In der Frage der Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan steht US-Präsident Barack Obama vor einer schwierigen Entscheidung. Bei einem Treffen mit Abgeordneten des US-Kongresses drängte der republikanische Senator John McCain im Weißen Haus auf eine rasche Entsendung zusätzlicher Soldaten. Bei den Demokraten muss Obama hingegen mit Widerstand rechnen, sollte er weitere Truppen an den Hindukusch schicken.
Obama müsse "so schnell wie möglich" dem Ersuchen des Generals Stanley McChrystal nach der Entsendung weiterer Soldaten nachkommen, sagte McCain nach dem Treffen in Washington. Der Oberbefehlshaber der US-Truppen im Rahmen des Nato-Einsatzes Isaf hat 40.000 zusätzliche Soldaten angefordert, ansonsten könnte nach seinen Angaben der Krieg in Afghanistan binnen einen Jahres verloren gehen. McCain kritisierte auch die von Obama möglicherweise erwogene Option, sich statt der von McChrystal geforderten breiten Offensive gegen Aufständische in Afghanistan auf den gezielten Kampf gegen das Terrornetzwerk al Kaida zu konzentrieren. "Wir alle wissen doch: wenn die Taliban zurückkehren, kehrt auch al Kaida zurück."
Bei dem Treffen im Weißen Haus konnten die Differenzen zwischen den Parteien bezüglich der Afghanistan-Strategie nicht überbrückt werden. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sagte zwar, alle Teilnehmer hätten Obama grundsätzlich zugesagt, seine Entscheidung zu unterstützen. Zögerlicher äußerte sich die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi: Ob die Demokraten Obamas Entscheidung am Ende tragen würden, hänge davon ab, was der Präsident vorlege. Viele Demokraten lehnen ein Aufstocken der Truppen in Afghanistan ab.
Am Montag erst hatte eine Gruppe von etwa 20 Abgeordneten vom linken Parteiflügel in Washington einen Gesetzentwurf vorgestellt, der "jegliche Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan" verbieten würde, wie es in dem Text heißt. Der Gesetzentwurf soll außerdem festschreiben, dass die USA keine Haushaltsmittel für eine Vergrößerung der US-Streitmacht in Afghanistan bereitstellen dürfen. Dem Entwurf werden allerdings keine Chancen auf eine Mehrheit im Kongress eingeräumt.
US-Bürger sehen Einsatz skeptisch
Nach Angaben eines ranghohen Regierungssprechers versicherte Obama den Abgeordneten, bei seiner Entscheidung "konsequent und überlegt" vorzugehen. Der Präsident habe jedoch auch deutlich gemacht, dass seine Entscheidung "nicht alle in diesem Raum oder im Land glücklich machen" werde.
Am Mittwoch will Obama die Beratungen mit der Militärspitze fortsetzen. An den Gesprächen im Hochsicherheitstrakt des Weißen Hauses nehmen Vize-Präsident Joe Biden, Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates teil. Derzeit sind etwa 68.000 US-Soldaten in dem Land stationiert. Angesichts der anhaltenden Gewalt in Afghanistan sehen viele US-Bürger den Einsatz mittlerweile skeptisch. Erst am Wochenende waren beim blutigsten Angriff der Taliban seit mehr als einem Jahr acht US-Soldaten und zehn afghanische Sicherheitskräfte getötet worden.
Pakistan fordert langfristiges US-Engagement
Pakistan forderte derweil die USA auf, eine "langfristige Vision" zur Stabilisierung der Region vorzustellen. "Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen", sagte Außenminister Shah Mehmood Quereshi bei einem Treffen mit seiner US-Kollegin Clinton in Washington. Nicht nur Pakistan und Afghanistan, sondern die gesamte Region brauche ein langfristiges Engagement. Die USA müssten "im Rennen bleiben", bis Afghanistan "friedlich und stabil" sei.
Niederländisches Parlament stimmt für Abzug 2010
Auch in Europa bröckelt die Unterstützung für das Engagement in Afghanistan. Das Parlament in den Niederlanden forderte am Dienstag mit breiter Mehrheit, den Einsatz nicht über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern.
Dem Antrag zur Beendigung des niederländischen Afghanistan-Einsatzes stimmten neben fast allen Abgeordneten der Opposition auch zwei der drei Regierungsparteien zu. Allerdings hat das Votum für die Regierung lediglich den Charakter einer Empfehlung.
Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass die Regierung in erhebliche innenpolitische Schwierigkeiten geraten würde, wenn sie im kommenden Jahr gegen den erklärten der Willen der Parlamentsmehrheit eine Verlängerung des Militäreinsatzes über 2010 hinaus beschließen sollte. Seit 2006 sind etwa 1400 niederländische Soldaten in Afghanistan im Einsatz, bislang kamen 21 ums Leben. In den vergangenen Wochen hatten die USA und Australien die Niederlande gedrängt, ihren Afghanistan-Einsatz über 2010 hinaus zu verlängern.