"Ihre beste Zeit haben diese Autos hinter sich", sagt Ferdinand Dudenhöffer. Der Auto-Experte an der Fachhochschule Gelsenkirchen prognostiziert für die kommenden Jahre einen empfindlichen Einbruch bei den so genannten Full Size SUV. "Es wird sicher ein paar Reiche geben, die diese Autogattung weiterhin fahren werden und denen die hohen Spritzpreise wurscht sind, "sagt Dudenhöffer. Doch viele Hersteller bieten neben ihren dicken Boliden mittlerweile bessere Alternativen: SUV des Kompaktsegments. Warum einen Q7, wenn es einen Q5 gibt? Warum noch einen Touareg, wenn es einen Tiguan gibt? Gleiche Fragen müssen sich Fans der Marken BMW (X5/X3), Volvo (XC90/XC60) oder auch Land Rover (Discovery/Freelander) stellen. Dudenhöffer ist sogar fest davon überzeugt, dass auch Porsche mit einem kleineren SUV kommen wird. "Dieses Auto wird vermutlich auf der Technik des Audi Q5 basieren."
Der Aufstieg begann mit der M-Klasse
In den vergangenen zehn Jahren schossen monströse Allradwagen der Gattung "Sport Utility Vehicles" wie Pilze aus dem Boden. Den Stein in Rollen brachte hauptsächlich Mercedes, die 1997 ihre M-Klasse präsentierten und den Begriff Lifestyle ins Spiel brachten. Erstmals löste man sich technisch vom Lkw-ähnlichen Leiterrahmen (wenn auch nur halbherzig) konventioneller Geländewagen wie sie beispielsweise der Toyota Land Cruiser, Nissan Patrol oder Mitsubishi Pajero aufwiesen. Damit ließen sich ein handlicheres Fahrverhalten und mehr Komfort realisieren. Einen neuen Maßstab setzte in dieser Disziplin dann aber der X5, den Konkurrent BMW 1999 vorstellte und der schnell zu einem der bestverkauften SUV überhaupt wurde.
Selbst Porsche baute einen SUV
Sein Erfolg rief schnell andere Hersteller auf den Plan, selbst jene, von denen man solch einen Schritt nie erwartet hätte. Prominentester Vertreter: Porsche. Der Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen tat sich mit VW zusammen. Gemeinsam entstand ein SUV, den Volkswagen als Touareg und Porsche als Cayenne verkauft. Für Porsche-Puristen ein Schlag ins Gesicht, die die Traditionsmarke niemals mit vier Türen, fünf Sitzplätzen und einer Heckklappe in Verbindung bringen wollten. Auch Ferry Porsche hätte sich vermutlich im Grabe umgedreht. Chef Wendelin Wiedeking aber sollte Recht behalten. Der bis zu 550 PS starke und 280 km/h schnelle Cayenne verkaufte sich glänzend. Mütter in gediegenen Vororten setzen damit ihre Kinder vor der Schule ab und über die "Whiskey-Meile" auf Deutschlands Schickimicki-Insel Sylt rollt der Cayenne so häufig, dass er bereits "Sylter Volkswagen" genannt wird. Auch Volvo brach mit seinen Prinzipien und stellte 2002 den XC 90 auf die Räder, siebensitzig und damit größer als die damalige deutsche Konkurrenz. Zeitweise war der große Schwede weltweit Bestseller im Volvo-Programm.
In London hip: der Chelsea-Tractor
Auch der eigentliche "Erfinder" des SUV, die britische Firma Land Rover, die mit dem Range Rover bereits in den 80er-Jahren den ersten Luxus-Geländewagen im Programm hatte, rieb sich die vergangenen Jahre wegen des Booms in diesem Segment die Hände. Das Derivat vom Discovery, der Range Rover Sport, avancierte mit zum Liebling des Londoner Jet-Sets, die sich um hohe Staugebühren (congestion charge) ebenso wenig schert wie um teure Parkplätze oder hohen Spritverbrauch. Schnell hatten die London-SUV, in denen zumeist junge Blondinen a la Paris Hilton – der Engländer spricht von "snooty rich bitches" – hinterm Lenkrad sitzen, ihren Spitznamen weg: Chelsea-Tractor.
