Tentpole - Zeltstange -, so nennt man die großen Sommer-Blockbuster im Hollywood-Jargon. Die großen Hits, die das große Zelt Hollywoods aufrechterhalten, indem sie das Geld in die Kassen spülen und so die kleinen, feinen Filme und die gescheiterten Versuche eines Kassenschlagers gegenfinanzieren. Doch in der Corona-Krise und den durch sie geschlossenen Kinos bricht die Zeltstange immer weiter weg. Und die in die Bresche gesprungenen Streaming-Dienste werden sie vermutlich nicht ganz wieder aufrichten können.
Diese Befürchtung wiederholte am Donnerstag auch James Cameron, der mit "Avatar" und "Titanic" für gleich zwei der drei einnahmenstärksten Film aller Zeiten verantwortlich ist. "Hoffentlich können wir immer noch solche Filme machen, so etwas wie "Avengers: Endgame" oder "Avatar", die großen Marvel Filme und so weiter", drückte er im Gespräch mit Jimmy Fallon seine Sorge um die großen Blockbuster aus. "Die Wahrheit ist einfach, dass wir so schnell wie möglich ins Kino zurück müssen."
Das Kino in Gefahr
Denn das sieht Cameron in akuter Gefahr. Durch die Krise hat sich das Geschäft massiv verändert. Ein Kinostart nach dem nächsten wurde im Laufe der Pandemie verschoben, weil durch die Angst vor dem Coronavirus und die aus Sicherheitsgründen nur teilweise besetzbaren Kinosäle die Gefahr eines Flops zu groß war. Die Rettung für die Studios waren die gleichzeitig boomenden Streamingdienste.
Wie unterschiedlich die Strategien dabei ausfielen, lässt sich schon alleine bei Disney sehen. Während man etwa für die Neuauflage von "Mulan" selbst den Abonnenten des eigenen Streamingdienstes Disney+ noch eine Extragebühr von 30 Dollar abknöpfte, landeten andere Filme wie "Soul" einfach direkt im Flatrate-Angebot des Dienstes. Andere Studios verkauften die Filme an einen Streaming-Konkurrenten, so ging die Fortsetzung von Eddie Murphys Klassiker "Der Prinz von Zamunda" für 70 Millionen Dollar an Amazon Prime Video. "Wonder Woman 1984" erschien durch einen Deal gleichzeitig im Kino und beim US-Streamindienst HBO Max.
Das hilft allerdings in erster Linie den Studios. Und nicht den Kinobetreibern, die immer noch vor leeren Sälen stehen. "Lasst uns beten, dass es nach Ende der Pandemie noch Kinos geben wird", bringt Cameron die sehr reale Gefahr des Kinosterbens auf den Punkt. Dabei dürfte es ihm zwar auch um das Erlebnis im Kino, die Wucht der großen Leinwand und moderner Soundsysteme gehen. Aber eben nicht nur.

Risiko-Investment Blockbuster
"Hoffentlich können wir noch Filme machen, die eine oder zwei Milliarden Dollar in die Kassen spülen", drückt er seine Befürchtung um das Ende des Blockbusters aus. Dabei dürfte es ihm aber nicht nur um die Einnahmen der eigenen künftigen Projekte wie die angekündigten Fortsetzungen von "Avatar" gehen. Denn: Durch die aktuelle Entwicklung steht das ganze Konzept des großen Blockbusters auf wackeligen Beinen.
Das liegt auch an den unterschiedlichen Erfolgs-Maßstäben der beiden Vertriebsformen. Durch die direkten Ticket-Verkäufe ist bei den klassischen Kino-Blockbustern ein sehr direkter Geldanreiz da, teure Spektakel zu produzieren. Gewaltige Produktionen wie "Avatar", die "Avenger"-Reihe oder ein "Star Wars"-Film kosten in der Produktion zwar ein Vermögen, spielen im Erfolgsfall aber ein Vielfaches des investierten Geldes wieder ein. Der mögliche hohe Gewinn ist das Risiko des Investments wert.
Beim Streaming ist der Anreiz ein anderer: Die Kunden sollen ein Abo abschließen und dann behalten wollen. Das hält die Streaming-Dienste zwar nicht davon ab, Filme mit gigantischen Budgets zu drehen. Der teuerste Netflix-Streifen, der Action-Thriller "The Gray Man" mit Ryan Gosling und Ana de Armas, kostet etwa 200 Millionen Dollar. Während solche Budgets bei Kinofilmen durchaus keine Seltenheit sind, bleiben sie im Streaming aber die absolute Ausnahme. Zwar mag ein einzelner Film mal als Leuchtturm taugen, für dasselbe Geld könnte man stattdessen aber auch ein Dutzend neuer Serien produzieren, die viel mehr unterschiedliche Geschmäcker bedienen können.
Widerstand der Filmmacher
Kein Wunder, dass sich manche Filmstudios noch dagegen sträuben, ihre größten Hits in die Streaming-Dienste weiterzugeben. Der nächste Streifen der Bond-Reihe namens "Keine Zeit zu sterben" wurde etwa nach seinem verschobenen Streaming-Start Gerüchten zufolge auch den Streamingdiensten angeboten. Doch den angeblich verlangten Preis von 600 Millionen Dollar war keiner der Dienste zu zahlen bereit.
In einigen Fällen wehren sich die Filmschaffenden aber auch lautstark gegen die Streamingstrategie ihrer Studios. Vor allem die Entscheidung Warner Bros', sämtliche Blockbuster zeitgleich mit dem Kinostart bei HBO Max anzubieten, sorgte für viel Gegenwind. "Die Filmschaffenden gingen im Glauben ins Bett, für das beste Filmstudio zu arbeiten. Und wachten mit der Erkenntnis auf, für den schlechtesten Streaming-Dienst zu arbeiten", brachte "Tenet"-Regisseur Christopher Nolan seinen Ärger auf den Punkt.
Ungewisse Rückkehr in die Kinosäle
Die größte Gefahr für den Blockbuster dürfte aber ohnehin sein, dass die Kinos weltweit entweder geschlossen oder bei den erlaubten Besucherzahlen stark eingeschränkt sind. Das sieht man auch an den Umsätzen an der Kinokasse: Der erste große Blockbuster des Jahres, "Godzilla vs. Kong" erreichte am Eröffnungswochenende in den USA nur Einnahmen von 32,2 Millionen Dollar. Zum Vergleich: "Avengers: Endgame" hatte im Jahr 2019 noch mit 357 Millionen Dollar in den ersten beiden Tagen eröffnet.
Auch James Cameron hofft deswegen, dass die Kinos bald wieder öffnen können. "Ich habe nichts gegen Streaming, im Gegenteil. Es gibt großartige Geschichten und Serien im Streaming. Aber der Besuch eines Kinosaals ist einfach eine Art heilige Erfahrung für uns alle. Dahin sollte man so schnell wie möglich zurückkehren", ist er überzeugt. Doch dazu müssen die Kinos erst einmal überleben.
Quellen: The Tonight Show, CNBC, New York Times, Variety, The Hollywood Reporter