Erneut konnte die Ukraine ein russisches Schiff versenken. Keine 14 Tage nach dem Verlust der Raketenkorvette "Ivanovets" wurde nun das Landungsschiff "Caesar Kunikow" von einem Schwarm ukrainischer Wasserdrohnen angegriffen und versenkt. Die "Caesar Kunikow" ist kein kleines Sturmboot, sondern ein Schiff von 112 Metern Länge. Sie gehört zur Ropucha-I-Klasse beziehungsweise der Baureihe Projekt 775. Gebaut wurde die "Caesar Kunikow" für große amphibische Landungen. Sie kann zehn Kampfpanzer und 340 Infanteristen an Land setzen. Derzeit transportieren diese Landungsschiffe militärischen Nachschub auf die Krim.
Das Schiff – "Caesar" – wurde nicht nach einem römischen Kaiser benannt, sondern nach einem Helden der Sowjetunion, der während der Kaukasuskämpfe die sowjetische Landung im "kleinen Land" befehligte. Die Kämpfe um den Brückenkopf sind gut bekannt, weil Leonid Breschnew als junger Mann an ihnen teilnahm, wenn seine Rolle später auch mächtig ausgeschmückt wurde.
Angriff mit mehreren Drohnen
Ein Video der ukrainischen Gruppe 13 zeigt den Angriff mehrerer Drohnen vom Typ Magura V5 aus verschiedenen Richtungen. Ein ähnliches Vorgehen wie bei der "Ivanovets". Die Annäherung aus verschiedenen Richtungen erschwert die Abwehr. Ziel ist es, mit ersten Treffern das Schiff manövrierunfähig zu machen, sodass es nicht mehr fliehen kann. Weitere gezielte Einschläge sollen es dann versenken. Auch ein Hinweis auf die begrenzte Wirkung eines Bootes, ein Treffer reicht nicht aus, um eine ganze Sektion eines Schiffes zu zerfetzen.
Die Besatzung der "Caesar Kunikow" scheint die Drohnen nicht bemerkt zu haben. Die Wache der "Ivanovets" versuchte noch, die Angreifer mit Maschinengewehren zu bekämpfen, wenn auch ohne Erfolg. Von der "Caesar Kunikow" ist keine Gegenwehr zu beobachten. Das Video ist allerdings geschnitten. Beide Schiffe konnten die nahenden Drohnen offenbar nicht mit dem Radar ausmachen. Bei den Magura Drohnen handelt es sich nicht um U-Boote. Dennoch sind sie so gebaut, dass sie kaum aus dem Wasser herausschauen. Dadurch sind sie in der Nacht visuell kaum auszumachen. Und sie werden nicht von Radar entdeckt. Die kleinen Aufbauten werden mit einer Beschichtung versehen, die den Radarstrahl schluckt und nicht reflektiert. Das macht die Drohnen so gefährlich, auch moderne Schiffswaffen zur Verteidigung im Nahbereich sind hilflos, wenn sie kein Ziel erfassen können. Hinzu kommt, dass auch ein glücklicher Abwehrtreffer wenig hilft, wenn mehrere Drohnen angreifen. Anders als manche Medien berichten, handelt es sich bei der Magura um ein Boot und nicht um einen Skimmer – das wäre ein extrem tieffliegender Marschflugkörper.
Verluste summieren sich bedrohlich
In der letzten Zeit sahen wir allein russische Verluste. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Russen die ukrainische Marine zu Beginn der Invasion ausgeschaltet haben und Kiew nun mangels Masse kein Schiff mehr verlieren kann. Den Ukrainern gelingt es seit 2022 in regelmäßigen Abständen, russische Schiffe zu versenken oder zu beschädigen. Wobei Beschädigung ein weites Feld ist, es reicht von "praktisch nicht mehr wiederherzustellen" bis zu leichten Schäden. Und Schiff ist nicht gleich Schiff. Am unteren Ende der russischen Verluste rangieren die Patrouillenboote der Raptor-Klasse, mit etwa 17 Metern Länge sind sie kaum größer als Sportboote. Am anderen Ende der Skala befindet sich der schmerzhafteste Verlust der Russen: der schwere Raketenkreuzer Moskwa, am 13. April 2022. Dazwischen liegen Landungsschiffe und Korvetten. Sogar ein U-Boot wurde in einer Werft schwer beschädigt. Die Verluste und die schwer beschädigten Schiffe addieren sich auf acht kleine Einheiten (Patrouillenboote, Sturmboote), drei Korvetten, ein U-Boot, vier Landungsschiffe und einen schweren Kreuzer.
Kiew setzte dabei Cruise-Missiles und in letzter Zeit verstärkt Wasserdrohnen ein, ferngesteuerte kleine Boote, die kaum aus dem Wasser herausschauen und dann ein anderes Schiff rammen, um dort zu explodieren. Die Wasserdrohnen können ein bewegliches Ziel auf der See treffen, dazu bieten sie einen weiteren Vorteil. Im Falle eines Fehlschlages gehen nur die billigen Drohnenboote verloren. Sollen Missiles wie Storm Shadow das Ziel treffen, wird der Einsatz ungleich komplizierter. Zunächst muss die Luftverteidigung aufgeklärt werden. Für wirkliche erfolgreiche Angriffe mussten dann in der Vergangenheit zunächst Einrichtungen der russischen Luftabwehr ausgeschaltet werden. Vor dem eigentlichen Ziel werden also weitere Vorbereitungsangriffe geflogen. Dabei müssen sich stets Jets exponieren, die die Missiles tragen. Sie laufen jedes Mal Gefahr, abgeschossen zu werden.
Tödliche Gewässer
Diese Erfolge werden den Kriegsverlauf nicht verändern. Sie werden die russische Marine aber aus dem westlichen Teil des Schwarzen Meeres verjagen. Regelmäßige Verluste, denen kein Gewinn gegenübersteht, sind für Moskau sinnlos. Das heißt aber auch, dass die Seerouten zur Versorgung der Krim ausfallen und alle Güter über die Krim-Brücke transportiert werden müssen. Ohne russische Schiffe besteht die Hoffnung, die Route für Handelsschifffahrt in die Ukraine wieder freizubekommen und so den Getreideexport anzukurbeln. Russland kann jedoch die Lagerstätten und Verladestationen angreifen und zerstören. Die Drohnenangriffe sind wirksam, doch kann Kiew sie kaum ohne die USA durchführen. Es ist davon auszugehen, dass die Zielerfassung von den USA übernommen wird. Und auch in dieser Form der Kriegsführung gilt demnach: Kiew kann exakt so weit springen, wie Washington die Leine freigibt.
Wie schon bei der "Ivanovets" fällt die Hilflosigkeit des Kampfschiffes auf. Doch sollte der Jubel im Westen verhalten ausfallen. Diese Drohneneinsätze werden sich alle Länder genau ansehen, die fürchten, von einer übermächtigen Marine angegriffen zu werden. Was Kiew zuwege bringt, ist auch für Russland, den Iran oder Nordkorea nicht unerreichbar. Letztlich ist jeder Staat mit einer Rüstungsindustrie in der Lage, derartige Drohnen zu bauen. Brasilien, Türkei und Südafrika zum Beispiel. Die Macht der USA stützt sich auf die Herrschaft zur See, auf die Flotte. Billige Innovationen, die selbst Großschiffen zusetzen, könnten die weltweite Machtprojektion der Vereinigten Staaten gefährden. Es wäre durchaus denkbar, dass schon bald Huthi-Drohnen US-Kriegsschiffe im Roten Meer bedrohen.