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Mobilfunk 5G - der Streit um den LTE-Nachfolger zeigt Deutschlands Digital-Dilemma

Mobilfunk: 5G - der Streit um den LTE-Nachfolger zeigt Deutschlands Digital-Dilemma
Der neue Mobilfunk-Standard 5G sollte Deutschland den Anschluss an die digitale Zukunft sichern. Doch noch vor der Versteigerung um die Frequenzen eskaliert der Streit zwischen der Bundesregierung und den Providern.

Datenleitungen sind die Straßen des 21. Jahrhunderts. Dabei befördern sie nicht nur unsere Whatsapp-Nachrichten und Instagram-Posts, sondern sind als digitale Shopping-Meile und Frachtstraße auch für die Wirtschaft als Infrastruktur unerlässlich. Trotzdem will die Bundesregierung sie nicht wie das Straßennetz fördern. Ein aktueller Streit zeigt das Dilemma dieser Strategie.

Die Bundesregierung und die Mobilfunk-Provider zoffen sich aktuell darum, unter welchen Bedingungen die neue 5G-Technologie in Deutschland umgesetzt werden soll. Wie schon bei LTE - und davor bei UMTS - will die Regierung den Aufbau des Netzes den Mobilfunk-Betreibern überlassen. Die sollen im Januar um die Nutzung der Frequenzen bei einer Versteigerung bieten. Damit wiederholt die Regierung die Fehler der Vergangenheit. Das Problem: Regierung und Provider haben grundverschiedene Interessen.

Infrastruktur gegen Gewinn

Die Regierung sieht das neue Netz als wichtige Infrastruktur. Vor allem die Industrie wartet auf den neuen Standard. Er verspricht durch eine deutlich größere Bandbreite ein ganz neues Ausmaß an digitaler Automatisierung und ermöglicht zudem erst die flächendeckende Umsetzung neuer Technologien wie dem fahrerlosen Auto. Dazu muss das Netz aber nahezu lückenlos sein.

Die Provider haben aber völlig andere Anreize: Sie wollen mit dem neuen Standard möglichst viel Geld verdienen. Das geht am besten, wenn sie sich auf diejenigen Bereiche konzentrieren, in denen die meisten Menschen leben. Damit fallen aber große Teile Deutschlands aus dem Raster: In den dünn besiedelten ländlichen Regionen ist der Ausbau besonders teuer, bringt wegen der wenigen Kunden aber nahezu kein Geld ein.

Der Streit um die Abdeckung

Kein Wunder, dass die Provider nun gegen Pläne Sturm liefen, die Versteigerung der Frequenzen mit einer Verpflichtung zur 100-prozentigen Abdeckung zu verbinden. In einem Brandbrief der Provider an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hieß es, diese  Erwartungshaltung sei "ökonomisch in keiner Weise darstellbar und rechtlich nicht haltbar". Heute hat die Bundesnetz-Agentur ihre Bedingungen zur Abnahme an den Beirat geschickt. Die Forderung zur Vollabdeckung findet sich darin nicht mehr.

Der Punkt ist auch unter den Regierungsparteien umstritten. Aus dem Kanzleramt gibt es Verständnis für den Widerstand der Provider, der flächendeckende Ausbau sei "unfassbar teuer", erklärte Kanzleramtschef Helge Brauch (CDU). In der eigenen Partei und beim Koalitionspartner SPD sehen das aber nicht alle so. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach am Donnerstag von einer "politischen Bankrotterklärung", wenn Braun sich mit einer 5G-Versorgung der Ballungsgebiete zufriedengebe.

Auch Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) forderten 5G für alle. Eine Sprecherin Seehofers sagte, das Ziel müsse eine 100-prozentige Abdeckung sein. Eine Versorgung mit dem Hochgeschwindigkeits-Internet nur für 98 Prozent der Haushalte, wie es bisher die Vorgaben für die 5G-Versteigerung der Bundesnetzagentur vorsehen, bedeute, dass rund 15 bis 20 Prozent der Fläche nicht damit versorgt würden. "Und das sind naturgemäß ländliche Regionen." Klöckner sagte der "Rheinischen Post": "Es gibt zu viele weiße Flecken auf der Landkarte." 

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5G-Verspargelung

Dass die Umsetzung für flächendeckendes 5G so teuer ist, hat auch technische Gründe. Obwohl die Sendemasten leistungsfähiger sind, haben sie eine geringere Reichweite. Die Folge: Zur Abdeckung derselben Fläche braucht 5G deutlich mehr Sendemasten als LTE. Die Provider sprechen hinter vorgehaltener Hand von einer "Verspargelung" der Landschaft. Und: Die Masten müssten zur Nutzung ihres vollen Potenzials mit Glasfaserleitungen angeschlossen werden. Auch in diesem Bereich hinkt Deutschland hinterher.

Die Regierung steht also vor einem Dilemma: Sie will die flächendeckende Infrastruktur, die Kosten sollen aber die Provider übernehmen. Zudem schafft sie mit den hohen Kosten der Versteigerung Anreize, die Kosten an die Kunden weiterzugeben - und das schnelle Internet zum teuren Vergnügen werden zu lassen. Das von den Providern gewünschte Flickennetz kann sie aber auch nicht wollen. Schließlich würden dadurch ganze Landstriche noch weiter nach hinten fallen. Und auch Pläne zu selbstfahrenden Autos dürften schnell platzen - sie könnten schließlich auf dem Land gar nicht fahren.

Wie geht es weiter?

Alternativen dürften aber aus Kostengründen ausfallen: Statt die Frequenzen zu versteigern, könnte die Regierung das Geld selbst investieren und dann die Netze vermieten. Dafür müssten aber erst einmal hohe Summen an Steuergelden investiert werden. Einen interessanten Vorschlag machte auch Tech-Blogger Sascha Lobo. Er empfiehlt eine negative Versteigerung, in der die Regierung zu jeder investierten Euro-Milliarde noch zwei dazu gibt.

Die aktuelle Lösung hebt das Dilemma zumindest nicht auf. Die Bundesnetzagentur verpflichtet die Provider in ihrem nun vorgelegten Regelwerk nur, bis 2024 sämtliche Bundes- und Landstraßen sowie die Zugstrecken mit Hochgeschwindigkeitsnetzen zu versorgen. Dabei wird aber nicht der 5G-Standard eingefordert, sondern nur Mindestgeschwindigkeiten von 100 MBit/s auf Autobahnen, Bundesstraßen und ICE-Strecken, sowie 50 Mbit/s auf regionalen Zugstrecken und kleineren Straßen festgelegt.

Damit werden die Provider gleichzeitig stärker als bisher in die Pflicht genommen, die Maximalforderung Vollabdeckung bleibt aber aus. Eine wirklich befriedigende Lösung ist das für niemanden.

Mit Material der DPA

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