Markus Söder ist vorgeprescht: "Paris ändert alles", twitterte Bayerns Finanzminister unmittelbar nach den Terroranschlägen und drängt damit erneut vehement auf eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik. In der Tat steht die Frage im Raum, wie die Politik auf den brutalen Terror von Paris reagieren soll. Grenzen dicht? Mehr Polizei? Der stern hat nachgefragt bei CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Das Attentat in Paris hat großes Entsetzen ausgelöst. Was für Folgen befürchten Sie für Deutschland?
Die Wahrheit ist doch, dass wir in Europa seit vielen Jahren furchtbare terroristische Anschläge erleben. Das ist leider nichts Neues, denken sie an die furchtbaren Anschläge in London, Madrid oder Brüssel. Und wir können in Deutschland bisher eher von Glück sprechen, dass bei uns noch nichts passiert ist. Absolute Sicherheit gibt es nicht, kann es nicht geben. Aber wir müssen endlich begreifen, dass unsere Freiheit, unsere Art zu leben, nichts Selbstverständliches ist. Sie muss jeden Tag verteidigt werden. Und da reichen keine Lichterketten, da braucht es notfalls auch entschlossene Gegenwehr unter Einsatz von Gewalt.
Jens Spahn ...
... ist Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Präsidium der CDU. Der 35-Jährige arbeitet als Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium von Minister Wolfgang Schäuble.
Viele Menschen werden jetzt Angst vor Flüchtlingen bekommen. Was sagen Sie den Menschen?
Bitte jetzt die Nerven behalten und die Dinge nicht unbotmäßig vermischen. Viele derjenigen, die bei uns Schutz suchen, fliehen vor genau den Terroristen, die da in Paris gewütet haben. Es wäre weder fair noch richtig, sie jetzt pauschal unter Generalverdacht zu stellen.
Ein oder zwei Täter seien auf der Flüchtlingsroute nach Paris eingereist, heißt es. Fürchten Sie, dass weitere Attentäter im Schutz der Flüchtlinge einreisen und lässt sich das verhindern?
Was die meisten Menschen doch eigentlich beunruhigt, das ist der Kontrollverlust an der Grenze. Dass wir nicht wissen, wer sich im europäischen Schengen-Raum und in Deutschland aufhält, woher die vielen Flüchtlinge und Migranten kommen, wohin sie gehen. Ja, wir wissen ja nicht einmal genau, wie viele zigtausend Menschen unregistriert in Deutschland und Europa unterwegs sind. Wir müssen endlich die Kontrolle über die EU-Außengrenze zurückgewinnen, sonst wird Schengen auseinanderfliegen. Viel Zeit bleibt da nicht. Die Deutschen werden fragen, warum Schweden oder jetzt Frankreich seine Grenze kontrollieren kann, Deutschland aber nicht. Und ich kann diese Frage verstehen.
Das Attentat werden rechte Politiker und Scharfmacher nutzen, um Stimmung gegen Asylbewerber zu machen. Wie lässt sich das stoppen?
Indem wir die Menschen mit ihren Fragen und Ängsten ernst nehmen, statt sie als "Pack" zu beschimpfen. Und indem wir keinen Millimeter vor dem Terror zurückweichen. Die islamistischen Attentäter wollen uns und unsere Seelen verunsichern, sie wollen, dass wir verzagen und kleinmütig werden, sie wollen uns mit Hass vergiften. Unsere Antwort muss lauten: Jetzt erst recht! Deswegen ist es richtig, dass Fußballspiele und Feierlichkeiten wie geplant stattfinden. Und übrigens würde ich mir wünschen, dass endlich auch die Verbände der Muslime in Deutschland viel stärker aufstehen und für Meinungs- und Religionsfreiheit kämpfen. Sich von der Gewalt distanzieren, das reicht nicht. Der Wert der Freiheit, das gehört in diesen Tagen in jede Predigt, in der Kirche, in der Synagoge und in der Moschee. Jetzt ist nicht die Zeit für Zweideutigkeiten.
Eine weitere Gefahr ist, dass die Gewalt gegen Flüchtlinge zunehmen könnte. Müssen wir jetzt mehr in Sicherheit und Polizei investieren?
Unbedingt. Ich kann diese Floskel von der "ganzen Härte des Gesetzes", die immer wieder bemüht wird, nicht mehr hören. Wir sind doch schon seit Jahren nicht in der Lage, den mafiösen libanesischen Familienclans in Berlin oder osteuropäischen Einbruchsbanden in NRW Herr zu werden. Wie soll unsere Polizei jetzt unsere Werte und Regeln durchsetzen, Flüchtlinge vor rechten Spinnern schützen, aber auch Gewalt in den Flüchtlingsunterkünften unterbinden, wenn sie schlicht und ergreifend schon in normalen Zeiten am Limit war? Polizei, Verfassungsschutz und Geheimdienste brauchen mehr Personal und deutlich mehr Mittel. Sie haben unser Vertrauen verdient, denn sie sind es, die unsere Freiheit unter Einsatz ihres Lebens schützen. Der Bund beispielsweise stellt gerade 3000 neue Bundespolizisten ein, aber das alleine reicht nicht. Wir werden eine Renaissance der inneren Sicherheit erleben, gerade zum Schutz der Schwachen.