Der rechteckige Torbogen in einer Seitenstraße in Shanghais Hafenviertel "The Bund" fällt kaum uns Auge. Wohl aber der Rolls-Royce Ghost, der vor dem unscheinbaren Hinterhof parkt. In diesem unscheinbaren Gebäude präsentiert die britische Edelmarke Rolls-Royce potentiellen chinesischen Kunden das neue Luxus-Coupé Wraith. "Der Wraith ist ein wichtiger Teil für unser langfristiges Wachstum in China", erklärt Rolls-Royce China-Chef Henrik Wilhelmsmeyer. Die Strategie dahinter ist klar. Mit dem nach einem schottischen Geist benannten Luxus-Coupé will Rolls Royce dynamischer und für die wachsende Anzahl jüngerer sehr wohlhabender Chinesen noch attraktiver werden. Deswegen ist der Wraith mit seinen 632 PS und dem - im Vergleich zum Ghost und Phantom - kürzeren Radstand auch mehr zum Selbstfahren gedacht. Was natürlich nicht heißt, dass es im Fond auch nur im Ansatz eng zugeht. Dennoch ist für die Rolls-Royce-Strategen klar, dass China mittelfristig kein Coupé-Markt werden wird.
Die Kunden in China könnten anspruchsvoller nicht sein. Und nicht immer müssen es im Luxussegment Marken wie Rolls-Royce, Bentley, Lamborghini oder Ferrari sein. Bestes Beispiel ist die Industriellenfamilie Cao. Als einer der 200 reichsten Chinesen fährt der fast 70jährige Vater nach wie vor jeden Tag in sein Büro in der chinesischen Metropole Jianjing. Sein Dienstfahrzeug: ein schwarzer BMW 760 Li, der im unübersichtlichen Stadtverkehr der chinesischen Metropolen kaum auffällt. Zwölfzylinder mit langem Radstand gibt es hier in China wie Sand am mehr. VW Phaeton, BMW 760, Mercedes S 600L oder Audi A8 L. "Wer etwas auf sich hält, fährt hier einen Zwölfzylinder", sagt sein Sohn Robert Cao. Der schwarze 760 Li ist ein Geschenk von ihm an seinen Vater. Das Fahrzeug ist von der Individual GmbH, der Edelschneider im Hause BMW, maximal nachgeschneidert worden. "Ich war dafür extra in München und habe Farben und Materialien extra ausgewählt - für meinen Vater", erzählt Robert Cao weiter. Letztlich entstand der teuerste Siebener BMW aller Zeiten. Wert: rund 360.000 Euro.
Diesen Luxus sieht man nur auf den zweiten Blick. Überall gibt es eine golden gemalte "25" für das Firmenjubiläum und der Leitsatz des Vaters steht in goldenen Lettern auf dem Armaturenbrett. All das, was an einem luxuriös ausgestatteten 760er noch im Kunststoff verunglimpft ist, hat der Sohn bei seinem Geschenk nachträglich mit Leder in exklusivem Amaro-Braun beziehen lassen. Kleiderhaken, Becherhalter und jedes noch so kleines Rähmchen von Lüftungsausströmer oder Griffen ist mit handschuhweichem Leder höchster Güte veredelt. "Von meinem Besuch und der Bestellung bei BMW Individual bis zur Auslieferung hier beim Händler in China ist fast ein Jahr vergangen", ergänzt Cao Junior.
Luxus geht bei den deutschen Premiummarken über alles. Die Prämisse ist ein ausgeglichenes Geschäftsmodell. Da sieht sich die britische BMW-Tochter gut aufgestellt: Die USA machten im vergangenen Jahr 30 Prozent des Umsatzes aus, China 28 Prozent, der Mittlere Osten etwa 20 Prozent und England rund zehn Prozent. "Wir sind hochprofitabel. Wir liefern jedes Jahr eine ordentliche Summe nach München", sagt Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös. Es ist die Zeit. Luxus boomt - weltweit. Auch Bentley feierte im vergangenen Jahr Zuwächse. 2012 verkauften die Briten weltweit 8.510 Fahrzeuge (im Vergleich zu 7.003 Fahrzeuge im Jahr 2011), was einem Wachstum von 22 Prozent entspricht. In China waren es 2,253 Einheiten - ein Plus von 23 Prozent.
Um die reichen Käufer auch zu erreichen, baut Roll-Royce ständig sein Händlernetz aus. Waren es vor zwei Jahren noch sieben Händler, sollen es Ende des Jahres bereits 20 sein. Dabei rücken zunehmend auch die Mitte und der Westen des riesigen Landes in den Fokus der Luxus-Hersteller. Das bedeutet aber auch, dass man auf die regionalen Unterschiede des Landes Rücksicht nehmen muss. Im Süden sind hellere Farben gefragt, während im Norden nach wie vor die dunklen Lacke mit einem rubinroten Interieur gefragt sind. Dabei ist es wichtig, die Kundschaft genau zu kennen. Wie die exklusive Präsentation des Wraith zeigt, hat Rolls-Royce einen eigenen Anspruch an die Vertretungen der Marke: "Das ist kein klassisches Automobilgeschäft, sondern Luxusgüter-Handel", erklärt Müller-Ötvös. Deswegen setzt Rolls-Royce auch auf eigenständige Händler. Außerdem hat Rolls-Royce festgestellt, dass die Kunden in China fünf bis zehn Jahre jünger sind, als in Europa.
Kein Wunder, dass auf der Shanghai Autoshow besonders die Luxusmodelle aus Europa im Visier stehen. Maserati zeigte auf der Messe erstmals nicht nur seine neue Oberklasselimousine Ghibli, sondern auch weitere Varianten des großen Quattroporte, der in seiner neuesten Generation nicht zuletzt wegen des Marktes China auf 5,25 Meter Länge gewachsen ist. Kaum anders sieht es bei Porsche aus. Auf der Messe wurde feierlich der überarbeitete Panamera - erstmals auch mit langem Radstand - gezeigt.
Beim britischen Konkurrenten Bentley setzt man auf den Ausbau des Händlernetzes. Dafür hat die VW-Tochter in China die Geschicke der Verkaufsstellen seit dem 1. Januar in die eigene Hand genommen. In den ersten vier Monaten wurden zwölf Händler eröffnet bis Ende des Jahres sollen es inklusive Macao und Taiwan 37 sein. Bentley-Chef Tilmann Scheer sieht seine Marke gut aufgestellt. "Bentley ist gut positioniert und entwickelt. Wir decken mit unseren Fahrzeugen alles ab", stellt Scheer fest. Auch Rolls-Royce sieht sich bestens positioniert und bleibt der Luxus-oder-Nichts-Linie treu: "Wir gehen nicht unter 200.000 Euro", stellt Müller-Ötvös klar. Das letzte Puzzle-Teil ist die 625-PS-starke Luxus-Limousine "Flying Spur", die in Shanghai der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Luxus-Steuer und sonstige Abgaben, die die Autos mehr als doppelt so teuer, wie in Europa macht, spielt nach Einschätzung Scheers und sein Roll-Royce-Kollege Torsten Müller-Ötvös in China keine Rolle. Wie wichtig die Luxusmarke Bentley für den VW-Konzern ist, zeigt die Tatsache, dass VW-Chef Martin Winterkorn und Produktions-Vorstand Michael Macht sich persönlich von der Qualität der Autos überzeugten.