Jahresrückblick 2007 Sarkozys Träume beim Rasieren

Er träumte selbst beim Rasieren vom Amt, und 2007 war es dann so weit: Nicolas Sarkozy wird zum französischen Präsidenten gewählt. Doch seitdem geht es für konservativen Hoffnungsträger fast nur noch bergab - nicht nur politisch.

"Nicht nur beim Rasieren!" antwortete Nicolas Sarkozy schon 2002 auf die Frage, ob er auch schon morgens daran denke, französischer Staatspräsident zu werden. Fünf Jahre später, Mitte Januar 2007, macht er sich daran, seinen Traum zu verwirklichen: Auf einem Sonderkongress seiner Partei, der "Union pour un mouvement populaire" (UMP) wird er mit überzeugenden 98,1 Prozent zum Präsidentschaftskandidaten bestimmt.

Noch kurz zuvor, im Jahr 2005, drohte seine politische Karriere in den Flammen der Pariser Vorstädte aufzugehen. Sarkozy, damals französischer Innenminister, hatte bei einem Besuch in La Courneuve jugendliche Straftäter mehrfach als "Gesindel" bezeichnet, die man am besten "wegkärchern" müsse. Nicht zuletzt wegen dieser gänzlich unpräsidialen Äußerung hielten die Krawalle und Brandstiftungen in den Vorstädten wochenlang das ganze Land in Atem.

Sarkozy plötzlich Sprecher der Schwachen

Nachdem die Brände mithilfe eines Ausnahmezustands und massiven Polizeieinsatzes gelöscht waren, verfolgt Frankreich 2007 gespannt den Wahlkampf zwischen ihm und seiner Widersacherin Ségolène Royale von der Parti Socialiste (PS). Immer drohen ihm seine markigen Sprüche auf die Füße zu fallen. Er sei ein rechtslastiger Populist, wirft Royale ihm vor. Sie selbst aber offenbart immer wieder peinliche Wissenslücken und lässt die Wähler vor allem über ihre politischen Ziele im Unklaren. Erst im Februar präsentiert sie 100 Reformvorschläge - nur zehn Wochen vor dem ersten Wahlgang.

Doch da liegt Sarkozy schon in allen Umfragen vor seiner Konkurrentin. Populist hin oder her - seine klaren Ansagen kommen an und nicht zuletzt geriert sich Sarkozy plötzlich als Sprecher der Schwächsten und der schweigenden Mehrheit.

Chirac macht den Weg frei

Doch dann droht dem siegesgewissen Sarkozy Gefahr von unerwarteter Seite: Staatspräsident Jacques Chirac will einfach nicht bekanntgeben, ob er für eine weitere Amtszeit kandidieren möchte oder nicht. Erst am 11. März kommen die für den UMP-Kandidaten erlösenden Worte: "Das Ende meines Mandats ist gekommen, ich werde mich nicht mehr bewerben."

Nach dem ersten Wahlgang im April ist der Weg für den Zweikampf zwischen Sarkozy und Royal endgültig frei: Mit 30 Prozent für den Konservativen und 25 Prozent für die Sozialistin lassen die beiden ihre übrige Konkurrenz im Kampf um den Élysée-Palast hinter sich.

Was folgt, ist ein historischer Schlagabtausch Anfang Mai in einem Fernsehstudio. Zweieinhalb Stunden lang - eine halbe Stunde länger als geplant - liefern sich Sarkozy und Royale eine Debatte, deren Interpretation das Land spaltet: Sarkozy gibt den besonnenen Staatsmann. Das Volk kürt ihn zum Sieger. Royale dagegen kämpft und wird von den Medien als Gewinnerin gefeiert.

Hoffnung, dass sich etwas bewegt

Drei Tage danach haben die Wähler das letzte Wort - Sarkozy erringt den größten Sieg seiner Karriere: Er ist der neue Staatspräsident Frankreichs. Ein Wahlergebnis, das nicht allen Franzosen passt: In mehreren französischen Städten protestieren Anhänger Ségolène Royals gegen den neuen starken Mann im Élysée-Palast. Es fliegen Flaschen und Pflastersteine, die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Doch insgesamt überwiegt in Frankreich die Hoffnung, dass sich im Land nun endlich etwas bewegt.

