Weiße Tücher verhängen Wände und Gänge im Business Design Centre im Stadtteil Islington, Nordlondon, und die Atmosphäre ist ein bisschen verhuscht. Wie die Gäste einer seltsamen Hochzeitsveranstaltung sammeln sich die Eingeladenen und streben in die Halle mit der großen Leinwand. Dort wird die wohl seltsamste Werbeveranstaltung unserer Zeit übertragen, live aus San Francisco, Kalifornien: die Präsentation neuer Produkte von Apple.
Erst einmal wird es geschäftlich. Pascal Cagni, Europa-Chef von Apple, präsentiert auf der Bühne Zahlen aus Europa. Fünf neue Geschäfte werden sie bald eröffnen, darunter einen großen Flagship-Store in München. Zwei Millionen Mac-Computer hat Apple im vergangenen Jahr in Europa verkauft, das sind fast fünfzig Prozent mehr als im Jahr zuvor. Marktanteil über 20 Prozent, Tendenz steigend. Und einer der größten Erfolge in Europa, so verkündet es Cagni auf der Bühne vor der großen Leinwand, ist der Wechsel der Axel-Springer-Verlags-Gruppe ins Apple-Lager. Tausende Mac-Computer wird das Verlagshaus in den nächsten Monaten anschaffen, sagt Cagni: "Wir glauben, dass dies einer der Domino-Steine sein könnte, die uns noch mehr wirklich große Kunden bescheren wird." Es sei nicht nur ein Wechsel des Computersystems bei Axel-Springer, sondern eine wahre kulturelle Veränderung. Die Welt wird Apple, heißt die Botschaft.
"Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben"
Soweit, so wunderbar. Und dann kommt Er, lebensgroß direkt aus San Francisco, und das Licht geht aus. "Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben" steht auf der Leinwand auf der in Schwarz gehaltenen Bühne irgendwo auf der anderen Seite der Erde. Und das, verkündet Steve Jobs, Apple-Botschafter, ist alles, was er zu diesem Thema zu sagen hat. Hager sieht er immer noch aus, manchmal räuspert er sich, hustet ein bisschen. Gerüchte über den Gesundheitszustand des Apple-Chefs hatten nach der letzten Präsentation den Aktienkurs einbrechen lassen.
Es folgen mehr Zahlen: 8,5 Millionen Lieder gibt es inzwischen auf iTunes, 160 Millionen iPods sind seit dessen Einführung verkauft worden. "Musik ist unsere Leidenschaft", sagt Steve Jobs. Und dann präsentiert er das Goldstück dieser Präsentation, den neuen iPod Nano in vielen bunten Farben, schön dünn, mit leicht geschwungenem Glas vor dem Bildschirm. Es ist der dünnste iPod, der je hergestellt wurde, sagt Jobs. Außerdem kann man ihn schütteln, und er springt zum nächsten Lied. Schön sieht er aus, der kleine Musikspieler, und ist auch noch frei von Quecksilber und PVC, wie Jobs verkündet. In den USA werden 8 Gigabyte 149 Dollar kosten, 16 Gigabyte 199 Dollar.
Werbeshow mit Kultcharakter
In San Francisco begleiten die Zuschauer jede Ankündigung von Jobs mit einer Runde Applaus. Genius, das neue Gimmick, das die perfekte Playlist zu einem Lied zusammenstellt, automatisch, mit einem Click - ganz lauter Applaus. Neue Spiele für den iPod Touch - Wow-Rufe aus den Tiefen des Raumes. Die neue Software für das iPhone, ab Freitag erhältlich, die das Synchronisieren mit dem Computer extrem beschleunigt - Yeah-Ausbrüche im Publikum. In London bleibt alles still. Erst bei der Präsentation der neuen iPod-Farben geht ein leichtes Raunen durch den Saal.
Und dann kommt der Musiker Jack Johnson mit Gitarre auf die Bühne, und es ist schon fast alles vorbei. Es ist ein erstaunlicher Aufwand für die Bekanntgabe eines neuen Modells einer altbekannten Produktreihe, für ein paar neue Farben und neue Spielen und bessere Batterien. Aber es ist eben Apple, die Firma, die es geschafft hat, ihre Werbeveranstaltungen zum Kult werden zu lassen. Und man muss zugeben: Der neue iPod Nano wirkt noch etwas eleganter, dünner und einfach begehrenswerter.