Gibt es irgendwo einen Menschen, der mir erläutern kann, warum die Spritpreise innerhalb eines halben Tages oder einer Nacht um acht bis zehn Cent nach oben oder nach unten springen? Mir jedenfalls ist schleierhaft, nach welcher Mechanik das funktioniert. So stark und so schnell steigt oder fällt der Ölpreis jedenfalls nicht, als dass die Spritpreise im gleichen Tempo angepasst werden müssten.
Ich wohne am Nordrand der Lüneburger Heide. Jeden Tag fahre ich im Großraum Hamburg etwa 65 Kilometer mit dem Auto zur Arbeit und wieder nach Hause. Dabei komme ich an vier Tankstellen vorbei. Sie sind von Aral, Shell, Jet und eine heißt GO. Ich schaue immer auf die großen Preisschilder und wundere mich über die ungeheuren Preissprünge.
Vor wenigen Tagen, als ich abends an die GO-Tankstelle in der Nähe meines Wohnortes kam, las ich: Diesel 1,05 Euro, Normal- und Superbenzin 1,26 Euro. Am Morgen darauf stand dort: Diesel 1,12 Euro, Normal- und Superbenzin 1,36 Euro. Über Nacht zehn Cent Aufschlag? Was ist die Ursache? Ich habe angehalten und den Menschen an der Kasse neugierig nach den Gründen gefragt. Antwort: "Weiß ich auch nicht." Ist das Öl sprunghaft teurer geworden, weil Spekulanten an der Preisschraube gedreht haben, damit die Tanks ihrer Privat-Jets fürs Wochenende aufgefüllt werden können? Antwort: "Keine Ahnung."
Ähnlich ist es auch an den anderen drei Stationen, die alle an der Amsinckstraße in Hamburg liegen. Auf dem Weg rein in die Hansestadt kommt als erste die JET-Station. Dann, auf der anderen Straßenseite, die von Shell. Wenige hundert Meter später schließlich jene von Aral. Die JET-Tankstellen, das ist bekannt, sind immer ein bis drei Cent billiger als jene von Aral, Shell oder Esso. Aber wie ist es zu erklären, dass die Literpreise bei der Aral- und der Shell-Tankstelle, die vielleicht 500 Meter auseinander liegen, oft um sieben oder acht Cent differieren? Angeblich kaufen alle ja bei denselben Großhändlern ein. Und ebenso angeblich werden die Preise in Rotterdam an der Öl-Börse gemacht. Auch an den beiden Sprit-Stationen auf der Amsinckstraße habe ich natürlich gefragt. Die Antworten sind gleich: "Wissen wir nicht." Und wer in den Konzernzentralen von Aral oder Shell anruft und um eine Erklärung bittet, wird so abgespeist: "Darauf haben wir keinen Einfluss, das regelt der Markt." Über Nacht? Antwort: "Das kann durchaus sein." Klar, glaubt jeder sofort.
Weil ich kein Egoist bin und fest daran glaube, dass die Multis schlimme Not leiden und man ihnen zu mehr Einnahmen verhelfen muss, werde ich ab sofort an der Tankstellenkasse die Summe aufrunden. Da es immer krumme Beträge sind werde ich zum Beispiel bei 43,58 Euro sagen: "Nehmen Sie 45." Mit Trinkgeld wie in der Kneipe.