Die Kernfusion ist ein ewiger Hoffnungsträger. Die theoretischen Grundlagen wurden in den frühen 1950er Jahren gelegt. Doch in der Praxis mühte man sich ab und erreichte wenig. Denn technisch war es außerordentlich schwer, Bedingungen, wie sie auf der Sonne herrschen, in einem Reaktor auf der Erde zu erzeugen. Doch in den letzten Jahren erreichen die Forschungsreaktoren immer neue Rekorde. Auch Chinas "künstliche Sonne" stellte gerade einen neuen auf, laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua lief das System ganze 1056 Sekunden lang bei hoher Plasmatemperatur.
Bislang unerreichter Zeitraum
Vom Typ her handelt sich bei EAST um einen Tokamak-Reaktor in der Form eines Donuts. Das Prinzip dieser Tokamak-Reaktoren wurden von sowjetischen Wissenschaftlern entworfen. Im Innerenn des Donust kreist das Plasma.
Es simuliert eine Umgebung ähnlich der Sonne, um eine kontinuierliche Fusion zu erreichen. Nur muss in den Reaktoren die Temperatur des Plasmas weit höher sein als auf der Sonne, da man auf der Erde keinen vergleichbaren Druck aufbauen kann; die Hitze muss diesen Mangel ausgleichen. Doch was in der Theorie als elegante Lösung erschien, erwies sich in der Praxis als außerordentlich kompliziert. Erst seitdem man supraleitende Magneten einsetzt, gibt es spürbare Fortschritte.
Im Dezember 2020 wurde die aktuelle, verbesserte Version von EAST in Betrieb genommen. Der Reaktor wurde nun so konzipiert, dass seine Heizleistung schrittweise ausgebaut werden kann. Eine weitere Besonderheit sind seine supraleitenden Spulen. Im Mai 2021 stellte er bereits einen weiteren Rekord auf, als er 101 Sekunden lang bei einer Temperatur von 120 Millionen Grad Celsius arbeitete. Nun sind es 1056 Sekunden. In den nächsten Schritten wird man versuchen, die Dauer des Hochtemperaturbetriebes zu verlängern und die Temperatur auf 200 Millionen Grad zu erhöhen,
Minimal noch 30 Jahre
EAST ist eines von mehreren Kernfusionsexperimenten rund um den Globus, die mithilfe von Tokamak-Reaktoren die Reaktion von Sonne und Sternen nachahmen sollen. Kernfusion entsteht, wenn zwei Atome miteinander verschmelzen und einen schwereren Kern bilden, wobei enorme Energiemengen freigesetzt werden. Trotz der aktuellen Fortschritte wird die Kernfusion in Tokamak-Reaktoren die aktuellen Energieprobleme nicht lösen können. Lin Boqiang, Direktor des China Center for Energy Economics Research an der Xiamen University, sagte, es werden noch etwa 30 Jahre dauern, bis eine "künstliche Sonne" im Normalbetrieb ans Netz gehen könne. "Auch die Angabe von 30 Jahren ist sehr sportlich, da die kommerziellen Reaktoren noch konzipiert und gebaut werden müssten.
Zu den weiteren Reaktoren gehören der von Bill Gates unterstützte SPARC des MIT und der südkoreanische KSTAR, der kürzlich einen Rekord aufstellte, indem es ein superheißes Plasma 30 Sekunden lang bei einer Million Grad hielt. Das von Bill Gates unterstützte SPARC-Experimentierunternehmen Commonwealth Fusion Systems konnte im September einen Magneten testen, der mit einer Magnetstärke von 20 Tesla betrieben wird und dabei nur etwa 30 Watt Energie verbraucht. Diese Forschung an sparsamen Magneten dürfte genauso wichtig wie die hohen Temperaturen für diese Form von Fusionsreaktoren sein. Denn bislang verschlingen sie alle mehr Strom, als sie liefern.
Vorbild H-Bombe
Neben den Großanlagen der Tokamak-Bauweise zu denen auch der europäische ITER gehört, gibt es weltweit zahlreiche Start-ups, die Fusionsreaktoren bauen wollen. Sie folgen einem anderen Weg. Ihr Vorbild ist nicht die Sonne, sondern die Wasserstoffbombe. Es soll keine kontinuierliche Fusion von Atomkernen geben. Der Beschuss mit Teilchen soll eine Abfolge von Mini-Explosionen ermöglichen, dafür müsste man nicht den komplizierten und teuren Donut bauen, dessen Magnete das Plasma bändigen sollen. Sollte so eine Entwicklung glücken und der Sprung vom Laboraufbau in einen Versuchsreaktor gelingen, könnte ein kommerzieller Reaktor bereits in den 2030ern in Betrieb gehen.
Anmerkung: Das ist eine korrigierte Version. Im ursprünglichen Artikel fanden sich Umrechnungsfehler.