Nach dem Selbstmordattentat auf deutsche Soldaten am Montag in Afghanistan ist die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr neu entbrannt. "Es muss klar sein, dass wir in Afghanistan nicht auf ewig bleiben können", sagte der designierte Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir dem "Hamburger Abendblatt". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle den Anschlag mit zwei toten Soldaten zum Anlass nehmen für eine Erklärung im Bundestag. "Die Kanzlerin muss der Bevölkerung endlich erläutern, warum unsere Soldaten überhaupt am Hindukusch sind und wie lange sie noch bleiben müssen", forderte der Europaabgeordnete. Bisher sei Merkel beim Thema Afghanistan "merkwürdig leise" gewesen.
Özdemir forderte einen Strategiewechsel in Afghanistan. Die Vorgehensweise der USA, "den Fokus nur auf die Bekämpfung der Gegner zu legen", führe nicht weiter. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt alle Anstrengungen darauf verwenden, die afghanische Armee und Polizei in die Lage zu versetzen, "ihre Aufgaben selbstständig und kompetent zu erfüllen".
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erklärte, er halte die in der Nato vereinbarte Gesamtstrategie "des umfassenden Ansatzes, aber auch der selbsttragenden Sicherheit" für richtig. Afghanistan müsse selbst in der Lage sein, für seine Sicherheit zu sorgen, sagte Jung dem Nachrichtensender n-tv. Deshalb werde die Bundeswehr ihr Engagement im Hinblick auf die Ausbildung der Soldaten in Afghanistan noch erhöhen. "Wir wollen im nächsten Jahr 7500 Soldaten ausbilden, um letztlich das Ziel der selbsttragenden Sicherheit in Afghanistan in einer überschaubaren zeitlichen Dimension erreichen zu können", meinte Jung.
Zugleich räumte Jung eine Schwäche der Bundeswehr gegenüber Selbstmordattentätern in Afghanistan ein. Patrouillen und Missionen zur Auffindung von Waffenlagern würden zwar verstärkt geschützt, aber "gegen solche hinterhältigen und feigen Anschläge" seien die Soldaten oft wehrlos, wenn sie nicht vorher Informationen erhielten, sagte der CDU-Politiker.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, erklärte, ein sofortiger Rückzug würde Afghanistan "in die Terrorherrschaft der Taliban zurückwerfen". Der CDU-Politiker wertete den Anschlag auf die Bundeswehr als Beleg für die "Brutalität und Hinterhältigkeit" der Taliban. Weil diese nicht einmal auf einheimische Muslime Rücksicht nähmen, werde "die Anwesenheit der Bundeswehr von den Afghanen selbst mit großer Mehrheit gewünscht".
Bei dem Selbstmordanschlag im Norden Afghanistans waren zwei Bundeswehrsoldaten getötet worden. Auch fünf afghanische Kinder kamen ums Leben. Jung berichtete zudem von zwei deutschen Soldaten, die leicht beziehungsweise mittelschwer verletzt wurden; auch ein Kind trug schwere Verletzungen davon. Bei den Toten handelt es sich um einen 25-jährigen Stabsunteroffizier und einen 22-jährigen Stabsgefreiten des Fallschirmjägerbataillons 263 in Zweibrücken.
Die Leichen der Soldaten sollen am Mittwoch nach Zweibrücken ausgeflogen werden, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit. Der verletzte Soldat solle voraussichtlich ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz gebracht werden. Am Mittwochmorgen findet in Kundus für die Opfer zunächst eine Trauerfeier statt, zu der auch Staatssekretär Peter Wichert aus Berlin anreisen wollte.