Er liegt neben mir. Weiße Oberfläche, chromglänzendes Gehäuse, edel und schwer. Er ist noch aus der ersten Generation, mit 10 Gigabyte Speicher. "Nur", werden jetzt die sagen, die mit diesen neuen 40-Gigabyte-Teilen rumlaufen, die, noch leichter und noch schmaler als meiner, nun aussehen wie kleine Waschmaschinen. Er liegt immer neben mir, oder in meiner Tasche, oder irgendwo, wo ich ihn mit einem Handgriff finde. Ich geh nicht mehr aus dem Haus ohne ihn. Ohne den iPod. Ich trage 1867 Titel Musik mit mir rum, mehr als 2000 passen hinein. Es sind noch ein paar Fotos und ein Zeichentrickfilm als Dateien in meinem Gepäck, aber die 1867 Titel Musik haben mein Leben verändert. Zu Hause sind alle CDs im Keller, ich habe auch keine Cassetten oder CDs mehr im Auto.
Pod ist englisch und heißt Hülse oder Außentank. Beides stimmt irgendwie, er ist mein Musiktank, den ich zu Hause an die Anlage anschließe oder im Auto mit einem, in Deutschland nicht legalen, iTrip-Modul drahtlos mit dem Radio verbinden könnte, oder in den ich einfach die Kopfhörer stecke und 1867 Titel Musik höre. Natürlich nicht hintereinander, ich habe Wiedergabelisten, also meine eigenen "Best of"-Charts. Sie heißen "Wut" oder "Kornfeld" oder "Melone" oder "Werder Bremen" oder "lasstmichinRuhe".
Neue Freunde - auf Zeit
Wer einen iPod hat und ihn Freunden zeigt, kann sicher sein, dass die Freunde auch bald einen haben und dann fragen: "Sag mal, kann ich ein paar Titel von deinem Computer überspielen?" Wenn sie dann merken, dass 1867 Titel in 15 Minuten rübergesaugt werden können, sagen sie: "Ach, dann gib mir doch gleich alle." So kommt man zu vielen neuen Freunden, für 15 Minuten jedenfalls.
Ich habe viele Abende damit verbracht, den Pod zu füttern, habe uralte CDs hervorgekramt, gelacht, weil ich Duran Duran immer noch albern finde oder die Rolling Stones immer noch großartig. Es war, wie alte Fotos anzuschauen - ein letztes Mal: CD in den Rechner legen, es macht bssitt, bsittt, 15 Titel sind in zwei Minuten überspielt, die Internet-Titeldatenbank schickt die Titelliste hinterher, und "For No One" von den Beatles ist wahlweise unter "Beatles" oder "For No One" zu finden oder in der Wiedergabeliste "AlleinaufderInsel" zusammen mit allen Songs von Pulp.
Selbst Nick Hornby, der einst härteste Vinylist der Musikhörer, der in "High Fidelity" noch davon erzählt, wie er seine Platten (!) nach der Liste seiner Freundinnen ordnet, ist nun iPod-ler, weil zwei Drehungen am Pod-Rad reichen, das so schön leise "klagagagagagag" macht, um alle Titel in der Kategorie "Manuela" oder "Anna" abzuspielen.
Der iPod erschafft Partyterroristen
Der Pod bewertet die eigene Musik neu. Er nennt seinen Plattenschrank "Bibliothek", und das stimmt - Musik wird in der kleinen Schachtel zu einer Bibliothek des Lebens. Und deshalb geht man nie ohne Pod aus dem Haus. Ich kenne jemanden, der wurde mit seinem Pod zu einem Partyterroristen: Wo immer er feiert, mault er über die schlechte Musik, schließt seinen iPod an, dreht irgendwelches HipHop-Gestampfe voll auf, keiner tanzt, aber er strahlt: "Cool, oder?"
Später, wenn ich mal ganz alt bin und meine jetzt noch kleine Tochter mich fragen wird, wie ich denn so war früher, werde ich ihr meinen Pod schenken. Dann wird sie wissen, wie ich war.