Andreas Albes "Willkommen in der Hölle"

Das Volk feiert Saddam, die Regierung ist strikt auf Pro-Amerika-Kurs - stern-Reporter Andreas Albes berichtet aus Jordanien.

Al-Sabel, "Der Weg", heißt eine der großen jordanischen Wochenzeitungen. Ein Boulevardblatt, eine Art arabische "Bild" mit fetten, schreienden Schlagzeilen. Die aktuelle Ausgabe erschien mit einem großen Foto des amerikanischen Präsidenten auf der Titelseite. Sein Gesicht von Zweifeln verzerrt. Daneben Bilder erschossener und gefangener US-Soldaten. Die Schlagzeile: "Ohrfeige für Bush". Drei Seiten weiter ist in großen Lettern zu lesen, was die alliierten Truppen erwartet, wenn sie erst Bagdad erreicht haben: "Willkommen in der Hölle".

"Bezwinge unsere Feinde mit Chemiewaffen"

Die öffentliche Meinung in Jordanien ist eindeutig: "Down America!" Nach den Freitagsgebeten regelmäßig Demonstrationen. Irakische Flaggen werden geschwenkt. "Wir geben unser Blut und unsere Seelen für Saddam", skandieren die Menschen. "Es gibt nur einen Gott, und das ist unser Gott!" "Keine Angst Saddam, greif' Tel Aviv mit Raketen an!" "Bezwinge unsere Feinde mit Chemiewaffen, Saddam!"

Devotionalien für Saddam-Fans

Die Mehrheit der Jordanier stammt aus Palästina. Daher die Verehrung für den irakischen Diktator, der die Familien palästinensischer Selbstmordattentäter mit Tausenden Dollar belohnt. In den Geschäften in Wassat El-Balad, dem Stadtzentrum von Amman, nimmt die Begeisterung schon kuriose Züge an. Sie verkaufen Armbanduhren mit Saddam-Portrait im Zifferblatt und geschnitzte Kamele, die Raketen mit irakischer Flagge auf dem Rücken tragen. Für drei Dinar (ca. fünf Euro) kann man an jeder Straßenecke Feuerzeuge mit der Abbildung des World-Trade-Centers und einem Passagierflugzeug erstehen. Darunter eingraviert: 11. September und das Antlitz Osama bin Ladens. Klappt man den Deckel auf, leuchten in den Türmen des World-Trade-Centers rote Flammen. "Made in China", steht auf der Packung. Und: "Für Kinder unzugänglich aufbewahren."

Antiamerikanismus ist verboten - eigentlich

Die Regierung des jordanischen Königreichs hat ihrer Polizei Anweisung gegeben, gegen jede Art von Antiamerikanismus durchzugreifen. Die Straßenhändler lassen die Feuerzeuge mit den brennenden Twintowers sofort verschwinden, wenn sich blaue Uniformen nähern. Wer beim Verkauf erwischt wird, dem droht Entzug der Lizenz. Auch Anti-Kriegs- und Pro-Saddam-Demonstrationen sind streng verboten. Bei den Freitagsgebeten marschieren um die Moscheen Polizisten mit Helmen, Schutzschilden und langen hölzernen Schlagstöcken auf. Formieren sich Demonstrationszüge, werden sie sofort auseinandergetrieben. Vergangene Woche sperrte die Polizei 1200 Studenten in der Universität ein. Sie hatten einen Friedensmarsch angekündigt. Beim Versuch, das Gelände zu verlassen, wurde die Menschenmenge mit Wasserwerfern und Tränengas-Granaten beschossen. Zehn Studenten kamen ins Krankenhaus.

Öffentlich leugnet Jordaniens Ministerpräsident Ali Abul Ragheb den strammen Pro-USA-Kurs. Auch, dass US-Truppen von jordanischem Boden aus operieren. Dabei sieht man im Grenzgebiet zum Irak ständig amerikanische Armeehubschrauber starten und landen. Jordanien war eines der ersten Länder, das drei irakische Diplomaten auswies.

Zeitungen: "Regierung lässt sich kaufen"

Zeitungskommentatoren kritisieren, dass sich die Regierung von Amerika kaufen lässt. Gerade wurden 177 Millionen Dollar Schulden gestundet, Wirtschaftshilfe in Millionenhöhe ist in Aussicht gestellt. Doch Ökonomen rechnen vor, dass dieser Krieg das Land mehr als 2,5 Milliarden Dollar kosten wird. Für 70 große Unternehmen ist der Irak wichtigster Handelspartner.

Boykott gegen McDonald's und Co.

Je mehr Bomben auf Bagdad fallen, desto weniger lässt sich der Antiamerikanismus stoppen. Ein großes Krankenhaus verzichtet bereits darauf, amerikanische Medikamente zu verwenden. McDonald’s versucht vergeblich mit dem McArabia, Hühnchen in Fladenbrot, um Kunden zu werden. Die Filialen in Amman bleiben leer. Burger King geht es nicht besser. Wer Marlboro raucht, wird schräg angeschaut. Dafür sind französische Gauloises in vielen Geschäften ausverkauft.

Wer sponsort "Jordanien zuerst"?

Um sich beim Volk beliebt zu machen, hat König Abdullah jüngst die Kampagne "Jordanien zuerst" ins Leben gerufen. Überall sieht man den Slogan auf Stickern und Plakaten. Die Zeitung Al-Sabel enthüllte jetzt, dass sie von "einem großen Soda-Hersteller" finanziert wird, der als Gegenleistung verlangt, dass seine Produkte in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kasernen verkauft werden dürfen. Jeder Jordanier weiß, dass es nur zwei große Hersteller von Soda-Getränken im Land gibt: Pepsi und Coca-Cola.

Andreas Albes