Für den Sieger Sarkozy selbst ergeben sich nicht nur berufliche Veränderungen, sondern auch private. Kurz nach der Wahl deutet sich die Ehekrise an: Bei der Feier des Wahlsieges scheint das eheliche Glück inszeniert, Cécilia Sarkozy zeigt sich nur noch in Ausnahmefällen an der Seite ihres Mannes. Schon einmal hatte sie ihn für einen anderen Mann verlassen, kehrte aber nach einem Jahr an Sarkozys Seite zurück. Nun kommen Gerüchte auf, sie habe nicht gewählt und damit ihrem Mann die Stimme verweigert.

"Ich bin politisch nicht korrekt"

Beim G8-Gipfel in Heiligendamm schaut Cécilia Sarkozy nur kurz auf der diplomatischen Bühne vorbei, pfeift auf das Protokoll und reist frühzeitig ab, um ihrer Tochter eine Party zu deren 20. Geburtstag zu organisieren. Im August besuchen die Sarkozys US-Präsident George W. Bush auf dessen Landsitz. Bei einem Essen entschuldigt Nicolas Sarkozy die Abwesenheit seiner Frau mit Halsweh. Am Tag zuvor und auch am Tag danach ist Cécilia aber wohlauf und wird mit Freunden beim Shopping gesehen. "Ich bin politisch nicht korrekt" hatte Cécilia einmal in einem Interview gesagt.

Mitte Oktober platzt die Bombe: Der Élysée-Palast bestätigt, dass Nicolas und Cécilia Sarkozy sich getrennt haben. "Das öffentliche Leben entspricht mir nicht", sagt die neue Ex-Frau von Nicolas Sarkozy kurz nach der Scheidung in einem Interview. Eine Erkenntnis, die ihr sicherlich nicht erst nach der Wahl ihres Mannes zum Präsidenten gekommen sein dürfte.

Der Abstieg beginnt

Und Cécilia ist nicht die Einzige, die sich vom Präsidenten abwendet: Auch das Volk entzieht ihrem Präsidenten die Liebe. Zwar kann Sarkozy fünf Wochen nach der Präsidentschaftswahl auch die Parlamentswahlen für seine Partei gewinnen und außenpolitisch kann Sarkozy mit der Befreiung bulgarischer Krankenschwestern aus libyscher Haft punkten. Doch nach der Präsidentschaftswahl beginnen seine Umfragewerte zu sinken.

Beim Besuch in Washington wird Sarkozy die Glätte des internationalen Parketts besonders deutlich. Als Beispiel für gelungene Einwanderung, sagt er, auch die Familie von US-Außenministerin Condoleezza Rice sei ja noch nicht seit langem Bürger der USA. Doch die Bemerkung war ein peinlicher Fauxpas: Tatsächlich waren schon Condoleezza Rices Urgroßeltern in die USA eingewandert.

Popularitätswerte rutschen ab

Viel schwerer als solche Ausrutscher wiegt aber für die Franzosen, dass von dem berühmten Elan, deretwegen der Präsident "Speedy-Sarkozy" genannt wird, nicht viel im Land ankommt. Denn positive Ergebnisse seiner Reformprojekte seien bisher kaum zu sehen, sagt die Politologin Florence Haegel. Und das, was er anpackt, ist auch nicht besonders populär. Gegen Sarkozys Beamtenreformen streiken im November Eisenbahner, Studenten und Juristen. Seit dem Sommer sind Sarkozys Popularitätswerte von 70 auf gut 50 Prozent abgerutscht.

Im Frühjahr 2008 stehen in Frankreich die wichtigen Kommunalwahlen an. Nicht ausgeschlossen, dass die Franzosen Sarkozy schon bei dieser Gelegenheit abstrafen, und er sich beim Rasieren neue Ziele setzen muss.

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