Bar oder Karte - diese Frage stellen in Deutschland täglich Millionen Supermarkt-Kassierer, Kellner, sonstige Verkäufer. Und die Deutschen entscheiden sich in der Regel klar: Münzen und Scheine sind selbst Jahrzehnte nach der Einführung der EC-Karte das Zahlungsmittel Nummer eins. Im Vergleich zum Rest der Welt wirkt das reichlich altbacken. Nun will Google in Deutschland das mobile Zahlen durchsetzen. Die Chancen stehen eher schlecht.
Dabei ist Googles Angebot auf den ersten Blick durchaus attraktiv: In Google Pay lassen sich neben den Konten auch Kreditkarten, die Ikea- oder Paybackkarte hinterlegen. Zum Bezahlen muss man nur das Smartphone ans Terminal halten. Das Portemonnaie kann also zu Hause bleiben. Doch die Deutschen scheinen das in der Mehrheit gar nicht zu wollen.
König Bargeld
Im Alltag ist Bargeld weiter der König. Ob an der Kasse, im Parkhaus oder beim Trinkgeld: Das Bezahlen ohne Bargeld ist oft überhaupt nicht möglich. Selbst das in den meisten westlichen Ländern selbstverständliche Bezahlen per Karte setzt sich in Deutschland erst langsam gegen das geliebte Bargeld durch: 2017 wurden ganze 74 Prozent aller Einkäufe in Bar bezahlt, ermittelte die Bundesbank. Bei Beträgen unter 5 Euro waren es gar 96 Prozent. Erst bei Beträgen zwischen 50 und 100 Euro wird die Debit-Karte bevorzugt, besser bekannt als die klassische EC-Karte. Die Werte haben sich seit 2014 kaum verändert.
Die Gründe sind vielfältig. Im von den Schnüffeleien der NS-Zeit und der Stasi geprägten Deutschland stehen viele Menschen der Datenspur der Karten nach wie vor skeptisch gegenüber. Hinzu kommt, dass sich für kleinere Läden die Zahlung per Karte wegen der Gebühren kaum lohnt und deswegen erst ab bestimmten Summen erlaubt ist. Den Banken ist das Bargeld dagegen ein Dorn im Auge. Sie versuchen mit verschiedenen Tricks, das Abheben teurer zu machen.
Im Rest der Welt sieht das ganz anders aus. In den USA zahlt man seit Jahrzehnten selbst den Coffee to Go mit Kreditkarte. Auch im Rest Europas setzen die meisten Kunden auf Karten. Nur in Malta, Zypern und Italien ist Bargeld ähnlich beliebt wie hier, ermittelte die Europäische Zentralbank. Die kontaktlosen Karten - die auch in Deutschland immer beliebter werden - haben für einen weiteren Schub des bargeldlosen Zahlens gesorgt. In Nordeuropa und Asien ist man noch weiter und bezahlt mit dem Smartphone. In Asien funktioniert das über QR-Codes, in Dänemark etwa über die kontaktlose NFC-Technologie.
Google will an deutsche Kassen
Die steckt auch hinter Google Pay und dem etwa in den USA extrem erfolgreichen Konkurrenten Apple Pay. Beide Anbieter funktionieren sehr ähnlich: Die Kunden bekommen von der Bank eine Art digitale Karte freigeschaltet, schon lassen sich die Geräte an sämtlichen kontaktlosen Terminals benutzen. Wer Apple Pay in den USA benutzt, kann damit auch in Deutschland bei Aldi bezahlen.
Ob die Deutschen das wollen, steht auf einem anderen Blatt. Nur 33 Prozent könnten sich überhaupt vorstellen, mit dem Smartphone zu zahlen, ermittelte eine Studie der Beraterfirma Oliver Wyman im April. 44 Prozent lehnen das dagegen ab.
Dass Google Pay diese Einstellung ändern kann, erscheint da unwahrscheinlich. Aktuell stehen die Chancen wohl eher schlecht. Mit der Commerzbank, ihrer Tochter Comdirect und der Online-Bank N26 unterstützen aktuell nur drei Banken den Dienst. Kunden anderer Banken müssen den Guthaben-Dienst Boon nutzen. Ein Massenphänomen dürfte Mobile Payment in Deutschland mit Google Pay daher so schnell nicht werden. Bisherige Angebote, wie etwa der Deutschen Bank oder über die Payback-App konnten sich ebenfalls nicht durchsetzen.
Was ist mit Apple?
Vielleicht kommt im Herbst noch einmal Schwung in die Sache. Angeblich soll dann Apples mittlerweile vier Jahre alter Dienst Apple Pay auch nach Deutschland kommen. In der Testversion von iOS 12 wurde endlich die Unterstützung der in Deutschland so beliebten Debitkarten entdeckt. Bisher funktionierten nur Kreditkarten. Neben den komplizierten Verhandlungen mit den deutschen Banken galt die fehlende Unterstützung als wichtigstes Hindernis für den deutschen Marktstart.
In den USA ist Apple Pay ein gigantischer Erfolg. Mehr als die Hälfte der Läden in Apples Heimatmarkt unterstützen den Dienst, selbst Angebote wie die New Yorker U-Bahn lassen sich so mit dem iPhone bezahlen. Knapp 20 Millionen monatliche Nutzer hatte der Dienst laut "Recode" im letzten Jahr. Mittlerweile ist Apple Pay in über 20 Ländern verfügbar, zuletzt waren etwa Polen und die Ukraine hinzugekommen.
Sollte der Dienst im Herbst tatsächlich nach Deutschland kommen, ist durchaus ein Apple-Effekt denkbar. In der Vergangenheit hatten sich Technologien schon häufiger schneller durchgesetzt, wenn Apple sie aufnahm, weil sie dadurch stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangten. Gut möglich also, dass Apple Pay auch in Deutschland Mobile Payment zum Thema macht. Bis es den Stellenwert des Bargelds erreicht, dürfte es aber noch ein paar Jahrzehnte dauern.