KI Gesichtserkennung gegen Covid: Wie Korea seine explodierenden Zahlen in den Griff bekommen will

KI: Die Gesichtserkennung soll die Verfolgung von Risiko-Kontakten erleichtern (Symbolbild)
Die Gesichtserkennung soll die Verfolgung von Risiko-Kontakten erleichtern (Symbolbild)
© andreusK / Getty Images
In Südkorea gehen die Corona-Infektionszahlen stetig nach oben. Nun soll eine neue Maßnahme gegen die Überforderung bei der Kontaktverfolgung helfen – Gesichtserkennung.

Mit wem hatten Erkrankte Kontakt? Diese Frage ist einer der essenziellsten Bausteine der Strategie, Covid-Ausbrüche durch frühe Erkennung und Isolation der Kontaktpersonen zu verhindern. In Südkorea setzt die Regierung in einem Feldversuch nun auf eine Maßnahme, an die in Deutschland wohl kaum zu denken wäre: Mit Kameraüberwachung und Gesichtserkennung sollen Erkrankte nachträglich durch die ganze Stadt verfolgt werden – um so mögliche Kontakte automatisiert erkennen zu können.

Das berichtet die Nachrichtenagentur "Reuters" unter Berufung auf Bedienstete der Verwaltung der Stadt Bucheon, in der der Testlauf im Januar umgesetzt werden soll. Dem Bericht zufolge soll die Stadt den Plan in einer 110 Seiten starken Ausführung beim südkoreanischen Wissenschaftsministerium beantragt haben. Demnach sollen rund 11.000 in der Stadt verteilte Kameras mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz infizierte Bewohner verfolgen, ihre Bewegungen und Kontakte auswerten und dokumentieren, ob sie im Laufe des Tages eine Maske trugen.

Überwachung gegen Covid

Ziel der Überwachungsmaßnahme ist, die Gesundheitsbehörden der 800.000-Einwohner-Stadt zu entlasten. Die setzen, wie im Rest von Südkorea, schon jetzt auf allerlei technische Hilfsmittel, dürfen anders als im um Datenschutz bemühten Deutschland auch Standortdaten von Smartphones, Kreditkarten- und zahlreiche weitere Daten nutzen, um die Bewegungen von Covid-Infizierten zu verfolgen. 

Auch die Nutzung von Kamera-Überwachung zu diesem Zweck ist nicht neu. Sie soll durch das KI-System aber erheblich beschleunigt werden, argumentiert Bürgermeister Jang Deog-cheon bei Twitter. "Manchmal dauert es Stunden, das Material einer einzelnen Kamera auszuwerten. Mit Gesichtserkennungs-Technologie wird es fast in Echtzeit möglich." Tatsächlich erhoffen sich die Behörden dem Bericht zufolge, bis zu zehn Personen gleichzeitig innerhalb von fünf bis zehn Minuten durch die gesamte Stadt verfolgen zu können. Das soll die Kontaktverfolgungs-Verantwortlichen erheblich entlasten. Zu Anfang soll zunächst ein einzelnes zehnköpfiges Team mit der Software ausgestattet werden. 

Explodierende Zahlen

Die Gesundheitsbehörden leiden erheblich unter den stark steigenden Infektionszahlen. War es Südkorea in der Anfangszeit der Pandemie noch gelungen, mit einer schnellen Teststrategie inklusive Drive-Through-Tests die Zahlen niedrig zu halten, steigen sie seit Herbst rasant an. Ein knappes Viertel der gesamten Corona-Infektionen des Landes fanden laut des Johns-Hopkins-Instituts alleine in den letzten 28 Tagen statt. Im Vergleich zu Deutschland ist die Lage zwar noch gemäßigt – das Land verzeichnet mit 50 Millionen Einwohnern nur knapp 7000 neue Fälle am Tag -, die Zahlen liegen aber schon jetzt fast siebenmal so hoch wie zum vorherigen Höchststand im Dezember letzten Jahres. Und die Lage eskaliert immer weiter. 

Die Gesundheitsbehörden sollen schon jetzt 24-Stunden-Schichten für die Kontaktverfolgung benötigen, so "Reuters". Trotzdem will die Regierung nicht den Eindruck erwecken, die Gesichtserkennung solle für das ganze Land eingeführt werden. Das mit 1,6 Milliarden Won (etwa 1,2 Millionen Euro) unterstützte Pilotprojekt diene nur dazu, den Behörden einen Teil der manuellen Datenarbeit abzunehmen, erklärte des Wissenschaftsministerium der Agentur. Es auszuweiten, sei aktuell nicht geplant. 

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Gesichtserkennung als Grenze

Ein Grund für die Zurückhaltung könnte auch die Ablehnung in der Bevölkerung sein. Obwohl Südkorea als sehr Technik-affin bekannt ist und auch die technischen Covid-Maßnahmen wenig Widerspruch erzeugten, stößt der Vorstoß bei der Gesichtserkennung auf wenig Gegenliebe. "Es ist einfach falsch, die Bevölkerung zu überwachen und zu kontrollieren und dafür auch noch Steuermittel zu nutzen", klagte etwa der Oppositionspolitiker Park Dae-chul. Er hatte der Nachrichtenagentur die Pläne weitergereicht. 

Die Regierung versucht Überwachungs-Ängste zu beschwichtigen, indem sie betonte, dass die Kameras nur die Gesichter der Infizierten verfolgen und die andere Personen ausblenden würden. Zudem müssten die Betroffenen der KI-gestützten Gesichtserkennung zustimmen. Allerdings könnten die Kameras die Personen auch ohne die Zustimmung zur Gesichtserkennung verfolgen, so der Offizielle. Und dazu einfach ihre Bekleidung nutzen. 

mma

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