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Krieg in der Ukraine MGM-140 ATACMS – Joe Biden erwägt die Lieferung taktischer Raketen

Diese Rakete wird von einem Kettenfahrzeug M270 abgefeuert.
Diese Rakete wird von einem Kettenfahrzeug M270 abgefeuert.
© US Army
Seit über einem Jahr verlangt Kiew nach "ATACMS", nun sagte US-Präsident Joe Biden erstmals, dass die Lieferung eine denkbare Möglichkeit wäre. Doch was verbirgt sich hinter dem Buchstabenkürzel ATACMS und warum ist das System so wichtig?

US-Präsident Joe Biden sagte vor einigen Tagen, dass die ATACMS  jetzt "im Spiel" seien, ihre Lieferung nach mehr als einem Jahr also erwogen wird. Die Buchstaben stehen für das "Army Tactical Missile System" – Taktisches Raketensystem der Armee. Das "S" steht übrigens nicht für den Plural, sondern für das System. "Taktisch" ist ein Hinweis auf die Reichweite. Sie liegt unterhalb der Schwelle für eine Mittelstreckenrakete, deren Stationierung bis vor Kurzem von einem entsprechenden Abkommen ausgeschlossen wurde. Die Reichweite von MGM-140 ATACMS beträgt etwa 300 Kilometer. Das russische Gegenstück wäre die Iskander-Familie, deren Raketen aber meist eine etwas größere Reichweite und Nutzlast haben.

Die MGM-140 ist eine ballistische Rakete und kein Marschflugkörper. Marschflugkörper benutzen meist eine niedrige Flughöhe und bewegen sich wie ein kleines Flugzeug. ATACMS ist eine "richtige" Rakete, wie das Urmodell, die deutsche A4 oder auch V2 genannt. Das heißt, sie steigt 50 Kilometer in die Höhe und stürzt dann wieder auf die Erde zurück. Ihre Bahn beschreibt die Form einer Parabel. Anders als die deutsche V2 von Wernher von Braun besitzen moderne ballistische Raketen eine Steuerung, sodass sie im Endanflug ihr Ziel präzise treffen können. In den USA steht das System vor der Außerdienststellung, die Lieferung dürfte daher verschmerzbar sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Raketen von den M142-HIMARS-Fahrzeugen gestartet werden können, die bereits in der Ukraine im Einsatz sind. Anders als die bisherigen Raketen der Werfer ist die MGM-140 vier Meter lang und hat einen Durchmesser von 610 Millimetern. Sie wird von einer Box aus gestartet. Von außen gleicht die Box denen, mit denen die Himars-Werfer auch Raketen geringerer Reichweite verschießen, und die bereits in der Ukraine sind.

Wozu wäre die MGM-140 gut?

Mit der neuen Waffe könnte Kiew Ziele weit im Hinterland der Front angreifen und so die russische Versorgung behindern. Das können auch Missiles wie die "Storm Shadow" sein. Doch mit den MGM-140 müsste sich die russische Verteidigung auf zwei sehr unterschiedliche Bedrohungen einstellen, auf Missiles mit flacher Bahn und steil anfliegende Raketen. Schon mit den Drohnenangriffen in Russland fordert Kiew die russische Luftverteidigung heraus. Diese Angriffe haben eine PR-Komponente, teilweise richten sie auch Schaden an. Aber selbst dann, wenn alle Drohnen abgefangen werden, erfüllen sie ihren Zweck, weil sie Moskau zwingen, immer mehr mögliche Ziele und Anflugrouten zu schützen. Die russische Luftabwehr kann sich nun nicht mehr allein auf die Kriegsgebiete in der Ukraine konzentrieren. Ballistische Raketen wären eine weitere Herausforderung. Ähnlich sieht es bei den russischen Angriffen auf Kiew aus. Westliche Systeme schützen die Hauptstadt effektiv, das bedeutet aber auch, dass sie nahe der Front fehlen.

Nicht jede Rakete trifft 

Zugleich zeigt dieser Krieg, dass Fernwaffen jeder Art abgefangen werden können. Als diese Systeme entwickelt wurden, war es praktisch kaum möglich, sie in der Luft zu zerstören. Anders heute, es wird zunehmend anspruchsvoller, wertvolle Ziele zu treffen und zu vernichten, weil ein guter Teil der Missiles und Raketen das Ziel nicht erreicht. Kiew kann also gar nicht genug Fernwaffen erhalten.

Und dann hat die ATACMS einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie benötigt keinen Jet zum Start, sondern nur einen großen Allrad-Lkw. Der logistische Aufwand für einen Himars-Starter ist sehr viel kleiner als der, den ein Kampfjet verursacht. Dazu kann der Starter in jeder größeren Gewerbehalle versteckt werden und muss dann nur ein Stück auf der Straße fahren. Nachdem die Raketen abgefeuert wurden, kann er sich wieder verstecken. Ein Jet exponiert sich sehr viel mehr in der Flugphase und kann dann von anderen Jets oder Luftabwehrraketen angegriffen werden. Dazu benötigt er einen Flugplatz und wenn es auch nur eine improvisierte Bahn auf einem Autobahnabschnitt ist. Die Standorte der Jets sind daher viel leichter auszumachen und zu bekämpfen. Russland behauptet derzeit, dass man vier der Flugzeuge, mit denen Kiew die Storm Shadow gestartet hat, auf ihrer Basis am Boden zerstören konnte.

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