Concorde-Absturz Strafgericht verurteilt US-Fluglinie Continental

Zehn Jahre nach dem Concorde-Absturz hat ein französisches Gericht die US-Fluggesellschaft Continental Airlines verurteilt. Ein Star- Anwalt wittert einen Fall von Protektionismus.    

Es sieht nicht so aus, als könne der Absturz des französischen Überschallflugzeugs Concorde in der Nähe von Paris nach zehn Jahren zu den Akten gelegt werden. Ein französisches Strafgericht gab am Montag zwar der US-Fluggesellschaft Continental die Schuld an der Katastrophe mit 113 Toten, darunter 97 Deutsche. Doch Continental-Anwalt Olivier Metzner kündigte umgehend Berufung an. "Das ist ein Urteil, das allein die Interessen Frankreichs schützt", kritisierte der Star-Jurist. Der Kampf um technische Fragen, den sich Continental und die Concorde-Fluglinie Air France in dem vier Monate dauernden Prozess geliefert hatten, geht also in die nächste Runde.

Konkret geht es um ein etwa 40 Zentimeter langes Metallstück, das eine Continental-Maschine am 25. Juli 2000 auf der Startbahn des Pariser Flughafens Roissy-Charles de Gaulle verlor. Die Lamelle aus Titan zerschnitt wenig später beim Start der Concorde einen Reifen; herumfliegende Teile beschädigten einen Treibstofftank des Überschallflugzeuges, der sich entzündete. Continental hatte versucht nachzuweisen, dass die Concorde schon vorher brannte. Doch Zeugenaussagen und eine mehr als halbe Million Euro teure 3-D-Animation des Unglückshergangs überzeugten die Richter nicht: "Keiner der materiellen Befunde und Zeugenaussagen stützt diese These", befand das Tribunal.

In seinem Urteil ging das Gericht noch über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus: Continental muss eine Strafe von 200.000 Euro zahlen, 25.000 Euro mehr als von den Staatsanwälten gefordert. Außerdem bekommt Air France von der US-Fluggesellschaft eine Million Euro Schadensersatz. Continental warfen die Richter "mangelnde Wartung" vor.

Auch der einzige Verurteilte ist ein Continental-Mitarbeiter: Der Techniker John Taylor erhielt 15 Monate Haft auf Bewährung, weil er die Lamelle schlecht produziert und befestigt hatte. Sein Chef sowie alle drei französischen Angeklagten wurden freigesprochen. Den Franzosen könne zwar Nachlässigkeit, aber kein "bezeichnender Fehler" vorgeworfen werden, befand das Gericht. Das gilt insbesondere für Henri Perrier, den 81-jährigen "Vater" der Concorde, der aus Gesundheitsgründen nicht zur Urteilsverkündung erschienen war.

Damit wuschen die Richter im Nachhinein die Concorde rein, dieses "mythische Flugzeug", wie die Vorsitzende Richterin Dominique Andréassier es nannte. Der Stolz der französischen Luftfahrt, der für die Strecke Paris-New York nur dreieinhalb Stunden brauchte, erholte sich von dem Absturz nie mehr und stellte seinen Betrieb 2003 ein. Der Concorde-Betreiber Air France sprach denn auch von einem "legitimen Urteil".

Kritik kam nicht nur von Continental, sondern auch von Roland Rappaport, dem Anwalt der Familie des Piloten und von zwei Flugbegleitergewerkschaften. "Wie kann man sagen, dass Continental einen bezeichnenden Fehler gemacht hat und auf der französischen Seite nur Nachlässigkeiten begangen wurden?" Mit dieser Frage wird sich das Berufungsverfahren beschäftigen müssen. Außen vor bleibt dabei einmal mehr die menschliche Dimension der Tragödie. Die Hinterbliebenen der deutschen Opfer, fast alles Urlauber auf dem Weg zu einer Kreuzfahrt, waren von Air France bereits ein Jahr nach dem Absturz entschädigt worden und deshalb bei dem Prozess nicht vertreten.

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Christine Longin, AFP/DPA

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