Der Markt für E-Bikes wächst unaufhaltsam, entsprechend versuchen immer mehr Firmen, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Auch der französische Autozulieferer Valeo meldet sich zu Wort. Valeo hat einen eigenen Motor entwickelt, der mit zwei Besonderheiten punktet. Zuerst einmal ist er unglaublich stark. Der Motor entwickelt ein Drehmoment von 130 Newtonmetern – das ist das Achtfache dessen, was ein Mensch kontinuierlich auf die Kurbel bringt. Das wirkliche Alleinstellungsmerkmal ist es aber die zweite Innovation: Der Motor hat ein automatisches Getriebe, welches die Fahrradschaltung ersetzt. Es kann also die Übersetzung verändern. Ein statisches Getriebe, dass die Motordrehzahl mit der Pedalumdehung harmonisiert, ist in allen Mittelmotoren eingebaut.
Integrierte Schaltung
Die Aufgabe eines integrierten Getriebes hat bisher nicht einmal der E-Bike-Gigant Bosch gelöst. Im Valeo-Antrieb sitzt neben dem Motor ein automatisches Getriebe, welches direkt an den Pedalen ansetzt. Motorunterstützung und Gangwahl werden automatisch an die Tretkraft angepasst. Technisch dürfte es in Zukunft leicht möglich sein, manuell in die Gangwahl einzugreifen.
Der Vorteil an der Lösung liegt darin, dass das Getriebe perfekt auf den Motor angepasst ist. Vor allem die Kraftentfaltung im Bereich von 130 Nm wirkt bei Schaltfehlern zerstörerisch auf die Fahrradschaltung. Eine Nabenschaltung verträgt diese Kraft meist gar nicht. Durch die Integration in das Gehäuse kann die Schaltung sich weder verstellen noch durch Schmutz lahmgelegt werden. Das System ersetzt gleich mehrere Verschleißkomponenten des Rades. Es reduziert auch die nötige Verkabelung gewaltig. Das System ist lernfähig und soll sich auf den Stil des Radlers einstellen können. Außerdem verfügt es über eine Wegfahrsperre und eine Schiebehilfe.
Kräftig und wartungsarm
Wozu ist dieser Antrieb geeignet? Mit 130 Newtonmetern steigt Valeo ganz oben ein. So erzeugt man mit dem Superlativ auch die erwünschte Aufmerksamkeit. Für ein Fahrradfeeling ist das allerdings etwas zu stark. Solche Kräfte werden nur bei wenigen Mountainbikes und bei Lastenrädern benötigt. Während die anderen Hersteller sich stark an den Bedürfnissen von sportlichen Mountainbikern orientiert haben, deutet der Antrieb von Valeo auf eine andere Positionierung hin. Er entspricht eher einem unproblematischen Zugpferd. Das von Valeo veröffentlichte Video zeigt, dass der Motor relativ groß ist und vermutlich auch entsprechend schwer. Der Schwerpunkt der Valeo-Entwicklung dürften dann auch Lastenräder sein. Oder Karren, die als Leichtfahrzeug und nicht mehr als Fahrrad gelten.
Ein weiterer Markt könnten E-Bikes im Sharing sein. Hier sind die Vermieter an einem Antrieb mit hohen Kraftentfaltung und wartungsfreiem Getriebe interessiert. Chancen sind auch in Märkten ohne große Fahrradtradition zu sehen. Brose, Shimano und Bosch verwenden viel Mühe darauf, dass sich ein E-Bike noch wie ein Muskelfahrrad anfühlt. Doch wer noch nie auf einem Rad gesessen hat, wird eventuell ein Moped-Feeling vorziehen.
Neben den genannten Anwendungen für heutige Pedelecs wäre es auch ein idealer Motor für etwas schwere Fahrzeuge. Gesetzesänderungen erlauben es schon heute, dass ein E-Bike auch einen Passagier transportieren darf. Ein echtes Zwei-Personen-Rad benötigt auch einen kräftigen Antrieb. Der Motor von Valeo soll ein Lastenrad mit einem Gesamtgewicht von 150 Kilogramm mühelos Steigungen von 14 Prozent heraufbringen.
Kompetenztransfer aus der Automobilfertigung
Mit dem Antrieb hat sich Valeo jedenfalls mit Paukenschlag im Markt angemeldet. Kleinere Start-ups sind in der Vergangenheit häufig mit eigenen Antriebssystemen gescheitert. Mit 100.000 Beschäftigten und knapp 20 Milliarden Euro jährlichem Umsatz ist Valeo allerdings eine Größe mit viel Expertise bei Elektromotoren. Damit haben die Franzosen eine ähnliche Ausgangsposition wie Bosch und Brose.
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