"Ich habe vier Tote auf der Straße gesehen", berichtet ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes Zaka der Deutschen Presse-Agentur. Der Anblick vor Ort sei "erschütternd" gewesen, er selbst habe einen Mann mit Schussverletzung behandelt. Am Dienstag hatte ein 27-Jähriger in Bnei Brak nahe der israelischen Stadt Tel Aviv mit einem Sturmgewehr des Typs M16 auf Passanten geschossen und fünf Menschen getötet – darunter ein ein Polizist und zwei Ukrainer. Der Täter, ein Palästinenser aus der Stadt Yabad im Westjordanland, der vier Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht hatte, wurde von der Polizei erschossen.
Es sind blutige Zeiten, nicht nur im Osten Europas. Innerhalb einer Woche wurden bei drei Anschlägen in Israel elf Menschen getötet. So viele waren zuletzt bei einem Selbstmordanschlag in Tel Aviv im April 2006 ums Leben gekommen. Dem Anschlag nahe Tel Aviv gingen zwei weitere Angriffe voraus. So hatte wenige Tage zuvor ein Angreifer in der Wüstenstadt Beerscheva vier Menschen getötet. Berichten zufolge soll er eine Frau mit dem Auto gerammt haben, ehe er in einem Einkaufzentrum auf drei Menschen einstach und selbst von einem Passanten erschossen wurde.
Dem folgte ein Angriff mutmaßlicher Dschihadisten in der nordisraelischen Stadt Hadera. Beide Anschläge wurden von Arabern mit israelischer Staatsangehörigkeit verübt. Alle drei waren Unterstützer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS).
Israels Premier warnt vor neuer Terrorwelle
Die Anschlagserie bezeichnete Israels Premierminister Naftali Bennett als "mörderische arabische Terrorwelle". Diese werde mit "eiserner Hand" bekämpft. Regierungschef Naftali Bennett sagte nach Sicherheitsberatungen, Israel stehe vor einer "herausfordernden Periode". Gleichzeitig machte er Mut. In der Geschichte des Landes habe es immer wieder solche Terrorwellen gegeben. "Sie haben uns damals nicht gebrochen, und sie werden uns auch jetzt nicht brechen."
Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Anschlagswelle auf Israel und warnte vor einer "Gewaltspirale während der anstehenden Feiertage". Die jüngsten Angriffe seien in ihrer "Brutalität und Kaltblütigkeit schockierend". Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Gewalt. "Die Ermordung palästinensischer und israelischer Zivilisten verschärft die Situation nur noch mehr, während wir alle nach Stabilität streben", erklärte er.
Feier des Terrors – eskaliert die Gewalt zum Ramadan?
Im Westjordanland, dem Gazastreifen sowie im Libanon wurden die Angriffe dagegen gefeiert. In Yabad verteilten Männer am Abend Süßigkeiten.
In einer Videobotschaft lobten Mitglieder der palästinensischen Al-Aksa-Brigaden in Dschenin den Anschlag in Bnei Brak. Einer von drei Vermummten kündigte darin auf Hebräisch einen "Krieg im ganzen Staat Israel" an.
Mit Blick auf den anstehenden islamischen Fastenmonat Ramadan fürchten Israel und der Westen eine erneute Eskalation der Gewalt. Im vergangenen Jahr hatten während des im April beginnenden Fastenmonats Spannungen zwischen israelischen Streitkräften und Palästinensern an der Al-Aksa-Moschee in Ostjerusalem zu einem elftägigen bewaffneten Konflikt des israelischen Militärs mit der Hamas geführt.
Um genau dies zu verhindern, ist die israelische Polizei in höchster Alarmbereitschaft. Die Präsenz an belebten Orten soll deutlich verstärkt werden. Die Polizei soll auch durch 1000 Soldaten verstärkt werden, wie Verteidigungsminister Benny Gantz entschied.
Neue Gruppenbildung im Nahen Osten
Auslöser der Angriffswelle könnte auch ein historisches Gipfeltreffen in der Negev-Wüste sein. An den zweitägigen Gesprächen nahmen neben Blinken auch die Außenminister Israels, der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Marokkos, Bahrains und Ägyptens teil. Sie demonstrierten damit den Willen zu einer stärkeren Zusammenarbeit und setzten ein Zeichen gegen den Iran. Palästinensischer Vertreter sowie Israels Nachbar Jordanien waren nicht zugegen.
Israel hat binnen 18 Monaten diplomatische Beziehungen mit Bahrain, den VAE, Marokko und Sudan aufgenommen. Zuvor hatte der jüdische Staat nur mit Ägypten und Jordanien Friedensverträge unterzeichnet. Als Hauptmotor der Annäherung galten wirtschaftliche Erwägungen.
Für Israel bedeutet der Gipfel die Art von Akzeptanz in der Region, von der es immer geträumt hat. Eine solche Zusammenkunft sei noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen, sagte auch US-Außenminister Antony Blinken.
Hintergrund des Treffens ist unter anderem die Sorge Israels, die von den USA angestrebte Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran werde den Weg Teherans zum Bau von Nuklearwaffen ebnen. Es sieht sich durch den Erzfeind in seiner Existenz bedroht. Vor allem die Golfstaaten teilen diese Sorge. Der demonstrative Schulterschluss mit den verbündeten arabischen Staaten dient auch als klares Signal gegen aggressive Aktivitäten Teherans in der Region.
Das Blutbad geht weiter
Nach Angaben eines Sprechers der im Gazastreifen herrschenden Hamas handele es sich bei dem Anschlag nahe Tel Aviv mit fünf Toten um eine "rasche Reaktion auf den Gipfel der Schande in der Negev-Wüste". Die Operation sei "eine natürliche Antwort auf die Verbrechen der Besatzung gegen die Rechte unseres Volkes und unseres Landes und unserer heiligen Stätten", hieß es in einer Erklärung.
Unterdessen hat Israel mit einer Militärrazzia reagiert. Dabei kam es am Donnerstag nach Angaben der israelischen Armee zu einem Schusswechsel mit Palästinensern in Dschenin. Zwei Palästinenser im Alter von 17 und 23 Jahren seien bei dem Armee-Einsatz getötet und 15 weitere verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit.