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Angst vor Coronavirus Contes Botschaft an die Italiener: Bleibt endlich zuhause

Außer in China gibt es in keinem anderen Land der Welt so viele Corona-Infizierte wie in Italien. Bereits am Wochenende wurde der besonders betroffene Norden abgeriegelt. Doch es half nichts. Jetzt wird das ganze Land zur Sperrzone. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Knapp 10.000 Menschen sind mittlerweile infiziert: Italien bekommt die Ausbreitung des Coronavirus nicht in den Griff. Premierminister Giuseppe Conte zieht in der "dunkelsten Stunde des Landes" nun die Notbremse und erklärt ganz Italien zur Sperrzone. Die Botschaft an rund 60 Millionen Einwohner: Bleibt endlich zuhause. 

Ein neues Dekret riegelt nunmehr nicht nur den Norden ab, wo der Herd der grassierenden Infektionswelle vermutet wird, sondern das ganze Land. Aber was bedeutet das genau? Ein Überblick.

Was hat die Regierung entschieden?

Eine komplette Abriegelung des Landes. Dazu erließ der Ministerpräsident am Montagabend ein spezielles Dekret. Rund 60 Millionen Menschen können sich von diesem Dienstag an nicht mehr frei bewegen. Es gebe keine Zeit zu verlieren, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, sagte Conte

Schulen, Universitäten und Kindergärten bleiben ab sofort landesweit geschlossen, genau wie Sehenswürdigkeiten, Museen, Kinos, Schwimmbäder und Diskotheken. Der Betrieb in allen Skiorten wurde eingestellt, Sportveranstaltungen abgesagt – auch die Spiele der Seria A. Kreuzfahrtpassagiere dürfen in Venedig nicht mehr von Bord gehen. Es gilt ein Versammlungsverbot. 

Auf Reisen durchs Land  und ins Ausland soll ab sofort verzichtet werden, genau wie auf abendliche Restaurant- oder Barbesuche. "Wir müssen unsere Lebensgewohnheit ändern. Sie müssen sich jetzt ändern", forderte Conte seine Landsleute auf. Darum habe er entschieden, jetzt noch härtere Maßnahmen zu ergreifen.

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"Ganz Italien wird zur geschützten Zone", sagte der Regierungschef mit Blick auf die Quarantäne-Maßnahmen, die seit Sonntag bereits in großen Teilen Norditaliens gelten. Die Menschen dort dürfen seitdem nur noch bei triftigen Gründen in die Regionen ein- oder ausreisen. Selbst Reisen von einer abgeriegelten Region in eine andere sind nicht erlaubt. Diese Maßnahmen gelten nun landesweit: Ortswechsel sind nur noch dann möglich, wenn "berufliche Notwendigkeiten und gesundheitliche Notfälle" vorliegen.

Wer dennoch reisen möchte - egal mit welchem Verkehrsmittel -, braucht ein spezielles Zertifikat, das im Netz heruntergeladen werden kann und von Reisenden selbst auszufüllen ist.

Das Selbstzertifikat des Innenministeriums
Das Selbstzertifikat des Innenministeriums

Wer sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Dekrets außerhalb der abgeriegelten Gebiete befand, dort aber wohnt, darf nach Hause zurückkehren. Menschen mit Symptomen von Atemwegserkrankungen und Fieber werden dringend aufgefordert, zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte, auch mit ihrem behandelnden Arzt, auf ein Minimum zu beschränken.

Welche Regionen in Italien sind betroffen?

Die Maßnahmen gelten für ganz Italien. Sie waren bereits am Wochenende in den Gebieten, in denen das Virus zuletzt besonders stark grassierte, eingeführt worden. Dazu zählen die gesamte Region Lombardei, ein Teil der Region Venetien, der Norden der Emilia-Romagna und der Osten des Piemont.

