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Polizei ermittelt Was bisher über den Giftanschlag in Darmstadt bekannt ist

Die Staatsanwaltschaft ermittelt an der TU Darmstadt wegen eines Giftanschlags
Sehen Sie im Video: Giftanschlag an TU Darmstadt – Staatsanwaltschaft und Polizei bewerten Gefahr weiterer Vergiftungen.
Am Montag wurden mehrere Menschen in Darmstadt wegen Verfärbungen von Körperteilen und Unwohlsein in die Klinik gebracht. Nun ermittelt die Polizei im Fall eines Giftanschlags. Was ist bisher über den Fall bekannt?

Vier Tage nach dem Giftanschlag auf dem Campus der Technischen Universität in Darmstadt laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Eigenen Angaben zufolge gehen die Ermittler von einer vorsätzlichen Tat aus. Eine 40-köpfige Mordkommission mit dem Namen "Licht" geht dem Verdacht des versuchten Mordes durch Unbekannte nach. Ein Überblick über die bisherigen Erkenntnisse.

Was ist am Montag genau passiert?

Am Montag war die Polizei wegen Vergiftungserscheinungen bei sieben Personen an der TU Darmstadt zu einem stundenlangen Großeinsatz ausgerückt. Die Betroffenen klagten über schwere gesundheitliche Probleme bis hin zu bläulichen Verfärbungen der Extremitäten, nachdem sie im Gebäude L2.01 des Fachbereichs Material- und Geowissenschaften der Hochschule am Campus Lichtwiese Milch und Wasser getrunken hatten. Die Polizei ging zunächst von einer Lebensmittelvergiftung aus. Sechs Personen wurden bisher in ein Krankenhaus gebracht, ein 30-jähriger Student schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, haben alle Betroffenen die Klinik mittlerweile wieder verlassen.

Bei dem Großeinsatz, der bis in die frühen Morgenstunden am Dienstag andauerte, wurde das Gebäude L2.01 evakuiert und der Campus weiträumig abgesperrt. Das Präsidium der Universität warnte per Twitter vor dem Verzehr von Lebensmitteln aus den Teeküchen. Die Beamten stellten Proben von Lebensmitteln und Getränken sicher und riefen weitere potenziell Betroffene dazu auf, bei entsprechenden Symptomen den Notarzt zu rufen. Personen, die am Montag im Gebäude L201 etwas gegessen oder getrunken hätten, wurden über die Warn-App Katwarn informiert. Weitere Betroffene hätten sich jedoch nicht gemeldet.

Was ist über die Substanz bekannt?

Die Polizei vermutet, dass ein gesundheitsschädlicher Stoff in mehreren Milch-Packungen und Wasserbehältern für die Vergiftungserscheinungen verantwortlich ist. Laut Oberstaatsanwalt Robert Hartmann haben die Untersuchungen ergeben, dass es sich dabei um potenziell tödliche Substanzen handelt. Wie die Polizei mitteilte, wurden diese den Getränken zwischen Freitag und Montag zugeführt. Besonders auffällig sei "der beißende Geruch der betroffenen Flüssigkeiten". Aus ermittlungstechnischen Gründen könne die Substanz aber noch nicht öffentlich benannt werden, da es sich um Täterwissen handele. Eine Mordkommission ermittelt derzeit wegen versuchten Mordes.

Gibt es ein Motiv?

Auch über die Hintergründe zu der Tat ist bisher wenig bekannt. Die Polizei ermittle in alle Richtungen, teilte ein Sprecher am Dienstag mit. Weitere Zeugenbefragungen könnten Hinweise auf das mögliche Motiv liefern, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber dem "Spiegel". Hinweise, dass ein Giftanschlag auf die TU geplant gewesen sein, gab es nicht. "Bei uns sind im Vorfeld keine Drohschreiben oder ähnliches eingegangen", sagte Universitätssprecher Jör Feuck dem Magazin. Vergleichbare Vorfälle habe es in der Vergangenheit weder an der TU Darmstadt, noch in Hessen gegeben.

Zieht die TU Darmstadt Konsequenzen aus dem Vorfall?

Bereits am Montag hatte die TU von einem mutmaßlichen Giftanschlag gesprochen. "Wir sind erschüttert angesichts der offensichtlichen Straftat, die sich an unserer Universität ereignet hat", erklärte TU-Präsidentin Tanja Brühl. "Mein Mitgefühl gilt den Betroffenen, die umfassend ärztlich versorgt werden." Brühl kündigte an, mit ihnen "so schnell wie möglich" Kontakt aufzunehmen, sofern es der Zustand erlaube. Sie empfahl, in den kommenden Tagen vorsorglich keine in Teeküchen oder anderen Räumen der Universität aufbewahrten Lebensmittel und Getränke zu verzehren oder zuzubereiten. TU-Kanzler Manfred Efinger teilte mit, dass die Uni psychologische Hilfe anbieten wolle. Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) sicherte der Universität ihre "vollumfängliche Unterstützung" zu. Der Vorfall müsse schnellstmöglich aufgeklärt werden.

Gab es bereits ähnliche Vorfälle?

Im Mai vergangenen Jahres verurteilte das Landgericht Gießen eine Krankenschwester aus dem hessischen Bad Nauheim zu drei Jahren Haft. Sie soll Beruhigungs- und Schlafmittel in selbstgebackene Kekse für Kollegen gemischt haben. Diese litten nach dem Verzehr unter Schwindel und wurden bewusstlos.

Zuvor vergiftete ein Mann in der Gemeinde Schloß Holte-Stukenbrock (NRW) die Pausenbrote seiner Kollegen mit einer Mischung aus Blei-, Quecksilber und Cadmiumverbindungen. Er wurde im März 2019 vom Landgericht Bielefeld wegen versuchtem Mord zu lebenslanger Haft und einer anschließenden Sicherheitsverwahrung verurteilt. Eines der Opfer starb im Januar 2020 nach jahrelangem Wachkoma.

Quellen: DPA, AFP, "Der Spiegel"

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