Keine Frage, Reputation und öffentliche Aufmerksamkeit sind wichtige Währungen, die einem Politiker Handlungsspielraum eröffnen. Vor allem, wenn er ein Land zu führen hat. Sobald diese Kategorien aber nicht mehr nur wichtig sind, sondern die einzigen, die zählen, wenn das Regierungsgeschäft von keinerlei Sachkenntnis getrübt wird, dann kann dies in einem perfekten politischen Sturm enden. Und der zieht gerade über den Vereinigten Staaten von Amerika auf, provoziert von Präsident Donald J. Trump.
Für den Milliardär und Casinobesitzer gilt nicht das Primat der Politik, sondern das Primat des Ego-Managements, und zwar 24 Stunden, sieben Tage in der Woche. Das führt im Weißen Haus zu einer nie da gewesenen Abwesenheit von Vernunft, Nüchternheit und sorgfältiger Strategie. Trump hat schon immer Geschäfte gemacht mit dem Finger am Abzug. In seiner Welt existiert nur das Recht des Stärkeren und nichts ist schlimmer, als ein Loser zu sein. Das führt seit seiner Amtseinführung am 20. Januar zu einer Politik des Ärmelzuges: Erst einmal alles vom Tisch wischen, was war. Auch wenn es gut war. Geradezu obsessiv macht er beispielsweise Entscheidungen seines Vorgängers Barack Obama rückgängig. Einfach, weil nicht gut sein kann, was sein Lieblingsfeind einst entschieden hatte.
Donald Trump duldet kaum Widerspruch
Der Hofstaat am Weißen Haus verhält sich im Tagesgeschäft überwiegend willfährig. Selbst in homöopathischen Dosen gilt Widerspruch gegen Entscheidungen des Präsidenten als angekündigter Selbstmord. Der Witz kursiert, dass manche Mitarbeiter, bevor sie sich morgens auf den Weg ins Weiße Haus machen, dort ihre eigene Nummer anrufen um festzustellen, ob sie noch einen Job haben. Wer auch nur ansatzweise der Meuterei verdächtigt wird, dem haut der Präsident einen saftigen Tweet um die Ohren. Gestern erwischte es sogar den republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell, der die Erwartungen des Präsidenten an den Kongress als "übertrieben" bezeichnet hatte, vor allem, weil Obamacare immer noch nicht in den Papierkorb der Geschichte gewandert ist. Was Trump maßlos ärgert. Er ätzte: "Kann man das glauben, dass McConnell, der sieben Jahre lang abschaffen und ersetzen geschrien hat, die Sache nicht geregelt kriegt!" Derart rüde wurde noch kein Mehrheitsführer im Kongress vom Präsidenten öffentlich erniedrigt. Das wäre ungefähr so, als wenn Angela Merkel ihren Fraktionschef Volker Kauder öffentlich rügt, weil er nicht schnell genug arbeitet.
Dagegen giert Trump nach Lob wie ein Verdurstender nach Wasser in der Wüste. Nach seinem kopflosen Nordkorea-Zitat ("Wir begegnen dem mit Feuer, Wut und Macht...") bejubelte ihn der TV-Sender Fox via Twitter: "Die Unberechenbarkeit des Präsidenten ist ein großer Wert. Nordkorea wusste genau, was Obama beabsichtigte." So deutet man eine Schwäche in Strategie um. Zur Belohnung gab es gleich einen Retweet vom Präsidenten für dessen 35 Millionen Follower. Soll doch jeder sehen, was für ein schlauer Kerl er ist. In Washington wurde gar gemutmaßt, ob sich Trump die "Madman Theory" zu eigen gemacht habe, ob bewusst oder unbewusst. Danach muss man den Gegner wissen lassen, dass man so verrückt ist, in einem Konflikt jedes Mittel einzusetzen, bis hin zu Atomwaffen. So soll der Kontrahent eingeschüchtert werden. Schon Präsident Richard Nixon gab sich im Vietnamkrieg das Image des Irren mit dem Atomkoffer in der Hand, um die Nordvietnamesen einzuschüchtern. Das Ende ist bekannt. Als wolle er die Madman-These stützen legte Trump am Donnerstag nach: Sein Kommentar vom Mittwoch sei "vielleicht nicht hart genug" gewesen, antwortet er auf Fragen von Reportern. Er drohte, es könnten "Dinge geschehen, die sie (die Nordkoreaner, die Red.) niemals für möglich gehalten haben." Einen Erstschlag gegen Nordkorea schloss er nicht aus. "Wir werden sehen, was geschieht!"
Eine Art politisches Legoland
Trumps Ausbrüche produzieren alarmierende Schlagzeilen, klingen aber doch nach ungestümem Theaterdonner. Es ist seine Art von Abschreckung, die dem menschenverachtenden nordkoreanischen Regime allerdings eine schöne Vorlage für eine weitere Eskalation liefert. Es ist wie immer, nur diesmal viel gefährlicher: Der US-Präsident lässt seinem Wut-Impuls freien Lauf, ohne jegliche Erfahrung bei der Lösung zugespitzter Konflikte. Trump nistet in einem unantastbaren, realitätsfernen, durch keinerlei historische Zusammenhänge belasteten Kokon, der nur durchlässt, was seiner Huldigung dient. Für ihn scheinen Amerika und der Rest der Welt eine Art politisches Legoland zu sein, das sich mittels Twitter und Dekreten beliebig umbauen lässt. Und dies stets in der Pose des unbeugsamen Besserwissers und Alleskönners. Aber so ein Fakten-Verweigerer als oberster Befehlshaber? Das kann Menschenleben kosten. Es kann Leid verursachen, ob unter denjenigen, deren Krankenversicherung irgendwann geschreddert wird oder unter Migranten, die sich jetzt nach Kanada durchschlagen müssen.
Wie es aussieht, wird auch künftig niemand Donald Trump daran hindern, die Welt weiterhin mit seinen Lügen zu irritieren. Die 1-Million-Dollar-Frage, die sich Gegner wie Alliierte immer wieder stellen, lautet indes: Handelt es sich dabei um kalkulierte Ruchlosigkeit, mit der Trump seine Anhänger berauschen will? Oder hält er seine Unwahrheiten für Tatsachen? Die Antwort kann wohl nur ein Psychiater finden.