Geht es nach Premier Giuseppe Conte, sehen italienische Städte ab sofort alle aus wie diese Straße in Venedig: menschenleer.
Geht es nach Premier Giuseppe Conte, sehen italienische Städte ab sofort alle aus wie diese Straße in Venedig: menschenleer.
© Roberto Monaldo.Lapress / LaPresse via ZUMA Press / Photo by Marco Di Lauro / DPA / Getty Images

Warum diese drastische Entscheidung?

Italien hat die Ausbreitung des Virus nicht in den Griff bekommen. Obwohl einzelne Regionen und Städte bereits in den letzten Wochen abgeriegelt worden waren, haben sich immer mehr Menschen mit Covid-19 angesteckt. Die Zahl der Erkrankten lag bis Dienstagmittag bei knapp 9200. Mehr als 460 Menschen sind in Italien bislang an den Folgen des Virus gestorben. Besonders beunruhigend: Die Zahl der Toten stieg zuletzt sprunghaft an: Von Samstag auf Sonntag um 133, von Sonntag auf Montag um 97. 

Dass die Maßnahmen nun auf das ganze Land ausgeweitet wurden, dürfte auch mit dem zuletzt wenig kooperativem Verhalten vieler Italiener zusammenhängen: Als am Wochenende bekannt wurde, dass einzelne Gebiete im Norden abgeriegelt werden sollen, stürmten Hunderte in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu den Bahnhöfen und fuhren mit den Nachtzügen in Richtung Süden. Genau das hatte die Regierung versucht, zu verhindern – statt Eindämmung des Virus gab es nun wohl eine weitere Ausbreitung.

Hinzu kommt, dass viele Menschen trotz Anweisung der Regierung landesweit dennoch ausgingen, so zum Beispiel viele junge Leute, die sich in Bars dicht an dicht drängten und Ansteckungen förderten. 

Wie lange gelten die Maßnahmen?

Seit diesem Dienstag und voraussichtlich noch bis 3. April. 

Wie werden die abgeriegelten Gebiete kontrolliert?

Laut Dekret sind die Präfekten der einzelnen Regionen dafür verantwortlich, entsprechende "Maßnahmen durchzuführen". Dafür sollen sie auch die Strafverfolgungsbehörden hinzuziehen. An den Mautstellen der Autobahnen, entlang von Überlandstraßen, in Flughäfen und Bahnhöfen sollen spezielle Kontrollpunkte errichtet werden. Auch in Zügen wird kontrolliert. Dafür werden einzelne Beamte auch mit Fieber-Scannern ausgerüstet. 

Polizisten kontrollieren am Bahnhof Santa Lucia in Venedig, ob Einwohner und Touristen die Quarantäne-Anordnungen verletzen.
Polizisten kontrollieren am Bahnhof Santa Lucia in Venedig, ob Einwohner und Touristen die Quarantäne-Anordnungen verletzen.
© Marco Di Lauro / Getty Images

Was heißt das für Touristen?

Die Ausreise von Touristen aus den abgeriegelten Gebieten soll weiterhin möglich sein, hieß es von der italienischen Regierung. Wer einreisen möchte, wird an der Grenze kontrolliert. 

Wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, können Deutsche, die sich zur Zeit in Italien aufhalten, weiterhin zurück nach Deutschland reisen. Aber: "Mit Kontrollen und Nachfragen von Sicherheits- und Ordnungskräften muss gerechnet werden", hieß es in den am Dienstag aktualisierten Reisehinweisen. Und: "Beschränken Sie Reisen in und nach Italien derzeit auf das Notwendige." Fluggäste erhielten zum Beispiel in Rom bei der Abreise "Aussteigkarten", wo sie Adresse, Telefonnummer und Flugdaten eintragen müssen, um im Notfall später besser auffindbar zu sein – etwa wenn im Flieger ein Mensch saß, der positiv getestet wird. Ähnliche Maßnahmen sind für weitere Ankünfte in Deutschland aus Italien geplant. 

Österreich ging am Dienstagmittag noch einen Schritt weiter: Die Einreise aus Italien soll ab sofort weitgehend gestoppt werden. Ausnahmen seien nur mit ärztlichem Attest möglich, kündigte Kanzler Sebastian Kurz in Wien an. 

