Rhabarberdreisprung – wir bereiten die Stangen als munteren Begleiter gegrillter Makrelen, als Erregungsfaktor zur Lammschulter sowie, klassisch, im Bettduett mit frischem Pudding. Vor der Praxis etwas Theorie: Rhabarber kommt uns ja meist banal und hiesig vor, aber hinter ihm steckt mehr als nur krasse Säure und ein pelziges Mundgefühl. Wir sprechen von seinen Stangen, dabei sind es Petiolen, die Blattstiele einer Pflanze, deren wolkiges Geblätter wegen seines Oxalsäuregehalts giftig ist. Die Wurzel dieser Pflanze wurde einst aus Zentralasien importiert, um den fleischversessenen und notorisch verstopften Briten (Beefeaters) ein Laxativ zu sein. Rha heißt Wurzel (von lat. radix), barber kommt wie beim Barbarenbart von den wildfremd Unrasierten, den Barbaren. Rhabarber bedeutet: Wurzel der Barbaren, und als es die Briten satthatten, sie für teures Geld und bei Risiko des Schiffsverlusts zu importieren, gingen sie daran, sie selbst zu züchten. Rhubarb is so English!
Die Säure des Rhabarbers ist schneidend herb und verträgt viel Süßigkeit und Fett, besonders Butter. Versuchen Sie die Stangen aber auch einmal zu Makrele oder Lachs – beide gegrillt. In der Normandie wird zur Grillmakrele ein Stachelbeerkompott gereicht – das funktioniert ähnlich gut auch mit Rhabarber.
Frische Makrelen (pro Esser eine) beim Fischerfiletieren lassen und auf der Haut, lediglich gesalzen, grillen. Dazu ein Kompott von Rhabarber servieren, für das vor dem Anwerfen des Grills 800 g Rhabarberstücke mit 250 g Zucker und 250 g Grenadinesirup über mittelstarker Hitze ca. 90 Minuten geköchelt werden, bis die Menge in etwa auf 700 g reduziert ist.
Weitere 500 g rohe Rhabarberstücke pürieren (Küchenmaschine, oder raffeln), durchs Spitzsieb pressen, Saft auffangen (ergibt 400 ml). Feststoffe entsorgen.
Das Rhabarberkompott durchs Sieb streichen, das Kompott vorm Servieren mit 100 ml Frischsaft pimpen und die Grillmakrelen damit würzen, so wie man ein Kotelett mit Senf auf Höhe bringt.
Auch pur ist dieses Rhabarberkompott – ich fand das Rezept bei Heston Blumenthal – so lecker, dass ich es fast als Rhabarberkomplott bezeichnen möchte, als Verschwörung wider die Hüften. Essen Sie es zuQuark, rühren Sie es in Ihren Joghurt, oder bedecken Sie damit einen New York Cheese Cake. Was mit den Resten tun? Die Kompott-Rückstände aus dem Sieb sind nutellacremig und schmecken wunderbar auf Weizenröstbrot. Der übrige frische Rhabarbersaft lässt sich mit Buttermilch und frischer Minze mixen und ist sehr erfrischend.

Rhabarber ziert auch zarte Schultern
Nun zur Lammschulter, die entbeint gehört. Hat man einen türkischen Metzger, erledigt der das; bei ihm kann man übrigens auch Hals finden, als Schmorfleisch ist Hals fast noch besser als Schulter! Und er ist spannender, denn dem Meister beim Entbeinen eines Halses zuzusehen hat was.
Wir brauchen 500 g Fleisch, gewürfelt. 2 Zwiebeln würfeln, in 2 EL Öl glasig braten und mit 1 EL Kurkuma (Gelbwurz) und 1 EL Ingwer (beides Pulver) bestreuen.
Das Fleisch zugeben und 5 Minuten unter gelegentlichem Rühren braten, dann 1 EL Granatapfelsirup (Nar Eksisi, beim Türken, ersatzweise Balsamico) und so viel heißen Lammfond angießen, dass das Fleisch bedeckt ist, salzen und 90 Minuten schmoren.
Je 1 Bund glatte Petersilie und Minze hacken, in ca. 30 g Butterdünsten und nach 1 Stunde dem Fleisch zufügen. Etwa 10 Minuten vor Garzeitende (wenn das Fleisch die Stichprobe mit einer zarten Fleischgabel fast schon besteht) 3 Stangen Rhabarber in mundgerechte Stücke schneiden und dazugeben – nach dem Einrühren nicht mehr rühren, da die Stücke ihre Formen bewahren sollen. Ist die Konsistenz zu suppig, vorm Zugeben des Rhabarbers 2 rohe Kartoffeln hineinreiben. Dazu Reis servieren.
Zum Rhabarber frischer Pudding
Nach so viel Sturmfahrt auf fernen Ozeanen wollen wir nun in bekannteren Gewässern entspannen – mit einer Rhabarber-Schichtspeise. Die Herausforderung hier ist die Puddingcreme. 1/2 l Sahne und 1/2 l Milch zusammen langsam erhitzen, 2 Stangen Vanille aufschlitzen und auskratzen, Mark und Schoten der Milch zufügen.
Während sie erhitzt, 10 Eigelb mit 200 g Zucker weißcremig rühren.
Erreicht die Sahnemilch den Siedepunkt, fischen wir die Vanillestangen heraus und rühren die Milch in die Ei-Zucker-Masse (nicht umgekehrt!). Danach gießen wir die Mischung in den Topf zurück und erhitzen sie wieder langsam – bis zu einem Punkt. Dieser Punkt ist heikel. Er ist erreicht, wenn die Masse dicklich wird, den Rücken eines Holzlöffels seidig-cremig überzieht und folgenden Effekt zeigt: Wir pusten in die Schicht der Creme, die unseren Löffel überzieht, und sehen, wie sie als Auswirkung der Pusterei so auseinanderläuft, dass ihr Anblick an die Blätter einer erblühten Rose erinnert. Man nennt dies "zur Rose abziehen".
Erhitzen wir zu lang zu stark oder passen wir auch sonst nicht auf, dann wird die Chose Rührei, wir sind traumatisiert und können von vorn anfangen.
Die Masse passieren, unter Rühren abkühlen und abgedeckt kalt stellen.
1000 g Rhabarberwürfel mit dem Saft von 4 Orangen (ca. 200 ml) und 8 EL Zucker für 5–10 Minuten sanft (!) siedend garen, in ein Sieb geben und den Saft in eine Schüssel ablaufen lassen. Rhabarber und Saft getrennt kalt stellen.
Einen "Wiener Boden" kaufen und in Stücke rupfen. 8 bis 10 Dessertgläser im unteren Drittel mit den Biskuitbrocken füllen und mit Rhabarbersaft tränken.
Zu einem weiteren Drittel-Puddingmasse auf die Biskuitbrocken löffeln. Den Pudding mit Rhabarberstücken krönen und mit einer Schicht-Schlagsahne überziehen. Mitgehackten Pistazienbestreut servieren. Dazu ein sanfter Wein.