Zur Person
Bernd Gäbler, geboren 1953 in Velbert/Rheinland, ist Publizist und Dozent für Journalistik. Er studierte Soziologie, Politologie, Geschichte und Pädagogik in Marburg. Bis 1997 arbeitete er beim WDR (u.a. "ZAK"), beim Hessischen Rundfunk ("Dienstags - das starke Stück der Woche"), bei VOX ("Sports-TV"), bei SAT.1 ("Schreinemakers live", "No Sports"), beim ARD-Presseclub und in der Fernseh-Chefredaktion des Hessischen Rundfunks. Bis zur Einstellung des Magazins leitete er das Medienressort der "Woche". Von 2001 bis Ende 2004 fungierte er als Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts in Marl.
"Drei unten, drei oben" - das Torwandschießen musste man dem Bundespräsidenten nicht mehr erklären. Dabei sind Laien und Stars gleichberechtigt. Man kann Glück haben, aber es ist nicht einfach. Wichtig für den Laien ist, dass er nicht allzu linkisch agiert. Wer Peinlichkeit vermeidet, erntet schon Achtung. "Ich lass' ja keine Gelegenheit aus, mich zu blamieren," sagte das Staatsoberhaupt. Das war selbstironisch gemeint. Und dann trat der Präsident beherzt vor den Ball.
Treffer gab es zwar nicht zu beklatschen, aber Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein lobte, der Bundespräsident habe "eine richtig gute Figur gemacht". Nun ja. Immerhin war der Beifall herzlich, als Horst Köhler zu Gast war im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF. Da wollte er Sympathiewerbung machen - für den Behindertensport und damit wohl auch ein wenig für sich selbst. Markus Schächter, ZDF-Intendant, machte artig die Honneurs und ließ sich dabei auch oft genug ablichten.
Politik und Sport
Aufs Tor schießen - das tun Politiker gerne. Gerhard Schröder, Helmut Kohl, Joschka Fischer, selbst Roman Herzog - sie alle haben es auch schon im Fernsehen getan. Edmund Stoiber hat auf einem Sportplatz mit einem abprallenden Ball eine Zuschauerin verletzt. Zuletzt erst hat Franz Müntefering zum Abschied aus dem Kabinett sogar einigermaßen elegant mit dem Ball jongliert, während Kurt Beck in Kaiserslautern angeblich auf der Tribüne gegen Bayern München pöbelt. Immer aber ist der Sport ein Vehikel für Politiker, sich als volksnah zu präsentieren.
Köhler hatte jedoch ein Problem: Beim größten Sportjubel in seiner Amtszeit, der heimischen Fußball-Weltmeisterschaft, hatte Kanzlerin Angela Merkel ihn aus dem Zentrum der Wahrnehmung gedrängt. Sie war es, die auf der Tribüne jäh die Ärmchen hochriss. Sie besuchte die Spieler in der Kabine. Köhler war nur dabei.
Bei der Handball-WM versuchte er das wettzumachen, am Ende aber war es Trainer Heiner Brand, der die Krone trug, nicht der Präsident. Im ZDF lobt und propagiert Köhler nun - endlich im Alleingang - den Behindertensport. Das scheint ein sicheres Terrain zu sein. Hier gibt es ehrenamtliches Engagement, Integration und vorbildliches Zusammenleben, das öffnet die Herzen - so mag Köhler gedacht haben. Ja, wenn es denn so wäre.
Elitenbildung im Behindertensport
Mit dem freundlichen Mittanzen einer Rollstuhlfahrerin oder dem Selbstbewusstsein festigenden Testen körperlicher Kraft hat der heutige Spitzensport kaum noch etwas zu tun. Längst steht eine schmale Schicht gut bezahlter Profis in Diensten einiger High-Tech-Unternehmen. Die weigern sich hartnäckig, ihre "Sportgeräte" Prothesen zu nennen - und ein Athlet, der ohne Beine die 400 Meter fast so schnell laufen kann wie die Weltspitze will unbedingt bei Olympia mitlaufen. Das wird als Integration gefeiert. Um Vergleichbarkeit zu sichern, sind die Wettbewerbe so kleinteilig angelegt, dass es jedes Mal förmlich Medaillen regnet.
