Ein Angreifer hat in Frankreich zwei Grundschülerinnen am Donnerstag mit einem Messer leicht verletzt und eine ganze Ortschaft nahe Straßburg in Angst und Schrecken versetzt. Nach dem Angriff am Donnerstag in Souffelweyersheim wurde ein Tatverdächtiger festgenommen, teilte die Staatsanwaltschaft in der Elsassmetropole mit. Der etwa 30 Jahre alte Mann kam in Polizeigewahrsam. Die beiden sieben und elf Jahre alten Schülerinnen erlitten oberflächliche Schnittverletzungen. Sie konnten die Universitätsklinik in Straßburg nach kurzer Behandlung wieder verlassen.
Dennoch gibt es ein Todesopfer zu beklagen: Während des Polizeieinsatzes wurden die betroffene und benachbarte Schulen abgeriegelt, die Schülerinnen und Schüler mussten in den verschlossenen Gebäuden ausharren. In dieser Zeit erlitt eine 14-Jährige nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Herzstillstand. Wie der Schulleiter Olivier Faron am Freitag mitteilte, war das Lehrpersonal der Jugendlichen schnell zu Hilfe geeilt und hatte die Rettungskräfte alarmiert. Dennoch sei die Schülerin am späten Nachmittag gestorben.
Der Schuldirektor versicherte, das Personal habe die Regeln für die Abriegelung der Schule "äußerst präzise und strikt" umgesetzt. Leider sei die 14-jährige Schülerin währenddessen in eine extreme Stresssituation geraten, so dass sie einen Herzstillstand erlitten habe. Die Straßburger Staatsanwältin Yolande Renzi kündigte eine Untersuchung der genauen Todesumstände an. Ob das Mädchen an Herzproblemen litt, war zunächst nicht bekannt.
Täter stach Schülerin unvermittelt in Hals
Nach der Mittagspause der Grundschule gegen 14 Uhr am Donnerstag hatte der Angreifer der Elfjährigen am Eingang unvermittelt einen Stich in den Hals versetzt und sei weggerannt, während die Schule die Polizei alarmierte. Auf seiner Flucht kreuzte der Mann den Weg einer Mutter mit ihrer siebenjährigen Tochter, der er in den Nacken stach. Beamte der Gendarmerie verfolgten den Täter und nahmen ihn kurz darauf fest, wobei dieser Widerstand leistete, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Täter sei nicht in die Schule eingedrungen, betonten die Behörden.
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Das Motiv des Angreifers liegt noch im Dunkeln. Wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstagabend mitteilte, gebe es keinerlei Hinweise auf eine Radikalisierung des Täters oder einen terroristischen Hintergrund für die Tat. Bislang gibt es auch keine Hinweise darauf, dass der 1995 geborene Angreifer eine Verbindung zur Schule hatte. Der Mann könnte aber nach ersten Erkenntnissen psychisch labil sein.
Ministerin spricht von unerträglicher Tat
Bildungsministerin Nicole Belloubet sicherte den angegriffenen Mädchen und ihren Familien die volle Unterstützung zu. "Angesichts dieser neuen unerträglichen Tat muss sofort entschlossen reagiert werden." Sicherheitsmaßnahmen würden getroffen und eine psychologische Betreuung organisiert.
In Frankreich gilt im Moment die höchste Terrorwarnstufe und Schulen werden schon seit Längerem besonders geschützt. "Ich hatte Panik, ich dachte sofort an meinen Sohn", sagte eine Mutter dem Sender BFMTV vor der Schule. "Das tut weh zu wissen, dass so etwas in einer Schule passieren kann."
Zuletzt hatten mehrere brutale Gewalttaten vor Schulen Frankreich erschüttert. So war am Dienstag vergangener Woche ein 15-Jähriger in Romans-sur-Isère erstochen worden, als er einen Streit schlichten wollte.
Tote und Verletzte durch Jugendgewalt
In der Woche davor war ein 15-jähriger Schüler im Pariser Vorort Viry-Châtillon von vier jungen Männern erschlagen worden. Die unter Mordverdacht festgenommenen drei 17-Jährigen sowie ein 20-Jähriger sollen den Schüler auf dem Heimweg von der Schule zusammengeschlagen und bewusstlos liegen gelassen haben. Er wurde in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert, verstarb dort aber. Zuvor war in Montpellier eine 13-Jährige nahe ihrer Schule überfallen und ins Koma geprügelt worden.
Der Angriff in Souffelweyersheim erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem Premierminister Gabriel Attal eine Reihe von Maßnahmen im Kampf gegen die zunehmende Gewalt im Schulumfeld in Aussicht stellte. Laut der französischen Tageszeitung "Le Monde" reiste Attal am Donnerstag gemeinsam mit Ministern und Staatssekretären nach Viry-Châtillon, wo ein 15-Jähriger ums Leben gekommen war. Vom Rednerpult vor dem Rathaus aus rief er zu einem "echten Autoritätsschub" auf, der es ermöglichen solle, die Gewalt eines Teils der Jugend einzudämmen. "Heute ist es die Republik, die zurückschlägt", erklärte er vor Gemeindevertretern. "Das ist es, was wir von Viry-Châtillon aus anstoßen wollen: die allgemeine Mobilisierung der Nation, um wieder mit ihren Jugendlichen in Kontakt zu treten und die Gewalt einzudämmen." Laut "Le Figaro" sagte er auch: "Die Kultur der Entschuldigung ist beendet."
Frankreich diskutiert Konsequenzen
Attal kündigte an, Frankreichs Ordnungskräfte und Rechtssystem "finanziell und materiell" aufzurüsten. Der ehemalige Bildungsminister sagte laut "BFMTV" auch: "Nein, unsere Jugendlichen sind nicht kaputt". Er räumte jedoch ein, dass es schwierig sei, "die Jugend in ein gemeinsames Ideal einzubinden". Er kündigte an, "die Dinge richtig zu benennen, nach den Ursachen zu suchen und vor allem Lösungen zu finden".
Wie so oft fordern die ersten angesichts der aktuellen Jugendgewalt härtere Strafen. In Frankreich gibt es kein festes Alter für Strafmündigkeit, Minderjährige kommen jedoch vor ein Jugendgericht. Die Strafen dort variieren je nach Altersspanne (unter 13 Jahre, 13 - 15 Jahre, 16 - 18 Jahre alt). Erst mit Vollendung des 13. Lebensjahres kann gegen einen Täter eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden. Die Debatte, ob das noch angemessen ist, dürfte bald schon Fahrt aufnehmen.
Quellen: AFP, DPA, "Le Monde" zu Attals Maßnahmen, "Le Figaro" zu Attals Maßnahmen, "BMFTV" zur Attacke von Souffelweyersheim, "Bundestag.de" zu Strafmündigkeit in EU-Staaten (PDF).