Die Lage im Erdbebengebiet in der türkisch-syrischen Grenzregion ist dramatisch. Tausende Helfer suchen unter den Trümmern nach Überlebenden. Manchmal halten sie inne und schweigen, um nicht die leisesten Hilferufe zu überhören, wie es ein Video der britischen BBC aus der türkischen Stadt Adana zeigt. Viele Verschüttete melden sich über ihre Handys und verschicken Nachrichten über die sozialen Medien, um ihre Position anzugeben.
Noch drängender als das Problem, Opfer zu übersehen, ist der Kampf gegen die Zeit, der durch die eisige Kälte noch erschwert wird. Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr schwindet die Hoffnung, Verschüttete lebend zu bergen. "Man sagt, dass nur wenige Tage eigentlich bleiben", sagt Henri Paletta, Vizepräsident des Bundesverbands Rettungshunde. So lange bestehe Hoffnung, Menschen lebend zu finden.
72 Stunden sind das Limit. Danach noch Überlebende zu finden, gilt als unwahrscheinlich. Allerdings seien in der Vergangenheit auch Menschen nach vier oder fünf Tagen gerettet worden, sagt Paletta. "Wir hoffen natürlich immer auf Wunder."
Mittlerweile sind zahlreiche internationale Helfer zur Unterstützung in dem Katastrophengebiet eingetroffen oder befinden sich auf dem Weg. Dazu gehört ein 50-köpfiges Team des Technischen Hilfswerks (THW), das auf die Ortung und Rettung von verschütteten Menschen spezialisiert ist.
Retter ziehen sechsköpfige Familie aus Trümmern und Menschen feiern
Kleine oder größere Rettungswunder, die den Hilfskräften trotz der schlimmen Lage Mut geben, haben sich jetzt schon ereignet. Bilder des TV-Senders n-tv zeigten zum Beispiel die Bergung einer Frau in der Provinz Kahramanmaras, wo sie 48 Stunden lang unter den Trümmern eines Hotels überlebte und in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. In Kahramanmaras lag das Epizentrum des Jahrhundertbebens.

Auch die Bilder eines neugeborenen Babys, an dessen Bauch die Reste der Nabelschnur hingen, gingen um die Welt. Das Kind wurde nach Einschätzung eines Arztes etwa sieben Stunden geboren, nachdem das vierstöckige Haus der Flüchtlingsfamilie im Ort Dschandairis in der Region Afrin eingestürzt war.

Angehörige begannen sofort mit der Suche, konnten aber nur das Baby retten. Es erlitt Prellungen, der Zustand des 3175 Gramm schweren Neugeborenen sei stabil, sagt der Arzt. Für den Rest der Familie kam jede Rettung zu spät. Mutter, Vater, drei Schwestern, ein Bruder und eine Tante ließen ihr Leben.

Vor Ort feierten die Menschen außergewöhnliche Rettungsaktionen, wie Bilder eines BBC-Videos zeigen. Im nordsyrischen Idlib ziehen Retter eine ganze Familie aus einem zerstörten Gebäude. Erst den Vater (insgesamt zwei Erwachsene heißt es), dann vier Kinder, die unter lauten Allahu-Akbar-Rufen ("Gott ist groß") der jubelnden Menschen zu einem Krankenwagen getragen werden.

In der türkischen Provinz Hatay fingen die Fotografen ebenfalls rührende Bilder ein. Dort bargen Retter den achtjährigen Jungen Yigit Cakmak nach 52 Stunden, die er eingeschlossen unter den Trümmern überlebt hatte. Seine Mutter verfolgte die Rettung und umarmte ihren Sohn (im Bild oben), dessen Gesichtsausdruck alles sagt.

Das jüngste Beispiel für eine gelungene Rettungsaktion kam ebenfalls aus Hatay. Rettungskräfte gelang es tatsächlich, nach 58 Stunden unter Trümmern ein vier Monate altes Mädchen zu retten. Die Helfer stiegen in eine Lücke zwischen den eingestürzten Hauswänden, wickelten das Baby in eine Decke und hoben es heraus, wie Aufnahmen zeigten. Die Kleine wimmerte. Die Retter versuchten, den Säugling zu beruhigen. Die Suche nach den Eltern geht nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA weiter.
Quellen: DPA, AFP, BBC News, n-tv,"The Guardian"