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Nico Hofmann Die Historie, der Werbeblock, die Millionen

Filmproduzent Nico Hofmann verlässt sich auf sein Bauchgefühl
Filmproduzent Nico Hofmann verlässt sich auf sein Bauchgefühl
© Norbert Millauer/DDP
Alle wollen seine Eventfilme: Auf Sat.1 lief "Die Luftbrücke", auf RTL "Die Sturmflut", nun zeigt das ZDF "Dresden". stern.de sprach mit Produzent Nico Hofmann über die neue deutsche Lust auf historisches Infotainment der oberen Preisklasse.

Herr Hofmann, wie wird man einer der erfolgreichsten Produzenten Deutschlands - ohne Führerschein und Computerkenntnisse?

(lacht) Das ist eine gute Frage. Ich habe als Journalist noch auf der Schreibmaschine gelernt und pflege gerne den persönlichen Kontakt, das ist Teil des Erfolgs. Ansonsten kenne ich zwischen Singapur und Los Angeles alle Taxifahrer.

Ihre Produktionsfirma teamWorx verfilmt mit großem Aufwand historische Stoffe - die Oetker-Entführung, das Attentat auf Hitler, nun den Bombenangriff auf Dresden. Woher kommt die Lust an der Geschichte?

Zunächst mal aus mir selbst heraus. In meiner Zeit an der Münchener Filmhochschule habe ich ein sehr großes Interesse am Nationalsozialismus entwickelt - und später, als Regisseur, deutsche Geschichtsbetrachtung betrieben. Das deckt sich im Moment mit einem großen Interesse bei der jüngeren Generation.

Sind die Deutschen auf der Suche nach Orientierung?

Die Leute schauen wesentlich inhaltlicher fern, als man denkt. Die Dokumentation zur Luftbrücke haben nachts fünfeinhalb Millionen Zuschauer gesehen. Identität ist ein wichtiges Thema. In anderen Ländern wie den USA war das schon immer so.

In einem Interview haben Sie gesagt, mit der "Luftbrücke" wollten Sie das deutsch-amerikanische Verhältnis positiv darstellen und das deutsche Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Sind Sie ein Volkspädagoge?

Nein, Volkspädagogik liegt mir fern. Ich glaube auch nicht, dass die Filme pädagogisch daherkommen, sondern emotional. Unfreiwillig werden solche Events aber pädagogisch begriffen. Das haben wir beim "Tunnel" gemerkt, da war der Freiheitsbegriff ein großes Thema. "Dresden" könnte die Debatte um den Bombenkrieg und die Stunde Null neu entfachen.

Welche Stellung beziehen Sie dabei?

Für mich ist "Dresden" ein Anti-Kriegsfilm. Es gab in Deutschland seit Jahrzehnten keinen Film mehr, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Meine Intention war jedoch nicht, den Briten die Bombardierung vorzuwerfen.

Wie gefällt Ihnen persönlich der Schluss von "Dresden", der 1945 endet und dann die Feiern zur Einweihung der Frauenkirche zeigt?

Da diskutieren wir mit dem Regisseur. Ich würde gerne die Gesichter der überlebenden Zeitzeugen sehen, auf politische Reden während des Festakts kann ich jedoch verzichten.

Zur Person:

Nico Hofmann gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Filmproduzenten. Er wurde 1959 in Heidelberg geboren und studierte an der Münchner Filmhochschule. Mit seinen Regiearbeiten ("Der Sandmann", "Solo für Klarinette") gewann er alle wichtigen Filmpreise. 1998 gründete er die Produktionsfirma teamWorx, eine Tochter der Ufa, die auf zeitgeschichtliche Event-Filme ("Stauffenberg", "Der Tunnel") spezialisiert ist. Hofmann doziert an der Filmakademie Ludwigsburg.

Felicitas Woll ist hauptsächlich als Seriendarstellerin bekannt geworden. Wie groß war das Risiko, sie mit der Hauptrolle zu besetzen?

Das war meine Idee. Ich habe keine Minute an Felicitas Woll gezweifelt und war ihr großer Fan. Für mich hat sie die große Kraft einer Volksschauspielerin, sie ist ein Mensch, der andere Menschen öffnet - das ist ganz selten. Es gab am Anfang viele Bedenkenträger, aber nach dem Casting in London haben alle zugestimmt.

Das war also nicht Ihre letzte Zusammenarbeit mit Felicitas Woll?

Ganz im Gegenteil. Ich suche händeringend nach einem neuen Stoff für sie.

Die "Luftbrücke" (Sat. 1) hat 7,5 Millionen Euro gekostet, die "Sturmflut" (RTL) 8,5 Millionen Euro, "Dresden" (ZDF) 10 Millionen. Wie organisiert man in Deutschland solche Summen - und wie lassen sie sich refinanzieren?

