Mit koordinierten Angriffen in Kabul und in drei Provinzhauptstädten haben Taliban-Kämpfer am Sonntag ihre "Frühjahrsoffensive" in Afghanistan begonnen. In Kabul kam es zu Gefechten im Botschaftsviertel, im Zentrum, am Parlament im Westen und an einer türkischen Militärbasis im Osten der Stadt. Stunden vor den Angriffen in Afghanistan stürmten Islamisten in Pakistan ein Gefängnis und ließen knapp 400 Insassen frei. Die deutsche Botschaft geriet ebenfalls unter Beschuss. Es habe aber lediglich kleinere Sachbeschädigungen auf dem Gelände gegeben, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag in Berlin. Alle Botschaftsangehörigen seien wohlauf und an einem sicheren Ort.
Ein Taliban-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Angriffe seien der Beginn der Frühjahrsoffensive. "Wir haben sie seit Monaten geplant", erklärte er. Die wichtigsten Ziele in Kabul seien die deutsche und britische Botschaft sowie das örtliche Nato-Hauptquartier. Die Angriffe seien Vergeltung für die Koran-Verbrennungen auf einem US-Stützpunkt, für den Tod von 17 Afghanen, der einem amerikanischen Soldaten zur Last gelegt wird, und für Videos, auf denen US-Marineinfanteristen offenbar auf einen toten Taliban urinieren.
Westerwelle: "Die Terroristen dürfen nicht obsiegen"
Westerwelle bekräftigte nach dem Angriff auf die deutsche Botschaft die Abzugspläne für die Bundeswehr. Der internationale Kampfeinsatz dort soll 2014 enden. Man müsse sich zwar "auf weitere Rückschläge einstellen". Dennoch sei es richtig, den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung fortzusetzen und die Abzugsperspektive umzusetzen: "Für uns steht fest: Wir werden der Gewalt der Terroristen nicht nachgeben." Die Angriffe dürften auch einen friedlichen Aufbau nicht behindern. "Die Terroristen dürfen nicht obsiegen."
Die USA lobten am Sonntag die afghanischen Sicherheitskräfte für ihre Reaktion. "Wir sind Zeugen einer sehr professionellen Reaktion der Sicherheitskräfte geworden", sagte der US-Botschafter in Afghanistan, Ryan Crocker, dem US-Nachrichtensender CNN. Die afghanischen Kräfte hätten gezeigt, dass sie "solche Ereignisse ganz alleine in die Hand nehmen können". Dies sei "ein klares Zeichen von Fortschritt". Die Angriffe zeigten aber auch, "warum wir vor Ort sein müssen", sagte Crocker weiter.
14 Aufständische bei den Gefechten getötet
Das Innenministerium teilte mit, insgesamt seien 14 Aufständische bei den Gefechten getötet worden. 14 Polizisten und neun Zivilisten seien verwundet worden. Ein Polizeisprecher sagte dagegen, auch die afghanischen Sicherheitskräfte hätten Tote zu beklagen. In einer Mitteilung der Internationalen Schutztruppe Isaf war auch von einem getöteten Zivilisten die Rede.
Außer in Kabul griffen Aufständische Ziele in Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, in Pul-e-Alam, der Hauptstadt der Provinz Logar, und in Gardes, der Hauptstadt der Provinz Paktia, an. Alle drei Provinzen liegen im umkämpften Osten des Landes. In Dschalalabad schlugen Isaf-Soldaten einen Angriff auf eine Militärbasis zurück.
In Kabul verschanzten sich Selbstmordkommandos in Baustellen am Parlament und im Botschaftsviertel. Ähnlich waren die Aufständischen bereits im vergangenen September vorgegangen, als sie von einer Hochhaus-Baustelle aus etwa 20 Stunden lang das Hauptquartier der Isaf und die US-Botschaft in Kabul beschossen.
Auch britische Botschaft wurde beschossen
Aus Sicherheitskreisen hieß es, auch die japanische Botschaft seit bei dem Beschuss beschädigt worden. Eine Granate sei auf dem Gelände der russischen Botschaft detoniert. Auch die britische Botschaft - die an die deutsche Botschaft angrenzt - sei mit einer Panzerfaust beschossen worden. Der nahe gelegene Präsidentenpalast sei nicht beschädigt worden.
Die Taliban verüben immer wieder spektakuläre Kommandoaktionen, bei denen mehrere prominente Ziele gleichzeitig angegriffen werden. In den Wintermonaten flauen die Kämpfe in Afghanistan ab, im Frühjahr nehmen sie dann wieder an Schärfe zu.