Sind Bus, Bahn, Flugzeuge betroffen?

Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln und inneritalienischen Zug- und Flugverbindungen soll es nach Angaben von Conte nicht zu Einschränkungen kommen, damit die Wirtschaft nicht zum Erliegen kommt und "die Menschen weiter zur Arbeit gehen können." Jedoch sind die Betriebe angehalten, ihre Fahrzeuge regelmäßig zu desinfizieren.

Auch internationale Zug- und Flugverbindungen sollen wie geplant stattfinden. Allerdings haben viele Airlines ihre Flüge nach Italien bereits zusammengestrichen oder ganz ausgesetzt. 

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn verwies bereits am Sonntag darauf, dass für Fahrten nach und aus Italien die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zuständig seien. Diese teilten am Dienstag mit,  dass wegen einer behördlichen Reisewarnung die Nachtzüge nach Mailand, Venedig und Rom bis auf Weiteres eingestellt seien. Die Tagesverbindungen nach Bologna, Udine, Triest, Verona und Venedig sollen offenbar weiter bedient werden, aber nur noch mit italienischem, nicht mehr mit österreichischem Personal.

Dürfen Läden weiter geöffnet bleiben?

Bars und Restaurants dürfen ihren Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen weiterführen. Die Öffnungszeiten sind dabei auf den Zeitraum zwischen 6 Uhr morgens und 18 Uhr abends begrenzt. Außerdem muss der Besitzer oder Betreiber der Lokalität gewährleisten, dass zwischen Gästen, Mitarbeitern und Lieferanten ein Mindestabstand von einem Meter eingehalten wird. Wessen Laden zu klein ist, um diese Voraussetzungen zu erfüllen, muss vorübergehend schließen.

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Die Abstandsregel gilt auch für Märkte, Supermärkte und Einkaufszentren. Nur Apotheken und kleinere Lebensmittelgeschäfte (sogenannte "Alimentari") sind davon ausgenommen. Größere Läden und Einkaufszentren dürfen nur von Montag bis Freitag geöffnet bleiben.

Bereits in der Nacht von Montag auf Dienstag, als die neuen Regeln bekannt wurden, stürmten hunderte Italiener in die Supermärkte. In zahlreichen Läden, die auch nachts geöffnet haben, deckten sich Verbraucher mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln ein, wie italienische Medien in der Nacht berichteten. Die Kunden warteten demnach in Schlangen vor den Märkten, Mitarbeiter regelten den Einlass. Ein Verkäufer sagte der Nachrichtenagentur Ansa, dass Äpfel, Zwieback, Milch, Zucker, Mehl, aber auch Seife und Desinfektionsmittel zuerst vergriffen gewesen seien. Die Regierung stellte aber noch am Montagabend klar, dass Supermärkte weiterhin geöffnet bleiben und "regelmäßig" beliefert werden sollen. Die Menschen sollten deshalb nicht in Panik verfallen und Lebensmittel einkaufen, "die auch in den nächsten Tagen noch gekauft werden können", hieß es.

Was droht bei Nichtbeachtung?

Laut Dekret droht Regelbrechern bis zu drei Monate Haft beziehungsweise eine Geldstrafe von bis zu 206 Euro.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat das Dekret?

Das ganze Land befindet sich schon seit Ende Februar, als auf einmal in einigen Orten in der Lombardei viele Infektionen nachgewiesen wurden, im Ausnahmezustand. Die Wirtschaft liegt am Boden, Conte hat bereits ein milliardenschweres Hilfspaket angekündigt. Die Corona-Krise kommt zur Unzeit: Das Land steht finanziell gesehen seit Jahren ohnehin schlecht da, Experten befürchten nun den Kollaps.

Quellen: "La Repubblica [1]", "La Repubblica [2]," "La Stampa", Selbstzertifikat, Nachrichtenagenturen DPA, AFP, ANSA

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