Pflegereport 2022 DAK fordert finanzielle Entlastungen von pflegenden Angehörigen

Frau pflegt einen alten Mann
Die meisten pflegebedürftigen Menschen werden in Deutschland von Angehörigen in den eigenen vier Wänden versorgt.
© vorDa / Getty Images
Die Zahl an Pflegebedürftigen wird größer – meist werden sie von ihren Angehörigen zu Hause versorgt. Die Belastungen sind hoch. Die Krankenkasse DAK hat in ihrem Pflegereport die häusliche Pflege in den Blick genommen und fordert Entlastungen.

Bei manchen war es ein schleichender Prozess bis Mutter oder Partner immer weniger selbst konnten, bei anderen wird Papa oder Frau von heute auf morgen durch einen Schlaganfall oder Unfall zu einem pflegebedürftigen Menschen. Die meisten Menschen werden zu Hause versorgt. 80 Prozent – so die Daten der Pflegestatistik 2019. Die Krankenkasse DAK hat in ihrem aktuellen Pflegereport 2022 die häusliche Pflege in den Blick genommen. Eine wichtige Erkenntnis: Viele pflegende Angehörige nutzen Unterstützungsangebote nicht – aus ökonomischen Gründen oder aus Unwissenheit.

"Pflegende Angehörige sind das Rückgrat der Pflege in Deutschland. Deshalb müssen wir sie entlasten", sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. "Die allermeisten Pflegebedürftigen möchten weiter zu Hause wohnen. Ihre Angehörigen möchten ihnen das ermöglichen, aber es belastet sie gesundheitlich, finanziell und emotional. Sie brauchen mehr Unterstützung."

Häusliche Pflege maßgeblich durch Pflegegeld finanziert

Die Pflege im eigenen zu Hause wird maßgeblich durch das Pflegegeld finanziert. Es wird von der Pflegeversicherung an Gepflegte gezahlt, die von Angehörigen, Freund:innen, oder selbst bezahlten Kräften versorgt werden. Voraussetzung für die Zahlung: Die Pflege zu Hause muss gewährleistet sein und es muss mindestens der Pflegegrad 2 vorliegen.

Es gibt auch die Möglichkeit, das Pflegegeld mit einer sogenannten Pflegesachleistung zu kombinieren. Ein Beispiel dafür: Ein Mann pflegt seine Frau – und er wird von einem ambulanten Pflegedienst unterstützt. Im Pflegebericht 2019 zeigt sich, dass von 3,31 Millionen Menschen, die in Deutschland zu Hause gepflegt werden, mehr als zwei Millionen Pflegebedürftige (Pflegegrad 2 bis 5) nur durch Angehörige versorgt werden. Bei 983.000 Pflegebedürftigen (Pflegegrad 1 bis 5) ist ein Pflegedienst an der Versorgung beteiligt. In den allermeisten Fällen sind es Frauen, die die Pflege ihrer Angehörigen zu Hause übernehmen.

Moralische und ökonomische Gründe für die Pflege in den eigenen vier Wänden

Um die häusliche Pflege in Deutschland für den Pflegereport genauer zu betrachten, wurden Daten der DAK-Versicherten ausgewertet, eine Bevölkerungsbefragung durchgeführt und Interviews mit pflegenden Angehörigen geführt. In Deutschland hat die stationäre Pflege in Altenheimen einen schlechten Ruf. Fast jeder und jede möchte in den eigenen vier Wänden im Falle einer Pflegebedürftigkeit betreut und versorgt werden. Dass sich die meisten Menschen dafür entscheiden, Angehörige zu Hause zu pflegen, hat zum einen moralische Gründe, wird aber auch stark durch ökonomische Zwänge bestimmt. Aus den Berichten des Pflegereports wird deutlich, dass viele pflegende Angehörige das Gefühl haben, alles allein schaffen zu müssen.

Ein Pflegeheim ist für viele Pflegende zu teuer. Auch zusätzliche Hilfen für die Pflege in den eigenen vier Wänden werden oft nicht genutzt, weil das Pflegegeld einen Verdienstausfall ausgleichen muss oder genutzt wird, um im Haushalt über die Runden zu kommen. Oder die Angebote vor Ort passen nicht in den Alltag der Betroffenen. Ein weiteres Problem, dass der Report aufdeckt: 67 Prozent der Betroffenen kennen nicht alle Unterstützungs- und Leistungsangebote, die für sie relevant sind. Heißt: Pflegende Angehörige wissen nicht, welche zusätzliche Hilfe sie bekommen können oder entscheiden sich aus ökonomischen Gründen dazu – die Pflege ihrer Liebsten allein zu stemmen.

Immer mehr Menschen sind auf Pflege angewiesen

Doch im Bereich der Pflege gibt es viele Probleme und Herausforderungen. Seit 1995 hat sich die Zahl der Gepflegten, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, vervierfacht und die Zahl steigt weiter. Seit 1999 hat sich die Zahl der Pflegekräfte aber nur etwa verdoppelt. Und in den nächsten zehn Jahren werden viele Pfleger:innen aus der Baby-Boomer-Generation in Rente gehen – diesen Ausfall wird der Nachwuchs in den Pflegeberufen aber nicht kompensieren können. Die Pflege durch Angehörige wird nach wie vor wichtig sein, um pflegebedürftige Menschen langfristig versorgen zu können.  

"Die Deutschen sind pflegeerfahren und pflegebereit. Diese Bereitschaft ist über die Jahre erstaunlich stabil", sagt Prof. Dr. Thomas Klie, Leiter des Instituts AGP Sozialforschung. Er hat für den DAK-Pflegereport 2022 die Situation pflegender Angehöriger untersucht. "Ob ein Leben trotz Pflegebedürftigkeit im eigenen Zuhause gelingt, hängt für die Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen von den Bedingungen vor Ort ab."

Entlastungen der Angehörigen wichtig

Denn: Viele pflegende Angehörige können die vielfältigen Aufgaben in der Pflege nicht allein leisten und benötigen Unterstützung. So ist etwa das Interesse an ambulanten Pflegediensten sehr hoch. Doch schon jetzt berichten 67 Prozent der Befragten im Report, dass die Pfleger:innen in Pflegediensten überlastet sind. Sie hätten kaum Zeit sich ausreichend, um den Gepflegten zu kümmern (64 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage zu). Neben der beobachteten Überlastung berichten viele Befragte, dass es häufig ein Problem ist, einen Pflegedienst für ihre Angehörigen zu finden. Für die Finanzierung der Pflege in den eigenen vier Wänden ist das Pflegegeld für viele Familien unerlässlich. Zwar unterstützen fast zwei Drittel der Befragten eine Erhöhung des Pflegegeldes. Aber: 38 Prozent fänden mehr Unterstützungsangebote vor Ort wichtiger als eine Erhöhung des Pflegegeldes.

DAK-Vorstandschef Andreas Storm fordert angesichts der Erkenntnisse aus dem Report, dass pflegende Angehörige schnell finanziell unterstützt werden müssen, aber mittelfristig auch die Unterstützungsangebote vor Ort besser ausgebaut werden müssen. Bisher ist gesetzlich vorgesehen, dass alle drei Jahre die Höhe des Pflegegeldes angesichts der Preisentwicklung überprüft wird. Dies geschah zuletzt zum 1. Januar 2017. "Dieser Dreijahresrhythmus sei bei derart schnell steigenden Preisen nicht mehr zeitgemäß: "Die DAK-Gesundheit fordert hier eine zeitnahe und spürbare Erhöhung des Pflegegelds – das sollten nicht weniger als zehn Prozent sein", so Storm.

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