Expedition Flieger unter Eis

Von Jana Seidel
Ein Team von Flugzeugenthusiasten möchte in Grönland fünf P38-Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg bergen. Ein schwieriges Unterfangen, denn die Maschinen liegen unter einer Schicht aus Schnee und Eis. Und die ist 100 Meter dick.

Er habe schon viel Verrücktes gemacht, aber "so etwas" noch nicht, sagt Flugzeug-Enthusiast Dieter Herrmann. Er meint damit sein Projekt "Lost Squadron Recovery", mit dem er ab Mai fünf historische Flugzeuge aus dem Eis Grönlands holen will, wo die Flieger in 100 Metern Tiefe liegen.

Eine 100 Meter dicke Schneedecke muss sein internationales Team überwinden, um zu den Maschinen zu gelangen. Die wurden von ihren notgelandeten Piloten während des Zweiten Weltkriegs im Osten der Arktischen Insel zurückgelassen. Ursprünglich waren es sechs P-38-Flugzeuge, aber eines von ihnen, "Glacier Girl", wurde bereits 1992 aus damals "nur" 60 Metern Tiefe geborgen und ist inzwischen wieder in Flug-Shows zu sehen.

Journalist und Abenteurer

Fasziniert beobachtete Dieter Hermann (56), Leiter und Initiator des "Lost Squadron"-Projekts, damals das Geschehen. Er beschloss, die übrigen fünf Maschinen für die Nachwelt zu retten. Früher hat Hermann Flugtechnik studiert, überflog als Pilot von Passagiermaschinen Südamerika und Europa. Das langweilte den abenteuerlustigen Familienvater irgendwann, und er wechselte zum Journalismus, der sich als seine eigentliche Berufung herausstellte. Inzwischen arbeitet er seit 15 Jahren als Auslandskorrespondent und Chef vom Dienst bei Deutsche Welle TV. Seine Motivation für das neue Vorhaben fasst Hermann in einfache Worte: "Ich finde es einfach unglaublich spannend" - nicht nur das Bergungsabenteuer, sondern auch die Geschichte der Maschinen.

Als die Engländer im Hochsommer 1942 im Kampf gegen Hitler zu verzweifeln drohten, schickten die Amerikaner zwei Bomber und sechs der Lockheed-Flieger zur Hilfe: Die "Operation Bolero" startet am 7. Juli 1942 im US-Bundesstaat Maine. Das Wetter ist schlecht, sehr schlecht. Die Piloten halten durch - bis zur Dänemark-Straße zwischen Grönland und Island. Der Flughafen in Island ist wegen Nebels geschlossen, erfahren sie da per Funk. Erst viel später zeigt sich, dass der Funkspruch falsch war. Vermutlich wurde er von einem deutschen U-Boot gesendet. Die Piloten müssen umkehren. Aber im hohen Norden sind die damaligen Navigationsgeräte, die Sextanten unzuverlässig. Die Piloten kommen vom Kurs ab, der Treibstoff wird knapp. Es bleibt nur noch die Notlandung auf dem Inlandeis Grönlands. Die Männer, allesamt unverletzt, werden von einem Kutter der US-Navy geborgen. Die Maschinen bleiben dort zurück, der Witterung ausgesetzt und werden nach und nach von immer mehr Schnee begraben.

Unbeschädigte Flugzeuge im Packeis

Nach Berechnungen der Universität Reykjavik sollen die "Lightnings" trotz der Schneemasse über ihnen in ihrer Struktur unbeschädigt sein. Da die Jagdflugzeuge relativ stark gepanzert sind, könnten sie dem Druck der Schneemassen standhalten, ohne zerquetscht zu werden. So wäre nach der Bergung eine Restaurierung möglich, und die Maschinen könnten anschließend sogar wieder ihr Flugfähigkeitszeugnis erhalten.

Mit heißem Keil zum Flieger

Mit einer doppelwandigen, etwa sechs Meter breiten Keilkonstruktion sollen die Flugzeuge aus den Schneemassen, die sie bedecken, geschmolzen werden. Ein noch unerprobtes, umweltfreundliches Verfahren: Zwischen Innen- und Außenwand wird der Keil beheizt. Durch die Wärme und das eigene Gewicht sinkt der Keil nach und nach 100 Meter tief in den schmelzenden Schnee über dem jeweiligen Flugzeug. Dabei entsteht Schmelzwasser, das recycelt wird, um das Gerät erneut zu beheizen. Sobald der Weg zum Flugzeug geebnet ist, fahren die Mitarbeiter in einem Tonnenlift hinunter, um in der Tiefe den Schacht um das Flugzeug zu erweitern. In der entstandenen Höhle wird die P-38 zerlegt und anschließend an die Oberfläche befördert. Voraussichtlich 2,5 Millionen Euro soll die Bergung der fünf Maschinen kosten. Sponsoren werden noch gesucht. Bis Ende April 2008 soll alles für die Bergung vorbereitet sein, damit die Arbeiten in der zweiten Maiwoche beginnen können. Bis spätestens Mitte Oktober muss das Projekt abgeschlossen sein. Denn dann beginnt der arktische Winter mit seiner anhaltenden Dunkelheit und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt.

Das nächste Abenteuer ist schon in Planung, verrät Hermann: "In einem großen Binnensee in Afrika liegt in 60 Meter Tiefe ein großes Schiff. Das würden wir gerne hochholen."

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