Eigentlich hatte die Adlernase ihr nicht besonders viel ausgemacht. "Vor ein paar Jahren verlor ich jedoch stark an Gewicht, so dass die Nasenform plötzlich sehr auffiel", berichtet die 36-jährige Spanierin Mercedes Poveda. "Da habe ich mich zu einer Operation entschlossen. In meinem Beruf als Fernsehjournalistin ist das Aussehen von entscheidender Bedeutung."
Spanien ist zum Paradies der Schönheitschirurgie in Europa geworden. Pro Jahr nehmen plastische Chirurgen rund 350.000 ästhetische Eingriffe vor, mehr als in jedem anderen Land des Kontinents. "Die Spanier haben es sich in den Kopf gesetzt, die Schönsten in Europa zu sein", meint die Zeitung "El Mundo". "Sie sind wie verrückt nach dem Skalpell."
Wer wirklich Geld hat, geht nach Madrid
Vor zwei Monaten sorgte der Tod von Nigerias First Lady Stella Obasanjo für Schlagzeilen, die sich in Südspanien im Nobelbadeort Marbella einer Fettabsaugung unterzogen hatte und wenig später gestorben war. Das Schicksal der Frau von Staatspräsident Olusegun Obasanjo erinnerte daran, dass Schönheitsoperationen - wie alle anderen chirurgischen Eingriffe - mit gewissen Risiken verbunden sind. In den Anzeigen der Schönheitskliniken, die neben Reiseagenturen und Automarken für ihre Dienste werben, ist davon kaum die Rede. Dort wird beinahe der Eindruck erweckt, als wäre eine solche Operation so einfach wie ein Besuch beim Friseur.
An der Costa del Sol um Marbella verdient so mancher Mediziner mit dem Boom schnelles Geld. Die Sonnenküste sei zu einer "Küste des Skalpells" geworden, schreibt die Zeitung "El País", weist aber zugleich darauf hin: "Die Prominenten lassen ihr Aussehen nicht in Marbella verschönern. Wer wirklich Geld hat, geht in die renommierten Kliniken nach Madrid oder Barcelona."
"Meine typische Patientin ist die Angestellte eines Kaufhauses"
Die meisten Patienten sind keine Ausländer, die sich in Spanien operieren lassen, sondern Einheimische, zu 80 Prozent Frauen und 20 Prozent Männer. Schönheitsoperationen sind nicht mehr exklusiv etwas für Showstars. "Meine typische Patientin ist die Angestellte eines Kaufhauses, die sagt, sie wolle nicht mehr den Busen einer Zwölfjährigen haben", berichtet der Arzt Luis de la Cruz. In manchen Fällen sollen bereits spanische Eltern ihren Töchtern zum Abitur eine Schönheitsoperation geschenkt haben.
Die populärsten Eingriffe sind Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen, Nasen- und Ohrenkorrekturen, Bauchstraffungen und Liftings. Die Preise liegen zwischen 2000 und 18.000 Euro. Spanien gehörte zu den ersten Ländern in Europa, in denen Schönheitskliniken entstanden. Heute werden ganze Ketten betrieben. Kritische Stimmen gegen die Operationsmode gibt es in Spanien kaum. Eine davon ist die von Carmen Flores. "Die Kliniken schüren irrealistische Erwartungen", meint die Vorsitzende des Verbandes zur Verteidigung der Patienten. "Viele Werbeanzeigen sind trügerisch. Sie zeigen Models, die sich nie operieren ließen."
Ein Arzt berichtet: "Manche Patientinnen kommen mit Fotos von Filmstars und wollen genauso aussehen. Sie verstehen nicht, dass die Chirurgie sie nicht in einen anderen Menschen verwandeln kann." Der Chirurg De la Cruz hält den Zweiflern entgegen: "Ein Psychiater kuriert im Durchschnitt in drei Monaten einen Patienten. Wir sorgen in einer einzigen Woche dafür, dass wenigstens drei Menschen glücklich werden."