Konferenz Leweb08 Wenn Internet-Start-ups der Krise trotzen

  • von Lisa Louis
Sorgt die Wirtschaftskrise auch für eine Internetkrise? Ganz im Gegenteil, meinen Teilnehmer von Europas größter Internetkonferenz in Paris: Websites könnten von ihr sogar profitieren.

Das Gebäude, eine ehemalige Leichenhalle, gleicht einem Bahnhof. Kaltes Neonlicht bestrahlt die hohen, weiß gestrichenen Wände. Ein eisiger Windhauch lässt die Anwesenden vor ihren Laptops erzittern. Sie ziehen ihre Winterjacken enger zusammen, tippen dann wie wild auf die Tastaturen ein. Die Computerfans haben Kommunikationsseiten wie Twitter und Facebook geöffnet, berichten in Echtzeit über die fünfte Auflage der wichtigsten Internet-Konferenz Europas "LeWeb08" im Nordosten von Paris. 1600 Teilnehmer aus über 40 Ländern sind dazu angereist, hören zwei Tage lang Vorträge und Diskussionen über die Zukunft des Webs - mit Größen wie Nikesh Arora, dem Europa-Chef von Google, oder auch Amit Kapur, dem leitenden Geschäftsführer der Internetplattform Myspace.

Das Motto dieser Konferenz ist "Love": "Für mich ist Liebe gleichzusetzen mit Unternehmertum", sagt Loïc Le Meur, einer der Organisatoren von Leweb08, bei seiner Eröffnungsrede. "Wenn alles gut läuft, steigt man mit ihr auf, ansonsten fällt man mit ihr." Dass ein Aufstieg auch in Zeiten der Immobilienkrise möglich ist, scheint die Botschaft von Leweb08 zu sein. Es fallen Sätze wie "Krisen sind eine Chance für Start-Up-Unternehmen - keiner erwartet den Erfolg" oder "die jetzige Situation zeigt uns, dass wir eine neue Art von Führungskräften entwickeln müssen".

Erfolg durch das Internet

Letzteres kommt aus dem Munde David Weinbergers vom Center for Internet & Society der Universität Harvard. Der Tenor seines Vortrags: Chefs der Zukunft müssen mehr mit ihren Mitarbeitern zusammenarbeiten, anstatt einsam an der Spitze alle Entscheidungen alleine zu treffen. Ein Weg dahin sei das Internet, über das eine Kommunikation auf gleicher Ebene möglich ist. "Der gewählte amerikanische Präsident Barack Obama hat das verstanden", sagt Weinberger, " und ist durch Seiten wie Facebook seinen Wählern näher gekommen." Das sei einer der Gründe für Obamas Wahlerfolg.

Erfolg durch das Internet hat auch der berühmte brasilianische Autor Paulo Coelho - und sieht in der Immobilienkrise etwas Positives: "Wenn der Börsenindex Dow Jones fällt, denke ich immer, ja, fall noch weiter!" sagt der Online-Freak, der fast täglich in sein Blog schreibt. "Denn je tiefer er fällt, desto mehr Menschen gehen aus Geldmangel auf kostenlose Internetseiten." Durch die vielen Besucher würden die kostenlosen Websites interessanter für Werbekunden und rentabel für deren Betreiber.

Indirekt ist diese Rechnung für Coelho aufgegangen: Auf seiner inoffiziellen Internet-Seite verweist er auf Onlineversionen seiner Bücher zum Herunterladen. "Und es funktioniert!" sagt er begeistert. Nachdem er den "Alchimisten" auf Russisch online gestellt habe, seien dessen Verkaufszahlen von 10.000 auf eine Million in zwei Jahren gestiegen.

Video-Suche leicht gemacht

Neben etablierten Kreativlingen wie Coelho stellen bei Leweb08 auch 30 Start-up-Unternehmen ihre Geschäftsidee vor. An Tag zwei werden die drei besten von ihnen prämiert, erhalten unter anderem einen Computer-Server. Eins der 30 Bewerber-Unternehmen ist Viewdle. Es hat ein Programm entwickelt, das nach dem Google-Prinzip nicht Wörter in Texten sucht, sondern Personen und deren Aussagen in Videos. Und diese automatisch zum relevanten Teil vorspult. "So müssen Benutzer nicht ganze Videos anschauen, sondern können sich auf einen Teil beschränken", sagt Laurent Gil, Geschäftsführer des Start-Ups, das knapp 30 Mitarbeiter hat.

Den ersten Kunden hat Viewdle vor zwei Monaten gewonnen. Mit fünf großen Medienunternehmen in den USA ist das Jung-Unternehmen mit Sitz in der Ukraine in Verhandlung. "Jeder neue Kunde ist ein großer Aufwand", erklärt Gil, "da wir das Programm jedes Mal an dessen Bedürfnisse anpassen."

Wie zum Beispiel bei der japanischen Sicherheitsfirma, mit der das Nachwuchs-Unternehmen verhandelt. Die will die Viewdle-Technologie für ein Überwachungssystem benutzen: Eine Kamera über der Türschwelle filmt den Eingang, sendet die Bilder weiter an einen Computer. Der erkennt nur vorher "getaggte" Personen, die der Hausbesitzer vorher manuell für das System identifiziert hat. Nähert sich eine fremde Person dem Hauseingang, bekommt der Hausbesitzer eine SMS. "Und die Hardware dafür, eine billige Kamera und ein einfacher Computer, kostet den Endverbraucher nur 500 Euro", sagt Gil.

Für Didier Lombard, den Chef von France Telekom - Orange setzt Viewdle auf den richtigen Trend. "Video-Search-Programme sind die Technologie der Zukunft", meint er. Auch Orange investiere in dem Bereich.

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