Diplomatischer Zoff zwischen London und Quito: Die Regierung Ecuadors hat Großbritannien beschuldigt, mit einem Eindringen in die Botschaft des südamerikanischen Staates in London gedroht zu haben, in der sich der Wikileaks-Gründer Julian Assange seit sieben Wochen aufhält. Außenminister Ricardo Patiño sagte am Mittwochabend (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in Quito, die britische Regierung habe "ausdrücklich und schriftlich" mit einem Überfall gedroht, falls Assange nicht ausgeliefert werde, wie die Zeitung "El Telégrafo" berichtete.
Die ecuadorianische Regierung sei "zutiefst schockiert" über die Drohungen, wie ein Sprecher in Quito sagte. Die Haltung der britischen Vertreter bei den Gesprächen um die Situation Assanges, der in Ecuador Asyl beantragt hat, sei "sowohl politisch als auch juristisch unannehmbar", sagte Patiño. "Wir sind keine britische Kolonie", fügte er zornig hinzu.
"Rechtliche Pflicht" zur Auslieferung
Nach einem Bericht der britischen BBC könnte unter anderem der exterritoriale Status der Botschaft in London aufgehoben werden, um ein Eindringen von Polizeikräften zu ermöglichen. Rund um das Botschaftsgelände seien in der Nacht zum Donnerstag bereits zusätzliche Polizisten aufmarschiert.
Eine Sprecherin des Außenministeriums in London bekräftigte nach Angaben der Agentur PA, dass die Regierung weiterhin an der Absicht zur Auslieferung Assanges an die schwedischen Justizbehörden festhalte. Großbritannien habe dazu die "rechtliche Pflicht" und sei entschlossen, diese auch zu erfüllen. Allerdings werde mit Ecuador weiterhin "eine gegenseitig annehmbare Lösung" angestrebt.
Asyl-Entscheidung wird am frühen Nachmittag verkündet
Ecuador will im Laufe des Tages seine Entschedidung über Assanges Asylantrag bekanntgeben. Sein Land habe über den Antrag entschieden und werde das Ergebnis um sieben Uhr Ortszeit (14 Uhr MESZ) mitteilen, teilte Patiño mit. Der 41-jährige Assange hatte sich im Juni in die Londoner Botschaft Ecuadors geflüchtet, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort werden ihm Sexualdelikte zur Last gelegt. Der Australier fürchtet aber, letztlich an die USA ausgeliefert und dort wegen der brisanten Enthüllungen durch Wikileaks verfolgt zu werden.
Die britische Zeitung "The Guardian" hatte am Dienstag unter Berufung auf Vertreter der Regierung in Quito berichtet, dass Ecuador dem Asylantrag Assanges stattgeben wolle. Präsident Rafael Correa wies diesen Bericht aber mit der Begründung zurück, dass die Entscheidung noch nicht getroffen sei.
Auch wenn Ecuador Assange Zuflucht anbieten sollte, ist unklar, ob der Australier überhaupt dorthin ausreisen kann. Großbritannien hatte angekündigt, ihn beim Verlassen des Botschaftsgebäudes wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen festzunehmen.
US-Regierung sieht Assange als Landesverräter
Assange hält sich seit dem 19. Juni in Ecuadors Botschaft in London auf. In Schweden will ihn die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung vernehmen.
Das von ihm gegründete Internet-Portal Wikileaks hatte 2010 weltweit Aufsehen erregt, als es Tausende geheime US-Dokumente unter anderem über die Kriege im Irak und in Afghanistan veröffentlicht hatte. Die US-Regierung sieht in Assange seitdem einen Landesverräter.