Wer nicht für #MeToo ist, könnte selbst MeToo-Täter sein: Mit diesem Verdacht wurden der MeToo-Bewegung kritisch gegenüberstehende Stimmen seit jeher zum Schweigen verdammt.
So kam es, dass der eines MeToo-Übergriffs öffentlich Bezichtigte alles verliert: Job, Familie, Ruf sowieso. Und das, noch ehe irgendwelche behördlichen Ermittlungen angestellt werden oder gar ein rechtskräftiges Gerichtsurteil die Vorwürfe verifiziert.
Jüngstes Beispiel: Der am vergangenen Wochenende angelaufene Film "Billionaire Boys Club" mit Kevin Spacey, der am ersten Tag gerade einmal 126 Dollar in den USA einspielte - bei Produktionskosten von rund 15 Millionen Dollar.
Anders als der Regisseur Ridley Scott oder der Streaming-Dienst Netflix, die schon ob der bloßen (unbestätigten) Vorwürfe gegen Spacey jedwede Zusammenarbeit mit ihm beendeten, hielten die Macher von "Billionaire Boys Club" an dem Projekt mit Spacey fest. "Wir hoffen, dass die erschreckenden Anschuldigungen, die sich auf das Verhalten einer Person beziehen, nicht den gesamten Film beschmutzen", hieß es seitens des Filmverleihs kurz vor Veröffentlichung.
Kevin Spacey bestreitet die Vorwürfe
Dass Kevin Spacey bis heute die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement bestreitet, ja noch nicht einmal eine Anklage erhoben ist, interessiert niemanden. Zwar steht es Aussage gegen Aussage, doch davon hält die #MeToo-Bewegung ebenso wenig wie von der Unschuldsvermutung. Es gilt: Wer behauptet, Opfer von #MeToo zu sein, ist auch Opfer von #MeToo. Wieso sollte denn jemand sonst solche Anschuldigungen erheben?
Die Frage, warum fast alle #Metoo-Opfer erst Jahre, sogar Jahrzehnte später auspacken, ist ebenso unerwünscht, wie der Hinweis darauf, dass autobiografische Erinnerungen bei der Übertragung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis erwiesenermaßen neu zusammengesetzt, geschönt und ergänzt werden. Auch Phänomene wie Pseudoerinnerungen, Beeinflussung, psychische Erkrankung und Autosuggestion können Ursache für Erlebnisschilderungen sein, die nicht der Wirklichkeit entsprechen - bewusste Falschaussagen aus Motiven wie Rache, Eifersucht, Selbstschutz oder der Wunsch, sich schlicht mal wieder in der Öffentlichkeit positionieren, gänzlich ausgeklammert.
Was ist #MeToo?
Was #MeToo genau ist und welche Verhaltensweisen überhaupt unter #MeToo fallen, interessiert auch nicht weiter. "Sexueller Übergriff" heißt es bei Wikipedia. Aber auch das ist ein weit auslegungsfähiger Begriff, wie ein weiterer Akteur der Hollywood-Familie schmerzlich bestätigen wird: Denn als Morgan Freeman zu einer Journalistin gesagt haben soll, "Das Vergnügen war ganz meinerseits. Sehen Sie sich an" und "Stehen Sie auf ältere Männer?", wurden erste Werbeverträge aufgekündigt und breit spekuliert, ob man dem "Sextäter" Morgan Freeman seine zahlreichen Auszeichnungen aberkennen soll.
Seither wird auch Freeman in der fortwährend länger werdenden Liste aller prominenten Männer, die sich #MeToo schuldig gemacht haben, öffentlich auf Wikipedia geführt.
In Schweden wäre das Freeman zwar nicht passiert, dort hat man seit Kurzem nämlich ein neues Gesetz: "Ja heißt Ja". Vor jeder einzelnen sexuellen Handlung muss ausdrücklich zugestimmt werden:
"Darf ich Deinen Oberschenkel berühren?" "Ja".
"Darf ich meinen Penis in Dich einführen?" "Ja".
Dann ist aber der Satz "Stehst Du auf ältere Männer?" eigentlich völlig ok. Lautet die Antwort "Nein" weiß man woran man ist, bei "Ja" auch.
Rabulistische Spitzfindigkeiten
Aber Freeman lebt nicht in Schweden. Und außerdem soll der Satz nach Auffassung von selbsterklärten Belästigungsexpert*innen trotzdem sexuell belästigend - also #MeToo - sein. Zwar hat Freeman niemanden angefasst oder sexuell missbraucht. Auch hat er - anders als die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein - niemanden vergewaltigt. Und was jemand als sexuell oder als belästigend fühlt, ist schließlich rein subjektiv.
Solche rabulistischen Spitzfindigkeiten können beim jüngsten #MeToo-Fall ohnehin dahinstehen. Denn laut Vorwurf soll die italienische Schauspielerin (und zugleich Hauptbeschuldigerin von Harvey Weinstein) Asia Argento dem 20 Jahre jüngeren Kollegen Jimmy Bennett gegenüber sexuell übergriffig geworden sein.
"Die Revolution frisst ihre Kinder", schrie einst Pierre Vergniaud, einer der Initiatoren der französischen Revolution, eh man auch ihm den Kopf auf dem Schafott abschlug.
Den neuesten MeToo-Skandal rund um Schauspielerin Asia Argento kann man aber durchaus moderner umschreiben: #SheToo.
