München, ganz in der Nähe des Ostbahnhofs. An der Rosenheimer Straße fährt der Chef vor. Die Sonne wärmt noch. Lässig lehnt Nicola Carbonari seinen Ellenbogen auf der Tür des Cabrios. Der Italiener ist Gründer von Autoscout 24, einem der größten Internetmarktplätze, auf denen Gebrauchtwagen gehandelt werden. Klar, dass der Mann privat auch Autos schätzt. Das Cabrio, das er gerade in der Tiefgarage geparkt hat, ist ein fast 50 Jahre alter roter Mercedes- Benz 190 SL. Im Fahrstuhl zum Büro beginnt Carbonari zu reden wie ein Wasserfall. Über sein Baby.
Monatlich sechs Millionen Interessenten
Vor elf Jahren kam der 45-Jährige auf eine Geschäftsidee, für die er - bis auf das Geld - alles mitbrachte, um daraus einen Erfolg zu machen: eine wissenschaftliche Ausbildung (Elektrotechnik), den Master of Business Administration (MBA), eine sechsjährige Erfahrung bei der Beratungsgesellschaft McKinsey in Deutschland und seine Leidenschaft für Autos. Nach nun zehn Jahren im Netz tummeln sich auf Autoscout24.de monatlich sechs Millionen Interessenten, bieten Autos an oder schauen, ob es ein passendes Schnäppchen gibt. Jeden Monat wird mehr als eine Viertelmillion Fahrzeuge auf dem Internetportal vermittelt - europaweit. Es gibt in zwölf Ländern Dependancen, beispielsweise in Schweden, Italien und Spanien. Angefangen hat es 1998 mit etwa 350 Autos in der Datenbank und 50 Besuchen pro Tag auf der Internetseite.
Heute arbeiten mehr als 200 Mitarbeiter in sechs Stockwerken des Bürogebäudes daran, die ins Netz gestellten Fahrzeuge zu verwalten, beziehungsweise sie mit redaktionellen Inhalten zu umrahmen. Zahlen müssen die inserierenden Händler (derzeit etwa 37.000), für den Privatmann bleibt alles kostenlos. Auch seine Anzeige. Das Problem zu Anfang war das Internet selbst. "In Zeiten, in denen hierzulande noch niemand Google und Ebay kannte, war es schwer, jemanden davon zu überzeugen, dass man in dem noch relativ jungen Medium Geld verdienen kann", erzählt Carbonari lächelnd und mit großen Gesten im Konferenzraum namens "Trucks". Dessen Einrichtung ist karg: ein großer Tisch, ein Telefon, ein Flip-Chart.
Telekom übernahm Scout-24-Gruppe
Mit viel mehr hat Carbonari damals auch nicht angefangen. Er hatte seine Überzeugung, dass eine Internet-Gebrauchtwagenbörse funktioniert, und 25 Adressen von Risikokapital-Gesellschaften. Im Juli 1997 kündigte er bei McKinsey. Im Oktober war der Business-Plan fertig. Doch innerhalb einer Woche kamen 21 Absagen von möglichen Geldgebern. Und immer die gleiche Begründung: "Nicht strategisch genug!" "Meine Rücklagen neigten sich dem Ende zu", sagt Carbonari in fast akzentfreiem Deutsch, "meiner Frau und mir wurde langsam mulmig." Kurz vor Weihnachten schließlich meldeten sich die beiden Chefs der Bad Homburger Finanzierungsgesellschaft IVC AG. Carbonari: "Nach einem kurzen Gespräch sagte mir der eine: Du gefällst uns, wir geben dir das Geld!" Plötzlich waren 500.000 Mark im Topf. Verträge wurden unterschrieben.
Längst ist Nicola Carbonari "finanziell unabhängig", wie er sagt. Allerdings nicht mehr ganz sein eigener Herr, wenngleich noch Chef. Die Deutsche Telekom hat vor vier Jahren seine Scout-24-Gruppe übernommen, zu der inzwischen sieben Internetportale gehören. "Normalerweise lässt man die früheren Besitzer bei Übernahmen noch ein bisschen als Manager gewähren, um ihnen dann nach und nach die Verantwortung zu entziehen", sagt der Internetgewinner. "Doch warum sollte man das bei uns ändern wollen?" Für ihn ist inzwischen die "Effizienz für sich selbst" wichtig geworden. Die Zeit für seine Familie, die drei Söhne, für das Skifahren und für seine Autos. Fünf Stück stehen auf dem Hof, darunter der 190 SL, den normalerweise seine Frau fährt. Und, kein Wunder bei einem Italiener, ein Maserati 3200 GT gehört auch zur Sammlung.
50 Prozent Deutscher
Bei seinen Italienreisen zu Eltern und Freunden hört er immer häufiger, er sei sehr "deutsch" geworden. Immer arbeitsam und diszipliniert. Ja, sogar in seine Muttersprache habe sich ein deutscher Akzent eingeschlichen. "Das macht nichts. Denn es entspricht der Realität. Ich fühle mich zu 50 Prozent als Deutscher." Vielleicht ist dies genetisch bedingt. Sein Vater ist Italiener, die Mutter stammt aus Österreich - mit Wurzeln bis zu den Preußen.