Die Refinanzierung funktioniert nur über die Auslandsverkäufe, und das in einem Zeitabschnitt von sieben bis acht Jahren. Das hat auch damit zu tun, dass der Fernsehsender, der knapp die Hälfte bezahlt, eine Lizenz erwirbt. Nach sieben Jahren fallen die Rechte an den Produzenten zurück, dann kann er die Lizenz neu verkaufen. Der zweite Bereich ist die Mehrfachverwertung. Wir haben eine 135-minütige Kinoversion geschnitten, auch der DVD-Markt wird immer wichtiger.

Ihre Filme sind "Events", mit denen die Sender renommieren wollen. Nun kommen gleich drei hintereinander: Schlagen sich diese Events nicht gegenseitig tot?

Ich hoffe nicht. Mit der "Sturmflut" haben wir ja Rekordwerte erreicht.

Sie produzieren Filme fürs öffentlich-rechtliche und fürs Privatfernsehen. Hat das einen Einfluss auf die Dramaturgie? Müssen Sie mehr Höhepunkte einplanen, wenn Sie fürs Privatfernsehen drehen?

Definitiv. Wir reden intensiv mit den Sendern und wissen oft genau, wo die Werbeblöcke sitzen. Wir komponieren teilweise die Musiken so, dass sie eine Affinität mit den Werbeblöcken bekommt. Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als wenn die Werbung die Dramaturgie zerstört.

Das Ganze muss nicht nur in Deutschland funktionieren, sondern auch auf dem internationalen Markt. Sollten die Stoffe dann typisch deutsch sein oder so international wie James Bond?

"Die Luftbrücke" hat einen amerikanischen Look. "Die Sturmflut" wird im Ausland als Katastrophenfilm vermarktet, da interessiert nicht Hamburg, sondern die Katastrophe. "Dresden" ist ein Spezialfall. Dresden steht weltweit als Symbol für die Bombardierung. Von allen Filmen ist "Dresden" die größte Annäherung an Hollywood, weil die Techniken perfekt ausgereizt sind, weil die Inszenierung allerhöchsten Maßstäben gerecht wird - dennoch verliert "Dresden" nie seine deutsche Identität.

Warum arbeiten Sie bei diesem Aufwand nicht gleich fürs Kino?

Die Grenze zum Kino ist kaum mehr da. Bei "Dresden" hätte ich mir einen Kinofilm gut vorstellen können. "Die Sturmflut" und "Die Luftbrücke" hätten eine Kinoverwertung wohl nicht getragen.

TV-Tipp

Zwei Männer lieben dieselbe Frau - mit dieser Schablone erzählt die Produktionsfirma teamWorx gern deutsche Geschichte: erst in der "Luftbrücke", dann in der "Sturmflut", jetzt in "Dresden". Die Krankenschwester Anna muss sich zwischen einem britischen Bomberpiloten und ihrem Chefarzt entscheiden. Dank der großartigen schauspielerischen Leistung von Felicitas Woll und Hollywood-reifer Optik zieht der Film den Zuschauer in seinen Bann. (Sonntag, 5. und Montag, 6. März, 20.15 Uhr, ZDF)

Wie wichtig sind internationale Schauspieler für die Auslandsverwertung?

Das wird in der Zukunft immer wichtiger. Wir planen gerade mit der BBC einen Film über den Untergang der "Laconia", eine U-Boot-Tragödie im Zweiten Weltkrieg. Mein Ziel ist, in Englisch zu produzieren. Mit einem englischsprachigen Produkt besteht die größte Chance auf dem Weltmarkt. Ich mache das aber nur da, wo es vom Stoff her funktioniert. Bei "Dresden" war mir wichtig, dass die Engländer auch von Engländern gespielt werden. Dadurch gewinnt der Film auch an Authentizität.

Ist es für Sie wichtig, ein festes Ensemble um sich herum zu haben?

Das ist mir sehr wichtig. Mit Roland Suso Richter habe ich jetzt den dritten Film gemacht. Er ist ein Freund, wir arbeiten schon sehr lange zusammen. Ich halte ihn für einen der größten Regisseure Deutschlands - auf einem Niveau mit Oliver Hirschbiegel.

Sie haben oft und viel mit Götz George gedreht, der nicht erst seit seiner Publikumsbeschimpfung in "Wetten, dass..?" als schwieriger Mensch gilt. Was verbindet Sie mit George?

Mit Götz bin ich eng befreundet. Von ihm habe ich die ganze Schauspielerinszenierung gelernt. Er ist ein extrem intelligenter, dramaturgischer Schauspieler. Uns verbindet ein gewisser Qualitätsfanatismus. Wenn man mit Götz arbeitet, dann kämpft man um jede Feinheit, jede Körperbewegung. Dieser Drang zum Perfektionismus verbindet uns.

Wird er in Ihrem nächsten Film auch eine Rolle spielen?

Unbedingt. Ich suche dringend nach einer großen Rolle für ihn. Je älter er wird, desto aufregender wird er.

Wie würden Sie den Nico-Hofmann-Stil definieren?

Es gibt keinen Nico-Hofmann-Stil. Es gibt einen Stil, der beispielsweise aus einer Zusammenarbeit von Roland Suso Richter und mir entsteht. Wir sind sehr offen und diskutieren alles - egal ob Musik, Kamera, Drehbuch. Und wir probieren alles aus. Das geht nur mit jemandem, der Ihnen vertraut. Roland und ich haben den gleichen cineastischen Blick.

