Ach, was waren sie schön, die guten alten Werbebanner einer längst vergangenen Web-Epoche. Sie animierten an Ort und Stelle fröhlich vor sich hin und ließen sich unter Zuhilfenahme geeigneter Tools sogar ganz ausblenden, falls sie die Nerven der Surfer zu sehr strapaziert hatten. Ich gebe zu, dass ich mich gern mittels dieser Werbeform informieren lasse und über sie schon das eine oder andere interessante Web-Angebot gefunden habe. Noch mehr Erfolg zeitigt bei mir persönlich Google-Werbung. Die schnellen Werbeverweise mit drei Zeilen Text lese ich eigentlich immer. Gerade im Golf-Bereich, der mich sehr interessiert, habe ich über die Google AdWords schon viele tolle Seiten gefunden, die mir anderenfalls verborgen geblieben wären.
Doch die Banner gibt es kaum noch, und Google-Werbung wird immer öfter ausgetauscht durch Krawall- und Kawumm-Werbung. Diese Werbung versucht nicht mehr, die Aufmerksamkeit der Onliner zu gewinnen, sondern erzwingt sie regelrecht.
Bei mir sind die Lautsprecher (immerhin acht Stück) am PC oft voll aufgedreht, weil meine TV-Karte so leise ist und ich ansonsten nix verstehen kann, wenn ich abends noch die Klum-Topmodels oder die RTL-2-Kochprofis am PC sehe. Wenn ich dann aber auf eine große Webseite surfe und mich ohne Vorwarnung irgendwelche Popstars aus einem kleinen Werbefenster heraus ankreischen, um einen neuen Song zu promoten - und das mit dem Sounddruck eines startenden Airbus -, dann kollabiert mein armes Herz fast, und ich drohe am Schock zu versterben. Zitternd stößt dann meine Hand nach der Maus, während die Augen hektisch den Bildschirm absuchen, um zeitnah nach dem Sound-off-Schalter in der Anzeige zu finden. Nur ja schnell klicken, damit der akustische Sturmangriff ein schnelles Ende findet. Dreist ist das. Eigentlich müsste in einer solchen Anzeige ein Knopf dafür da sein, der den Sound erst EINschaltet.
Ein X ist nicht immer ein X
Noch schlimmer sind diese fetten Flash-Werbefenster, die beim Aufmachen einer neuen Webseite urplötzlich in den Browser springen und die Sicht auf den eigentlich interessanten Text völlig versperren. Auch sie lassen sich wegklicken. Theoretisch. Bei mir werden diese Werbefenster oft so geschickt platziert, dass die Titelleiste mit dem X-Knopf gerade so eben nicht mehr im Sichtbereich des Browsers liegt. Also kann ich die Werbung weder aus dem Weg schieben noch wegklicken. Da hilft es oft nur noch, die ganze Webseite noch einmal zu laden. Meist kommt die Werbung beim Reload nicht noch einmal. Hurra: Der Spuk hat ein Ende. Oft passiert es mir aber, dass der X-Knopf in Wirklichkeit gar kein X-Knopf ist - und dieser die Werbung nur in einem neuen Fenster noch einmal öffnet. Nun gut, das ist immer noch besser, als die Werbung, die mich beim Scrollen durch eine Web-Seite regelrecht verfolgt und dabei immer wieder neu den Sichtbereich versperrt, sodass ich völlig die Orientierung verliere. Das ist so, als ob einem beim Autofahren plötzlich jemand von hinten die Augen zuhält und sagt: Rat mal, wer hier ist.
Mehr von Carsten Scheibe
In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf derselben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.
Angriff der Rennschlitten
Gibt es noch eine Steigerung? Jawohl. Heute habe ich eine bekannte Webseite besucht, die verformte sich plötzlich komplett zu einem Autoparcours, über den dann ein virtueller Rennschlitten heizte. Es dauerte quälende Sekunden, bevor diese sinnentleerte Animation endlich vorbei war und ich meine Seite in Ruhe lesen konnte. Da gehen diese Werbefuzzis aber ganz schön locker mit meiner Lebenszeit um und stehlen mir selbige. Wenn's doch alles nur freiwillig wäre. Aber ich muss mir diesen Mist ja auch noch ansehen, wenn ich meine Online-Texte lesen möchte.
Klarer Fall. Werbung, die mich nervt, landet auf meinem eigenen Negativ-Index: Von diesen Unternehmen kauf ich nix, da starte ich meinen ganz individuellen Boykott. Wie viel besser könnten die Firmen im Web Werbung machen, wenn sie einfach nur dezent als Sponsor auftreten würden: Diese Webseite wird Ihnen präsentiert vom Krombacher, 1&1 oder von wem auch immer. Das würde wenigstens wirken und nicht so sehr nerven.
Und weil ich für heute genug von diesem Werbemist habe, schalte ich den Computer jetzt aus und gehe ins Wochenende.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania