Mordfall Susanna Eine Ausreise mit gefälschten Papieren in das Land der angeblichen Verfolgung - wie kann das sein?

Fahndungsfoto des Gesuchten Ali B.
In Wiesbaden fotografiert ein Mann eine Stellwand mit dem polizeilichen Fahndungsfoto des Gesuchten Ali B. Der 20-jährige Iraker gilt im Fall des gewaltsamen Todes von Susanna F. als dringend tatverdächtig und hat sich offenbar in den Irak abgesetzt.
Nach dem Mordfall Susanna geht die deutsche Presse mit der Bundesregierung und den Behörden hart ins Gericht. Die grausame Tat zeige wie in einem Brennglas, was schief gelaufen sei seit dem großen Flüchtlingsstrom von 2015, so der Tenor einiger Kommentare. Ein Überblick.

Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt, als diese Pressestimmen veröffentlicht wurden, war der tatverdächige Iraker Ali B. noch auf der Flucht. Am Freitagmittag wurde bekannt, dass er in der Nacht im Nordirak durch kurdische Sicherheitsbehörden festgenommen wurde.

"Hessische Niedersächsische Allgemeine" (Kassel): Man fragt sich: Was bedeutet es für die deutschen Grenzkontrollen, dass ein Migrant mitsamt seiner insgesamt achtköpfigen Familie und zwei kompletten Sätzen gefälschter Papiere mal eben in das Land zurückreisen kann, in dem ihm angeblich Verfolgung droht? Wieso funktionierten die Kontrollen am Flughafen nicht? Aber auch umgekehrt: Warum kann jeder, der Deutschland auf dem Landweg erreicht, hier Asyl begehren, obwohl das Grundgesetz in Artikel 16a genau diese Fälle wegen der sicheren Nachbarstaaten ausdrücklich ausschließt? Immer klarer aber wird, dass der Weg zu einer Neuordnung der deutschen Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik, die breit gesellschaftlich getragen wird, gerade erst begonnen hat. Und er wird lang und steinig.

"De Telegraaf" (Amsterdam): Der aufsehenerregende Fall spielt sich auf dem Höhepunkt der deutschen Asylaffäre ab, die für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister immer gefährlicher wird. Vor allem in Bremen und Berlin sind Hunderte von Aufenthaltsgenehmigungen möglicherweise aufgrund falscher Angaben oder durch Betrug von Beamten, Rechtsanwälten und Übersetzern erteilt worden. (...) In jedem Fall ist dies Wasser auf die Mühlen der nationalistischen Alternative für Deutschland, der Oppositionspartei, die Kanzlerin Merkel wegen ihrer großzügigen Flüchtlingspolitik angreift." 

"Wiesbadener Kurier": Die Flüchtlinge. Nein, es sind nicht die Flüchtlinge, es sind Einzelne der Flüchtlinge, die Verbrechen verüben. Ich höre schon die Wuttrompeten - dieses Differenzieren sei nur ein arrogantes Verharmlosen. Ist es nicht. Dass man die Dinge in der Sache differenziert auf den Punkt bringen kann, hat am Donnerstag die gemeinsame Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft in Wiesbaden gezeigt. Klartext in der Sache, was die Person des dringend tatverdächtigen Asylbewerbers angeht, was die Umstände der Flucht seiner Familie betrifft. Das war transparent und konsequent. Mit dieser Art der Information steht niemand im Verdacht, "unliebsame" Dinge verschweigen zu wollen.

"Ludwigsburger Kreiszeitung": Auf der Seite der mutmaßlichen Täter aber offenbart dieser Mord wie in einem Brennglas alles, was schief gelaufen ist seit dem großen Flüchtlingsstrom von 2015. Antragsteller, deren Asylgründe komplett vorgeschoben sind, und die damit weit kommen. Identitäten, die frei erfunden werden. Nicht einmal fällt auf, dass bei der Flucht einer ganzen Großfamilie zurück in das Land ihrer angeblichen Verfolgung am Düsseldorfer Flughafen Dokumente mit verschiedenen Namen vorgezeigt werden. Einer der Tatverdächtigen war massiv kriminell auffällig und als Asylbewerber schon abgelehnt. Trotzdem durfte er bleiben. Der Fall zeigt: Wer wollte, konnte den 2015 eingetretenen Kontrollverlust ausnutzen - und kann es bis heute. Wie blauäugig sind die Behörden? Und wie schlecht organisiert? Der Bamf-Skandal zeigt: Extrem schlecht.

"Bild“-Zeitung" (Berlin):  In den letzten Monaten sind zu viele Kinder (aber nicht nur Kinder) von Menschen ermordet worden, die längst nicht mehr in Deutschland hätten sein dürfen. Menschen, die in unserem Rechtsstaat kein Recht hatten, hier zu sein, und trotzdem hier waren. Menschen, die diesen Staat bei ihrer Einreise belogen und betrogen haben und trotzdem hier waren. Gewalttäter, die für ihre Taten längst hätten ausgewiesen werden müssen und trotzdem hier waren. (…) Verbrechen wie diese sind Sprengstoff für unsere Gesellschaft. Denn sie sind der bittere Beleg dafür, dass dieser Staat nicht mehr ausreichend Kontrolle darüber hat, wer sich innerhalb unserer Grenzen aufhält. Es ist nicht so, dass es kein Recht gäbe. Es wird nur nicht ausreichend durchgesetzt. Das vernichtet Vertrauen. Und ja, natürlich gibt es auch deutsche Kriminelle. Aber das ist in Fällen wie diesen die denkbar dümmste Ausflucht.

"Der Tagesspiegel" (Berlin): Das Unsicherheitsgefühl bei denen, die sich verunsichern lassen, wird weiter zunehmen, und damit auch der Groll auf die Behörden, auf die Politik, auf alle, die das aus deren Sicht zulassen. Die Wut auf diejenigen Flüchtlinge wird steigen, die statt dankbar zu sein für Aufnahme, Kost und Logis, kriminell werden – besonders dann, wenn die Opfer aus der Gesellschaft stammen, die sie aufgenommen hat.

Auch wächst offenbar die Wut auf diejenigen, die dieses Muster nicht erkennen wollen, die aus Sicht der Verunsicherten Kriminalitätsstatistiken verharmlosen oder wohl meinten, Flüchtlinge seien per se bessere Menschen. Umgekehrt wird allzu oft ebenso vereinfacht – wer Angst hat, wird als Nazi oder Rassist beschimpft.

Verbrechen in Wiesbaden: Susanna ist tot - das ist über den Fall (bisher) bekannt
Die 14-jährige Susanna wurde in Wiesbaden vergewaltigt und ermordet
© Polizei Wiesbaden / DPA
Verbrechen in Wiesbaden: Susanna ist tot, Ali B. festgenommen - das ist über den Fall (bisher) bekannt
DPA
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