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Umwelt Die Öl-Konzerne wittern das neue Riesengeschäft – und setzen voll auf Plastik

2021 tritt das Verbot von Einweg-Plastik wie Strohhalme in Kraft
2021 tritt das Verbot von Einweg-Plastik wie Strohhalme in Kraft
© Monrudee / Getty Images
Plastik wird in den letzten Jahren vermehrt als Umweltgefahr gesehen. Trotzdem wird der Kunststoff kaum verschwinden. Die Ölkonzerne wollen die Produktion noch massiv erhöhen - und Schuld ist das Fracking.

Die Einwegflasche wird in der Plastiktüte nach Hause gebracht, mit dem Strohhalm leer getrunken und dann in der Mülltüte entsorgt. Was früher normal war, ist heute undenkbar. Der sorglose Umgang mit Plastik ist in den letzten Jahren schwer in Verruf gekommen, immer mehr Menschen versuchen, auf Wegwerf-Plastik zu verzichten. Dabei könnte der wahre Plastikboom erst noch kommen.

Denn die Ölkonzerne sehen im Kunststoff die Lösung für ein großes Problem. Beim in den letzten Jahren zunehmend eingesetzten "Fracking", also den Abbau von unterirdischen Ölvorkommen durch Wasserdruck, werden als Nebenprodukt auch immer größere Mengen von Erdgas gewonnen. Während dadurch die Reserven steigen, bleiben die Preise niedrig. Das aufwendige Fracking wird zum Verlustgeschäft. Also setzen die Öl-Konzerne wie Shell, Saudi Aramco und Exxon Mobil massiv auf die Produktion von Plastik, berichtet das Universitäts-Projekt "Yale Environment 360".

Plastik als das Wachstumsgeschäft

"Während sich die Welt immer weiter von fossilen Brennstoffen als Energiequelle entfernt, sehen die Konzerne dort die Möglichkeit, zu wachsen", erklärt der Umweltanwalt Steven Feit dem Magazin. Vor allem das beim Fracking mit abgebaute Ethangas sei für diese Entwicklung verantwortlich. Es wird für die Kunststoff-Produktion als Ethylen weiterverarbeitet. "Sie suchen nach einem Weg, damit Geld zu verdienen", erklärt Feit. "Plastik wird so zu einer Art Subvention für Fracking."

Wie wichtig die Konzerne den Markt empfinden, zeigt das Investitionsvolumen: Mehr als 200 Milliarden Dollar steckten die Erdölkonzerne alleine in den USA zwischen 2010 und 2018 in 333 Plastik- und Chemiefabriken, Ausbauten vorhandener Anlagen und Infrastruktur wie Pipelines. Shell baute etwa für sechs Milliarden Dollar eine neue Anlage in der Nähe von Pittsbourgh, die bald bis zu 1,6 Millionen Tonnen Plastik im Jahr herstellen soll. 

Umweltschützer sehen die Entwicklung als Katastrophe. "Wir sind sehr kurz vor dem Punkt, an dem wir nicht mehr umdrehen können", klagt Judith Enck, die früher die US-Umweltschutzbehörde leitete und heute eine Firma betreibt, die Plastik ersetzen will. "Wenn auch nur ein Viertel der Anlagen zur Ethan-Aufspaltung gebaut werden, sehen wir einer Zukunft des Plastiks entgegen, von der wir uns kaum noch erholen werden."

Die Welt gegen Plastik

Die Entwicklung kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich die Welt immer mehr gegen die Plastikberge aufbäumt. Bei vielen Konsumenten wächst das Bewusstsein der Auswirkungen von Wegwerfprodukten aus Plastik auf die Umwelt, in der EU sind ab nächstem Jahr viele Plastikprodukte wie Strohhalme, Wattestäbchen oder Styroporverpackungen für Speisen verboten. Selbst das nicht gerade für seine Umweltfreundlichkeit bekannte Chinahat dem allgegenwärtigen Plastik mit Verboten den Kampf angesagt.

Der Kampf gegen Plastik erfolgt nicht grundlos. Die Kunststoffe lösen sich in der Natur nicht auf, verseuchen so Meere und Landschaften. Bei der Produktion - und auch bei der Verbrennung - entstehen Treibhausgase, die den Klimawandel befeuern. Selbst Recycling kann die Plastikkrise nicht völlig eindämmen: Die Wiederverwertung vieler Materialien ist aufwendig. Vor allem seit China sich weigert, die Unmengen Plastikmüll aus dem Westen zu verarbeiten.

Plastik bleibt

Trotzdem wird Plastik kaum aus unserem Alltag verschwinden können. Die Kunststoffe sind robust, leicht und flexibel, haben daher Unmengen von Einsatzfeldern, in denen sie nicht oder nur schwer zu ersetzen sind. "Diese Materialien behalten einen Mehrwert in Anwendungen, die unsere Gesundheit oder die Gesellschaft schützen", erklärt Keith Christman, ein Manager des American Chemistry Council, dem Magazin. Der Industrieverband vertritt die Interessen der Chemie-Konzerne in den USA und vertritt unter anderen auch Exxon Mobile. "Es geht um den Zusammenhang. Wenn man kein Plastik verwendet, stellt sich die Frage: Was nimmt man dann?" In vielen Fällen seien Alternativen wie Metalle oder Glas mit eigenen Problemen behaftet. "Aus unserer Sicht ist Plastik in den meisten seiner Formen etwas Gutes und hilft der Menschheit", rechtfertigte Shell-Sprecherin Hilary Mercer den Fabrik-Neubau gegenüber der "New York Times" .

Die Prognosen zum Wachstum der Branche dürften Plastikfeinde erschrecken. "Trotz der Gegenmaßnahmen legt Plastik kräftig zu", erklärt Peter Levi, der für die Internationale Energieagentur einen Bericht zur Petrochemie vorgelegt hat. Jährlich wächst die weltweite Plastik-Produktion dem Bericht zufolge um vier Prozent, in den nächsten 20 Jahren soll sie sich verdoppeln.

Die Befürchtung der Kritiker ist, dass sich diese Entwicklung nach dem Bau der neuen Anlagen kaum noch aufhalten lassen wird. "Die Sorge ist, dass sich die Hersteller einfach immer neue Nutzungen ausdenken, um ihr Plastik in den Markt zu bekommen", fasst Feit zusammen. "Sie werden einfach etwas Neues finden, das man in Plastik einwickelt."

Quelle: Yale Environment 360, New York Times

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