Klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) soll künftig weit draußen unter der Nordsee im Meeresgrund gespeichert werden können. Der Bundestag machte kürzlich den Weg für die umstrittene Speicher-Technik frei. Nun müssen noch die Bundesländer der Gesetzesänderung zustimmen. Diese CCS-Technik steht am Freitag auf der Tagesordnung des Bundesrats. Ein Überblick dazu, welche Rolle Niedersachsen und Bremen als Nordsee-Anrainer dabei künftig einnehmen könnten – und welche Kritik es gibt.
Was ist CCS?
Es geht es um die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2), das etwa beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entsteht. CCS steht als Abkürzung für "Carbon Dioxide Capture and Storage". Bei dem Verfahren wird CO2 bei Industrieprozessen eingefangen, in den Boden gepresst und eingelagert – etwa im Meeresgrund. So soll verhindert werden, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt und die Erderwärmung beschleunigt.
Wozu braucht man überhaupt CCS?
Das grundsätzliche Ziel ist, den Ausstoß von klimawirksamen Gasen wie CO2 so gut wie möglich zu verringern – Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Allerdings gibt es Branchen, die nach jetzigem Stand der Technik nicht komplett CO2-Emissionen vermeiden können, etwa in der Kalk- und Zementproduktion sowie der Abfallverbrennung. Hier könnte nach Ansicht der Befürworter die CCS-Technik dafür sorgen, dass deren CO2-Emissionen nicht in die Atmosphäre gelangen.
Was spricht dagegen?
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Aus Sicht von Susanne Gerstner, der Landesvorsitzenden des BUND Niedersachsen, ist CCS die teuerste und unsicherste Form von Klimaschutz. Selbst, wenn das angekündigte Potenzial voll ausgeschöpft werde, könne diese Technik bis 2030 nur rund 2,4 Prozent der weltweiten CO2-Reduzierung leisten, sagt Gerstner unter Bezugnahme auf den Weltklimarat. CCS sei damit nur eine Lösung für einen Bruchteil der CO2-Emissionen. Außerdem sei der Energieaufwand sehr hoch, der Stromverbrauch vervielfache sich bei CCS.
Wo genau soll CO2 gespeichert werden können?
Die Gesetzesänderung der Bundesregierung erlaubt, dass die Technik nicht nur wie bisher zu Forschungszwecken, sondern in einem größeren, industriellen Maßstab eingesetzt werden darf. Das Gesetz sieht die Speicherung vor allem unter dem Meeresboden vor – ausgenommen sind Schutzgebiete wie das Wattenmeer und küstennahe Gebiete. Es gibt aber auch eine Klausel, die Bundesländern eine Speicherung an Land ermöglicht, wenn sie das wollen.
Welche Position hat die Landesregierung?
Niedersachsens rot-grüne Landesregierung lehnt so eine Speicherung an Land ab. Ein Sprecher von Umweltminister Christian Meyer (Grüne) weist auf Anfrage darauf hin, dass in Niedersachsen ein Gesetz bereits seit 2015 eine dauerhafte unterirdische Kohlendioxid-Speicherung im gesamten Landesgebiet verbietet. "Daran soll sich auch nichts ändern", teilt der Ministeriumssprecher mit.
Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es zudem zuletzt: "In weiten Teilen Niedersachsens fehlen die geologischen Voraussetzungen, um Kohlendioxid dauerhaft und sicher unterirdisch einlagern zu können." In anderen Gebieten stünden wichtige Belange dem entgegen, etwa touristische Interessen oder Wasserschutzgebiete. Die oppositionelle CDU ist dagegen offen, eine CO2-Speicherung an Land mindestens intensiver zu prüfen.
Wie viel CO2-Speicherung ist unter der deutschen Nordsee möglich?
Das lässt sich bislang nicht eindeutig beziffern. Wissenschaftler des Geostore-Verbundprojektes kamen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass in bestimmten Gesteinsschichten unter der deutschen Nordsee zwischen 0,9 und 5,6 Milliarden Tonnen CO2 potenziell gespeichert werden könnten. Allerdings sind das nur theoretische Werte. Berücksichtigt ist etwa nicht, ob ein Gebiet schon für andere Nutzungen verplant ist.
Welche Rolle spielen Niedersachsen und Bremen dann überhaupt?
Als Küstenländer könnte Niedersachsen und Bremen beim Aufbau einer Exportinfrastruktur eine wichtige Rolle zukommen – erste Pläne gibt es bereits. Denn damit CO2 unter der Nordsee gelagert werden kann, müsste es zunächst an die Küste kommen und von dort weitertransportiert werden. Aktuell kann CO2 per Lkw, Schiff oder Schiene transportiert werden. Für große Mengen bräuchte es ein Pipelinenetz. Das gibt es bislang nicht.
Welche CCS-Projekte sind in Planung?
In Wilhelmshaven will der dort ansässige Tank-Terminal-Betreiber HES eine Art Drehscheibe für den Export von CO2 aufbauen. Nach früheren Angaben soll das CO2 via Pipeline und Schiene aus ganz Deutschland nach Wilhelmshaven transportiert und bis zum Weitertransport in Tanks zwischengespeichert werden.
In Planung ist auch ein Pipelinenetz. "Aktuell sprechen wir von einzelnen Leitungen und Transportkorridoren", teilt ein Sprecher des Gasnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE) mit. Die Inbetriebnahme größerer Pipelines über 100 Kilometern Länge hält OGE ab den 2030er Jahren für realistisch.
Auch in Bremen gibt es Überlegungen, ein Exportterminal für CO2 im Neustädter Hafen einzurichten. "Derzeit wird nach geeigneten Partnern gesucht, um auf dieser Grundlage ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln", teilt ein Sprecher des Häfenressorts mit.
Welche Gefahren gehen von der CCS-Speicherung aus?
Umweltschützer sehen Umweltgefahren durch Leckagen, sowohl an den Deponien als auch an Leitungen. Es gebe bislang keine Langzeit-Erfahrung mit CCS. Niedersachsens BUND-Chefin Gerstner sieht auch Risiken für den Meeresschutz aufgrund von Leckagen, aber auch bei der Erkundung – das dazu notwendige Verfahren mit Schallkanonen führe zu massiven Lärmbelastungen. Das könne bei sensiblen Arten wie den Schweinswalen zum Tod führen.
Im Gegensatz dazu hält das Bundeswirtschaftsministerium CCS für eine sichere Technik, die schon in zahlreichen Ländern, etwa in Norwegen, angewandt werde. Die CCS-Prozesskette unterliege strengen Sicherheitsanforderungen, vom Transport bis zur Speicherung. Es gebe bereits viel Erfahrung mit dem Transport und der unterirdischen Speicherung von Gasen, unter anderem auch mit CO2. Unterm Strich halten viele Experten die CCS-Technik für ausgereift und bereit für den kommerziellen Einsatz.