Anti-Landminen-Gipfel "Ich dachte, mein Arm würde nachwachsen"

Weltweit sind etwa 110 Millionen Landminen verlegt, 8000 Menschen fielen ihnen allein im Jahr 2003 zum Opfer. Liegt die Mine erst einmal im Boden, ist es aufwändig, teuer und gefährlich, sie unschädlich zu machen.

Sie sind klein, gemein und spottbillig. Sie schlagen oft erst zu, wenn der Konflikt längst vorbei ist. Sie treffen fast immer Zivilisten, etwa ein Viertel der Opfer sind Kinder. Im Jahr 2003 wurden mehr als 8000 Menschen durch Minen getötet. Mehr als 50 Staaten haben die Konvention zum Verbot von Anti-Personen-Minen noch nicht unterzeichnet, unter ihnen die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats USA, China und Russland. Um auf die anhaltende Gefahr aufmerksam zu machen, hat die Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen zu einem fünftägigen Treffen in Nairobi (29.11.- 3.12.) eingeladen.

Welt ohne Landminen als Ziel

Vor sieben Jahren wurde die so genannte Ottawa-Konvention verabschiedet, die das Ziel einer Welt ohne Landminen verfolgt. Die Koordinatorin der Kampagne, Jody Williams, erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Seitdem ist eine Menge passiert. Mitgliedsstaaten haben mehr als 37 Millionen Minen aus ihren Beständen zerstört. In Ländern, die ihre Minenfelder markiert und mit der Suche begonnen haben, ist die Zahl der Opfer um zwei Drittel zurückgegangen. Zahlreiche Prominente, unter ihnen Prinzessin Diana, haben sich für den Kampf gegen Landminen eingesetzt.

Anti-Personen-Minen

Anti-Personen-Minen sind Landminen, die häufig bei innerstaatlichen Konflikten gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Zwischen 15.000 und 20.000 Menschen werden laut UNICEF-Angaben jährlich bei Minenexplosionen verletzt oder getötet. Weltweit sind Schätzungen zufolge 110 Millionen Anti-Personen-Minen verlegt. Darüber hinaus befinden sich 185 Millionen Sprengkörper in militärischen Lagern.

Das mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Ottawa-Abkommen, dass am 1. März 1999 in Kraft getreten ist, verbietet die Herstellung, das Weitergeben und den Einsatz aller Anti-Personen-Minen. Bis heute haben 144 Staaten den Vertrag unterschrieben. 44 Länder, darunter die USA, Russland und China, sind dem Abkommen nicht beigetreten. Die teilnehmenden Staaten beteiligen sich an der Vernichtung von Minen in Lagern sowie der Räumung von bereits verlegten Sprengkörpern.

Durch das Abkommen ist die Zahl der Herstellerländer von 55 Staaten (1997) auf 14 (2003) zurückgegangen. Zu den Hauptproduzenten von Anti-Personen-Minen gehören unter anderem China, Nord- und Südkorea, Singapur und Vietnam.

Liegt die Mine erst einmal im Boden, ist es aufwändig, teuer und gefährlich, sie wieder rauszuholen oder unschädlich zu machen. Obwohl Krieg führende Parteien verpflichtet sind, Lagepläne für Minen aufzubewahren, gibt es über viele verminte Landstriche keine Informationen. Rebellenmilizen, die die billigen Waffen besonders häufig nutzen, halten sich erst recht nicht an internationale Konventionen. Minen werden außerdem durch Niederschläge und Bodenbewegungen weitertransportiert.

Die meisten Minen werden durch Druck ausgelöst, wenn ein Mensch auf sie tritt. Die einfachen Modelle explodieren sofort und reißen dem Opfer oft ein Bein ab. Raffiniertere Modelle werden erst in die Luft geschleudert und explodieren dort, so dass die Opfer häufig getötet werden.

Die bei der Minensuche eingesetzten Metalldetektoren haben einen Nachteil: Sie können Minen nicht von Flaschendeckeln oder Münzen unterscheiden. Und gegen moderne Plastikminen können sie ohnehin nichts ausrichten. Suchhunde hingegen können je nach Gewicht leicht selbst zum Opfer werden.