Arbeiten Sie bei Ihren Produktionen mit Marktforschung?

Marktforschung betreiben wir vor allem im seriellen Bereich gemeinsam mit dem Sender, da erforschen wir beispielsweise Sympathiewerte von Schauspielern. Bei den Events vertraue ich auf mein Bauchgefühl. Bei Nadja Uhl würde ich nie auf die Idee kommen, eine Marktforschung zu machen. Sie war meine Idee für "Die Sturmflut". Sie war zu der damaligen Zeit ein No-Name, alle haben mich angeguckt und gefragt, "Wer ist bitte Nadja Uhl?". Genauso war es bei Bettina Zimmermann. Die habe ich in der "Sturmflut" in einer kleinen Rolle entdeckt und ihr dann gemeinsam mit meiner Mitproduzentin Ariane Krampe und Sat.1 die Hauptrolle in der "Luftbrücke" angeboten. Mein Bauchgefühl täuscht mich selten.

Mit "Verschollen" haben Sie auf RTL immerhin einen Flop produziert. Da hat entweder die Marktforschung oder ihr Bauchgefühl versagt.

Da war zuviel der Marktforschung. Dann wird alles synthetisch.

Werden Fernsehfilme nicht immer häufiger für ein weibliches Publikum konzipiert - weil Frauen die Macht über die Fernbedienung haben?

Ganz klar. Das ist nur bei der "Sportschau" anders. Ansonsten entscheidet das weibliche Publikum. Für die Events ist das noch viel wichtiger, die müssen Familienfernsehen sein. Sie funktionieren nur, wenn sie vom 14- bis zum 70-Jährigen alle Altersgruppen erreichen. Das spiegelt sich auch im Ensemble der "Sturmflut" wider - von Gil Ofarim bis Jutta Speidel waren alle Generationen vertreten. Event-Themen müssen am Sonntagabend zum Familienthema werden, sonst wird der Film kein Erfolg.

Bei den Privaten ist die Trash-Welle angeblich verebbt, jetzt wird es wieder soapiger. Haben Sie Angst vor dem Overkill der Telenovelas?

Ich glaube, die Quoten der Telenovelas werden sich einpendeln, nicht alle laufen gut. Ich bin ja der Meinung, dass Zuschauer ein sehr starkes Qualitätsempfinden haben. Auch ein Film wie "Stauffenberg", der wirklich hochgradig anspruchsvoll war, hatte knapp acht Millionen Zuschauer. Das ist an einem Mittwochabend fast schon eine Sensation. Man denkt immer, die Events müssten auch soapig sein - das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen schauen sich solche Filme mit einem Blick für Akkuratesse an, sie wollen historische Genauigkeit. Es ist erstaunlich, wie viel Begleitmaterial zur "Luftbrücke" in den Buchhandlungen verkauft wurde.

Sie sagten von sich selber, Ihr Bauch spüre gesellschaftliche Trends. Nennen Sie uns drei, die sich auch im Fernsehen niederschlagen werden.

Ein Trend sind Filme und Fernsehspiele mit einem hohen Niveau. Die Leute werden Programme nicht nur zur Unterhaltung anschauen, sondern auch mit dem Wunsch, Wissen zu erwerben. Programme wie "Terra X" im ZDF, aufwendig gemachte Dokumentarfilme, stehen für diesen Trend. Auch die großen Themen Familie/Identität/Psychologie werden zunehmen. Der Bereich Psychoanalyse/Therapie wird ein Thema für die nächsten fünf Jahre. Wir haben jetzt gerade mit Christian Berkel und Andrea Sawatzki für die ARD den Zweiteiler "Die Therapeuten" gedreht. Alles, was mit Identitätssuche und Selbstfindung zu tun hat, wird wichtig werden.

Ein aktueller Trend ist, dass Jugendliche mehr mit dem Handy als mit der Fernbedienung hantieren. Wird teamWorx Filme fürs Handy oder fürs Internet produzieren?

Das wird ganz sicher ein Trend werden. Das Problem ist, dass da ein riesiger Wettstreit entsteht zwischen den Fernsehsendern und den Produzenten. Das wird noch eine Diskussion über die Rechteverteilung geben. Wir sind mit der Ufa dabei, Inhalte für Handys zu kreieren und auch schon zu produzieren. Das wird definitiv ein wichtiger Markt. Murdoch und Fox betreiben das bereits sehr vorbildlich.

Sagen Sie uns doch zum Schluss drei Sätze, unter denen Sie in hundert Jahren in den Handbüchern zur Filmgeschichte stehen wollen.

Mit dem Thema "Luftbrücke" haben wir 13 Millionen Menschen erreicht, mit der "Sturmflut" 23 Millionen Zuschauer. Wenn wir ein Stück authentische Geschichtsbetrachtung in Deutschland liefern können, bin ich stolz darauf.

Das Interview führten Carsten Heidböhmer und Lutz Kinkel

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