NEULICH IM NETZ Im Vordergrund: Stoiber (Teil IV)

Plötzlich haben alle gewusst, dass die deutsche Nationalmannschaft echt super ist. Klar, da darf auch nicht der Kanzlerkandidat fehlen mit seinem Sachverstand.

Plötzlich haben alle gewusst, dass die deutsche Nationalmannschaft echt super ist. Klar, da darf auch nicht der Kanzlerkandidat fehlen mit seinem Sachverstand.

Alles eine Frage der Perspektive

Ob es nun jemand interessiert oder nicht: Der Herausforderer meldet sich rechtzeitig zum WM-Ende hochpolitisch zu Wort und gratuliert: Der Teamchef habe »eine hervorragende Mannschaft geformt, die Charakter und sehr gute Tugenden aufweist. Mit Zusammenhalt, Arbeit und Disziplin sei die deutsche Mannschaft ganz nach vorne gekommen.« Was ja nicht ganz stimmt, denn »ganz nach vorne« ist da, wo jetzt Brasilien steht. Aber es ist wohl alles eine Frage der Perspektive. Oder, um es mit Ex-Box-Champ René Weller zu sagen: »Ich liege immer vorne. Und wenn ich hinten liege, ist hinten vorne.«

Im Vordergrund: Edmund Stoiber

Aber mit dem Standpunkt ist das seit jeher so eine Sache beim christsozialen Herausforderer. Wie üblich liefert stoiber.de den Beweis. Ein vordergründig unscheinbares Foto aus der schwarzweißen Jugend Edmund Stoibers. Bildunterzeile: »Ein ausgezeichneter Schüler? Nein, wirklich nicht! (im Vordergrund Edmund Stoiber)«. Auf dem Foto ist aber niemand zu sehen außer dem jungen Herausforderer, blond und mit undefinierbarem Haarschnitt. Er steht mutterseelenallein vor einer Hecke und hinter einer Tischtennisplatte ...

»Sommerjacke Stoiber« für nur 42, 67 Euro

Auf stoiber.de verweist übrigens auch der CSU-Werbemittelshop der Bavaria Werbe- und Wirtschaftsdienste GmbH in Person von »Herr Wilhelm Graf«. Den Herausforderer gibt es auf Tassen und Feuerzeugen, auf Mützen und in seinem Buch »privat«. Besonders geeignet für laue Sommerabende ist jedoch nur eine, und zwar die »Sommerjacke Stoiber«, beispielsweise in Größe M für 42,67 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Dabei handelt es sich um einen »blauen Windbreaker mit Kapuze im Kragen, mit Unterschrift Edmund Stoiber«. Außerdem: »www.stoiber.de, Stickerei in silber auf der linken Brust«. Das sieht nicht schlecht aus, will aber so gar nicht passen zur prallblauen Basketballmütze.

Über Geschmack lässt sich übrigens trefflich streiten. Nicht aber über die »schöne Geste« von Yokohama, die dem bekennenden FC-Bayern-Fan auf der Ehrentribüne zuteil wurde. »Kein Geringerer als Brasiliens Fußballlegende Pelé legte tröstend einen Arm um Stoiber.« Und: »Den anderen Arm riss Pelé freilich zum Jubel über den Sieg seiner Landsleute hoch.« Dabei handelt es sich um jenen Pelé, der schon anlässlich der WM-Auslosung ausgelassen »einen Arm um« die Popdarstellerin Anastacia legte und seine Stielaugen im Dekolletee der vollbusigen Sirene versenkte.

Pünktlich in Yokohama

Zum Endspiel in Yokohama soll der lichtblonde Kanzleranwärter pünktlich gewesen sein. Klar, Pelé wartete ja. Sechs Tage vorher hatte er das nicht nötig, trödelte wo auch immer herum und traf erst zur 39. Minute des Kicks ein. War ja nur in Berlin, war ja nur Jugend für Stoiber (nachzulesen unter »News« auf stoiber.de), war ja nur Achtelfinale. Wenn sich das mal nicht rächt. Würde Günter Netzer sagen.

Thomas Hirschbiegel, H+A Medien

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