschließende Debatte über Gabriels Vorbildfunktion als Umweltminister aber schwelte nur kurz weiter. Wie auch nun wieder, werfen dem SPD-Mann vor allem die Grünen vor, sein Reden und Handeln klafften meilenweit auseinander.

"Ich würde es genauso wieder machen"

Der Gescholtene selbst zieht seine eigenen Schlüsse aus der Geschichte. "In einem vergleichbaren Fall würde man es, glaube ich, genauso wieder machen", sagte er dem TV-Sender N-tv. "Ich allerdings habe dem Kanzleramt gesagt: Meinen Urlaub unterbreche ich nicht nochmal, wenn das Ergebnis hinterher ist, dass ich derartig Ärger habe. Dann müssen sie sich wen anders suchen, der sich den Ärger einhandelt."