Minensuche mit Riesenratten

Besonders erfolgreiche Minensucher sind westafrikanische Riesenratten, die derzeit in Tansania trainiert werden. Für ein Stückchen Banane oder ein paar Erdnüsse zeigen sie zuverlässig an, wo ihre feine Nase einen Hauch von Sprengstoff wittert. Die Ratten sind leichter als Hunde und laufen deswegen weniger Gefahr, selbst die Detonation auszulösen. Außerdem seien sie sehr lernfähig, billig und einfach zu transportieren, sagen ihre belgischen Trainer. In Mosambik wurden die ersten von ihnen schon mit Erfolg eingesetzt.

Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Landminen-Bericht macht deutlich, dass der Weg zu einer minenfreien Welt noch lang ist. Noch immer werden Minen in 15 Ländern hergestellt. Noch immer verlegen reguläre Armeen in Russland und Myanmar Minen. Und in den Staaten, die der Ottawa Konvention nicht beigetreten sind, lagern noch etwa 185 Millionen der unberechenbaren Waffen.

Fast 500.000 Minen zwischen Äthiopien und Eritrea

Eritrea gehört zu den Ländern, die am meisten unter den Folgen von Landminen leiden. Drei Jahrzehnte Kampf für die Unabhängigkeit von Äthiopien und zwei Jahre Krieg gegen Äthiopien über den Grenzverlauf haben in weiten Landesteilen ihr schlimmes Erbe hinterlassen. Eine nationale Studie zählt insgesamt mehr als 3000 Todesopfer durch Minen. Häufig liegen die Minen in fruchtbarem Boden und verhindern die Bewirtschaftung. Knapp 70 Prozent der Opfer treten bei der Arbeit auf ihren Feldern oder beim Viehhüten auf die Mine.

Der elf Jahre alte Tedla aus Eritrea hütete Kühe, als er ein abgerissenes menschliches Bein im Gebüsch liegen sah. Er erschrak nicht darüber, Tedla ist im Krieg aufgewachsen. "Ich sah, dass an dem Bein noch ein Schuh dran war und wollte ihn haben", erinnert er sich. "Auf einmal ist unter meinem Fuß etwas explodiert, und ich wurde vor Schmerzen ohnmächtig." Tedla wachte im Krankenhaus wieder auf. "Ich wollte nach etwas greifen und merkte plötzlich, dass ich keinen rechten Arm mehr hatte. Da habe ich angefangen zu weinen."

"Hör auf zu weinen, der wächst wieder nach"

Eine alte Frau lag neben ihm im Bett. Sie wollte ihn trösten. "Hör auf zu weinen, der wächst wieder nach", sagte sie ihm. Tedla glaubte ihr. Jeden Morgen maß er seinen Armstummel, ob er schon ein Stück gewachsen war. "Ich dachte wirklich, mein Arm würde nachwachsen. Ich habe erst nach und nach gemerkt, was mit meinem Körper passiert war", sagt der 33-Jährige heute. Der junge Mann aus einem Dorf nahe der Hauptstadt Asmara war auf eine Mine aus dem Unabhängigkeitskrieg seines Landes getreten. Sie trennte ihm das rechte Bein und den rechten Arm ab. Ein Splitter traf sein linkes Auge.

Tedlas Eltern schickten ihren Sohn dennoch auf die Universität. "Ich war Rechtshänder und konnte mit links nur sehr langsam schreiben", erinnert er sich. Aber er schaffte es, machte seinen Abschluss, bekam einen Bürojob und konnte sich schließlich eine Beinprothese leisten. "Das Bein hat etwa 400 Dollar gekostet, es ist keine besonders gute Qualität", sagt er und hebt die Prothese, die unter einer Hose verborgen ist, leicht an. "Sie ist sehr schwer und passt nicht richtig." Dann legt er die linke Hand wieder auf den rechten Armstummel. So sieht es aus, als habe er beide Arme verschränkt. Eine Armprothese konnte er sich noch nicht leisten.

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Ulrike Koltermann/DPA