Wenn man das Canyon Precede:ON AL 7 in einem Wort beschreiben will, dann wäre es "elegant". Nicht nur im Aussehen, es ist das Fahren und der ganze Charakter des Rades. Im Look tritt der E-Antrieb zurück, obwohl er natürlich da ist. Sicher, weil der Akku im Rahmen versteckt ist. Die Dimension des Unterrohrs wird außerdem eingebettet. Auch Bauteile wie die Gabel sind breiter und führen so zu einem harmonischen Gesamteindruck. Der irisierende Ton Champagne und die weitgehend versteckten laufenden Züge führen zu einem sehr aufgeräumten Eindruck.
Die Fahrposition hängt stark von der eigenen und der Größe des Rades ab. Mit 183 Zentimetern Größe, normalen Proportionen wählten wir "M". Das führt zu einem direkten und agileren Fahrerlebnis als das ebenfalls mögliche "L". Hinzu kommt die "kleinere" Laufradgröße von 27,5 Zoll. Die Haltung ist nicht gerade ungewöhnlich. Der Fahrer sitzt in einer leicht vorgestreckten Haltung auf dem Rad. Weit vorn genug, um Druck auf das Vorderrad zu bringen und eine sichere Kontrolle über den Lenker zu haben. Zugleich aber aufrecht genug, um bequem nach vorn schauen zu können.
Gemacht fürs Urbane
Vom Typ her ist das Precede:ON ein klassisches "Commuter"-Rad für den urbanen Bereich. Gedacht ist es für die Fahrt auf gedecktem Boden. Überraschend, wie gut die stufenlose Schaltung von Enviolo, der Carbonriemen und der Bosch-Motor miteinander harmonieren. Hier ist die mühelose Fortbewegung ohne Ketten und Schaltgeräusche oder das Ruckeln eines Gangwechsels frappierend. Wer eine Freude am lautlosen Dahingleiten hat, wird begeistert sein. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass die Kombination von Riemen plus Enviolo-Schaltung einen deutlichen Aufpreis gegenüber einer einfachen Kettenschaltung bedeuten. Neben dem Fahrgefühl ist so ein System weitgehend wartungsfrei. Schaltprobleme etwa beim Gangwechsel im Stehen und ölverschmierte Hosenbeine gehören der Vergangenheit an.
Auch Feldwege sind möglich
Das Precede:ON spart sich jede Federung, auch das trägt zu dem eleganten Äußeren bei. Ausgeglichen wird das durch die Reifen in der Breite von satten 57 Millimeter, aufgezogen mit einem Straßenprofil - Schwalbe G-One Allround - fahren sie fast lautlos. Durch ihr Format dämpfen sie leichte Schläge gut aus. Wie sehr kann man individuell durch den Luftdruck bestimmen. Doch auch mit dicken Pneus wird aus dem Precede:ON kein Mountainbike, auf grobem Kopfsteinpflaster ist die Eleganz des Dahingleitens schnell dahin.
Die gute Kontrolle des Rades und die Traktion der Reifen machen es möglich, auch schwierigere, matschige und steinige Feldwege zu bezwingen – bergauf und bergab. Hier helfen die breiten Reifen enorm, das Rad tanzt nicht zwischen den Lücken von Steinen und Wurzeln. Vom Charakter her ist es für die Stadt gedacht und nimmt eine Landpartie nicht krumm. Doch wer sich größtenteils abseits von gedeckten Wegen bewegt, sollte ein anderes Rad wählen.
Sehr gutes Ausstattungspaket
Der Bosch Performance Line Motor ist nicht so drehmomentstark wie der Bosch CX, aber auch wegen der Schaltung die richtige Wahl. Er hat jedenfalls genug Power und bringt einen auch Steigungen bis etwa knapp über 10 Prozent Steigung hinauf. Für noch höhere Steigungen würde man eine andere Form des Rahmens benötigen und auch einen anderen Motor. Bei aller Eleganz wurde ein stabiler Träger verbaut, der sich am Rahmen und nicht nur an den Schmutzfängern abstützt. Hier passen die üblichen Klicksysteme der Fahrradtaschen, dazu gibt es einen schicken breiten Spanngurt, mit dem man Gepäck auf dem Träger befestigen kann. Bremsen (Magura MT Thirty) und Licht (Supernova Mini2) sind mehr als ausreichend.
Worauf muss man achten?
Das Precede:ON ist ein Designrad. Hier verschwinden die Züge des Lenkers im Kopf eines speziellen Lenkers. Das sieht super aus, heißt aber auch: Das Rad muss "passen". Hier sind spätere Umbauten schwierig, wenn nicht gar unmöglich und sie würden das Rad verunstalten. Es ist also nicht möglich, im Nachhinein, die Haltung zu verändern, indem ein höheren Vorbau oder ein anderer Lenker montiert werden. Anders als bei Kettenschaltungen kann man beim Riemen auch nicht einfach die Übersetzungen ändern. Ein Trick, mit dem man sonst ein Trekkingrad dazu bringen kann, Bergsteigungen zu bezwingen. In den kleineren Größen bis M wird das Rad mit einem 500 Wh-Akku ausgeliefert, bei den größeren Modellen passt der 625 Wh-Akku in den Rahmen. So erklärt sich auch der Preissprung von 200 Euro. Das Rad kann mit ausgebauten, aber auch mit eingebautem Akku geladen werden.
Für wen passt das Rad?
Man sollte sich hauptsächlich im urbanen Raum und nicht auf Feld und Wiesen bewegen, dazu die Kontrolle, Agilität und Sportlichkeit lieben. Vor allem aber sollte man sich in das Aussehen des Rades verlieben können. Welchen Sinn macht so ein durch-gestyltes Rad, wenn man Design nicht zu schätzen weiß? Wer den Look mag, wird von dem mühe- und lautlosen Gleiten, dass das Precede:ON ermöglicht, begeistert sein. Auf Wegen mit Pflaster haben wir die Federung nicht vermisst, auf Geländepfaden muss man mit so einem Rad natürlich konzentrierter fahren, als mit einem vollgefederten Mountainbike – aber es geht.
Es gibt viele Designräder, die auch toll aussehen, aber im Grunde mit aufgebohrter Chinatechnik arbeiten. Das Canyon sieht cool aus und nutzt dabei Komponenten von Top-Herstellern. Und das merkt man, die Leistungsfähigkeit des Boschmotors übersteigt die eines Bafang-Nabenmotors dann doch deutlich, das Gleiche gilt für Bremsen und das ausgezeichnete Licht. Am deutlichsten merkt man den Unterschied bei der stufenlosen Enviolo-Schaltung. Kurzum: Die Technik löst das Versprechen des Designs ein. Mit 3499 Euro für die Größe M ist das Precede:ON gewiss nicht spottbillig, aber hat einen sehr fairen Preis.