Männer fühlen sich als Alpha-Tier
Mehr als 95 Prozent der SUV weichen ihr Leben lang nicht vom Asphalt. Doch Kriechgang, Bodenfreiheit, Differenzialsperren und Allradantrieb geben dem Fahrer das stete Gefühl "Ich könnte, wenn ich wollte". Wenn es sein muss, auch bis direkt vor den Skilift. Die Illusion ist wichtig, echte Geländegängigkeit spielt aber beim Kauf so gut wie nie eine Rolle. SUV sind deswegen so beliebt, weil die das Grundbedürfnis der Sicherheit und vor allem den Status-Faktor bestens befriedigen. Allein die Größe und die Masse des Autos, verbunden mit der hohen Sitzposition, signalisieren Souveränität und erzeugen bei Männern Alpha-Tier-Gefühle. Motto: Seht her, ich hab es geschafft, ich kann es mir leisten. Praktikable Gründe wie Platz, Kofferraum und Variabilität treten bei ihnen eher in den Hintergrund. Aber auch für Männer ist wichtig, dass ein SUV ein Mindestmaß an Alltags- und Familientauglichkeit mitbringt. Auch zweisitzige Sportwagen befriedigen das Alpha-Gen, sie sind aber häufig nur als Zweitwagen zu gebrauchen. Frauen schätzen Sicherheit, Übersicht und Platzangebot im SUV. In vielen Haushalten hat der SUV daher den klassischen Kombi abgelöst. Den Minivan vom Schlage eines Zafira oder Touran schlägt ein SUV mit Leichtigkeit in den Disziplinen Schick und Coolness.
Sündenbock der Energiekrise
Die jüngste Klimadebatte hat die dicken Allrad-Gefährte unter viel Populismus pauschal zu CO2-Schleudern gebrandmarkt, die zuviel Benzin und zu viel Verkehrsfläche verbrauchen. Besitzer werden schief angesehen und müssen sich rechtfertigen, selbst wenn ihr Diesel nicht viel mehr konsumiert als ein gleichgroßer Kombi. Manche Fahrer finden Zettel mit der Aufschrift "Umweltsau" unterm Wischerblatt. In manchen Berliner Bezirken zerkratzen Chaoten SUV, zerstechen Reifen oder zünden gleich das ganze Auto an. Soziale Ächtung, und sei sie auch nur von wenigen initiiert, erzeugt ein negatives Image. Viele der potenziellen Full-Size-SUV-Kunden wechseln daher auf eine Nummer kleiner: kompakte Allradler. Sie sind die großen Gewinner. Auf den VW Tiguan warten Käufer bis zu einem dreiviertel Jahr.
Dramatischer Einbruch in den USA
Während sich in Deutschland die Absatzverluste von Cayenne und Co noch in Grenzen halten, spitzt sich den USA die Lage dramatisch zu. Allein Audi büßte mit seinem Q7 im Juni 42 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein. Die einst geliebten Pickups (Kleinlaster) und SUV stehen sich bei den Händlern die Reifen platt. Grund sind die für amerikanische Verhältnisse exorbitant hohen Spritpreise. An den Zapfsäulen überschritt der Preis für eine Gallone (3,78 Liter) die Marke von vier Dollar. "Sonst habe ich durchschnittlich 16 SUV und Pickups pro Monat verkauft, heute ist es einer alle sechs Wochen", sagt Charlie Gallant, ein kleiner Chevrolet-Händler aus Manchester City im US-Bundesstaat Vermont. Kein Mensch interessiert sich mehr für Modelle wie Tahoe und Silverado – neu wie gebraucht. "Die sind im Moment einfach unverkäuflich." Und daran wird sich wohl auch Zukunft wenig ändern.