Eine Idylle also ist der Spitzensport für Behinderte keineswegs. Trotzdem gab es nicht eine einzige kritische Frage. Sollte zum Zwecke der Integration nicht gerade der Breitensport für Behinderte eher gefördert werden, als noch ein "Top Team" aufzustellen? Schlichtweg um "bestmögliche Bedingungen für die Elite" ging es dem Bundespräsidenten. Sicher ist es schön, dass die Telekom und Allianz den Behindertensport fördern. Doch darf schon gefragt werden, ob ein Staatsoberhaupt sich so sehr zum Werbemännchen dieser Konzerne machen sollte.
Die Moderatorin tat es nicht, patzte stattdessen einmal, als sie fragte, ob in China "die Menschenrechte aufs Tablett (!) kommen". Köhler ("man muss ein bisschen vorsichtig sein") blieb Diplomat, so sehr wollte er sich inszenieren als jovialer Onkel allgemeiner Freundlichkeit.
Köhler und das Fernsehen
Der Bundespräsident müht sich redlich - zum Fernsehstar taugt er dennoch wenig. Vergleicht man etwa die Ansprachen zum Jahresende - niemand käme auf die Idee, dass er den Staat repräsentiert. Neben üppiger Fahne und vor der Reichtagskuppel saß Merkel, Neben einem kargen Bäumchen und vor gut sichtbaren Heizungsrippen sprach Köhler. Er hätte auch der Chef von Viessmann-Wärmetechnik sein können. Immerhin hat er inzwischen gelernt, beim Ablesen des Teleprompters nicht mit dem Kopf die Zeilen entlang zu ruckeln. Weil man ja als künftiger Präsident keinen Wahlkampf führt, zeigte sich Köhler im Fernsehen noch vor Amtsantritt zuerst bei Kerner. Seine Gattin wirkte eloquent. Dann sprach er anlässlich der vorgezogenen Neuwahl zum Volk. Seine Rhetorik klang, als wolle er eine Notstandsregierung installieren.
Ob es um die Begnadigung ehemaliger RAF-Terroristen ging oder um eine Lobrede auf Friedrich Nowottny zum Deutschen Fernsehpreis - oft inszeniert Köhler die Themen groß, beherrscht sie dann aber doch nicht. Dabei wirkt er nicht unsympathisch, nur eben ziemlich wirkungslos und ziemlich durchschnittlich. Bei seinem Auftritt zum Behindertensport hat er gleich auf Bescheidenheit gesetzt - nett war er, hatte gewiss Gutes im Sinn, aber eindrucksvoll ist anders.
Köhler und das Risiko
Dass Köhler anständig, O.K., etwas zu brav und selten mitreißend wirkt, mag auch daran liegen, dass er stets auf Nummer sicher gehen will - jedenfalls wenn es um ihn selbst geht. Ins Amt kam er, weil Merkel unbedingt Wolfgang Schäuble verhindern wollte. Gekürt wurde er im Wohnzimmer von Guido Westerwelle als eine Art Herold der kommenden schwarz-gelben Ära. Den Ruf, ein herzloser neoliberaler Mann der Wirtschaft zu sein, korrigierte er rasch durch viele gute Worte für Afrika. Seinen Landsleuten aber forderte er einiges ab, appellierte an Reformwillen und Risikobereitschaft. Die meisten Rufe verhallen - auch deshalb, weil man ihm eben keinerlei Risiko zutraut. Gelegentlich schmeichelt er auch seinen Landsleuten und neigt zu etwas Populismus, dann kokettiert er mit einer Direktwahl durch das Volk. Trotzdem: Nicht einmal einen Lieblingsverein wagte er im "ZDF-Sportstudio" zu nennen.
Will Horst Köhler noch einmal kandidieren?
Dabei könnte er jetzt so schön vormachen, was Risiko bedeutet. Statt brav abzuwarten, wie die nächsten Landtagswahlen ausgehen, dann genau durchzuzählen, wie sich die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung entwickelt haben, könnte er einfach jetzt - unabhängig von Parteitaktik und Kalkül - sagen, wie gerne er eine weitere Periode amtieren würde. Vielleicht müsste er sich dann einmal behaupten gegen einen aussichtreichen Gegenkandidaten. Für sein Leben wäre das eine ganz neue sportliche Erfahrung. Vielleicht würde sie ihm gut tun. Auch im Fernsehen müsste er dann feurig reden, nicht mehr wie Onkel Horst, der nur stolz ist, im Fernsehen zu sein.